Wörter einzeln suchen

Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 9224. Wien, Dienstag, den 29. April 1890

[1]

Hofoperntheater.


0002Ed. H. Das Auferstehungsfest, mit dem zugleich wir
0003gerne die Grablegung der Concerte feiern, eröffnet auch für
0004das Opernleben wenigstens eine Periode der Ermattung. Im
0005Hofoperntheater hat man diesen Uebergang von Halbschläf-
0006rigkeit zum Halbschlaf durch ein Gastspiel des Baritonisten
0007Scheidemantel und eine Wiederaufführung von Verdi’s
0008Ernani“ angenehm unterbrochen. Herr Scheidemantel 
0009machte uns in drei Rollen (Heiling, René und Zampa) den
0010Eindruck eines der begabtesten und bestgeschulten Künstler,
0011über welche die deutsche Opernbühne gegenwärtig verfügt.
0012Seine Stimme ist wunderbar ausgeglichen und von seltenem
0013Wohllaut. Nach der Tiefe hin begrenzt und von geringem
0014Kern, klingt sie in der mittleren und hohen Lage üppig und
0015edel, gleich schön im zartesten Anhauch wie im schmetternden
0016Forte. Wiederholt hörten wir Herrn Scheidemantel das hohe
0017g und as frei und rein anschlagen. Noch höher als seine be-
0018neidenswerthe natürliche Mitgift schätzen wir die Kunst, mit
0019welcher er dieselbe verwendet und adelt. Wie selten begegnet
0020uns heute ein junger Sänger mit schöner Stimme, der zugleich
0021eine so sichere Gewalt über seine Mittel, so feine musikalische
0022Empfindung und gereifte Auffassung besitzt! Die ersten Tacte
0023aus seinem Munde überzeugen uns, daß wir hier wirklich
0024einen Gesangskünstler vor uns haben, und einen von
0025den wenigen, denen dramatische Wahrheit und Wärme
0026gleich wichtig sind, wie der schöne Ton. Als Hans
0027Heiling konnte Herr Scheidemantel diese Vorzüge am reich-
0028sten entfalten. Er war tadellos in Maske und Spiel, sogar
0029in der gesprochenen Prosa. Ueberzeugender gelang ihm das
0030Sentimentale, als das Dämonische dieser Rolle. Hierin war
0031ihm unser Beck überlegen — der beste Hans Heiling, den
0032wir gehört — auch Herr Reichmann. Diese Beiden
0033standen von Haus aus im Vortheil durch den dunklen Timbre
0034und die kräftigere Tiefe ihres Organs; Reichmann über-
0035dies durch seine mächtigere Persönlichkeit. Dagegen dürfen 
0036wir nicht vergessen, daß Scheidemantel von manchen Unarten
0037frei ist, die uns Reichmann’s beste Leistungen häufig verlei-
0038det haben. Reichmann hatte sich in den letzten Jahren
0039immer mehr angewöhnt, Alles in ein Meer von Sentimen-
0040talität zu verschwemmen, alle Tempi zu dehnen und auf
0041jeder ihm günstiger Note beliebig lange zu verweilen.
0042So überschwängliche Empfindsamkeit braucht sehr viel Athem.
0043Reichmann holte ihn so tief und oft, als es ihn gelüstete,
0044ohne sich um den Zusammenhang der Phrase viel zu kümmern.
0045Er konnte den gleichgiltigsten Satz mit schmerzlichem Pathos
0046aufblähen wie einen Ballon, den er dann bewundernd gegen
0047Himmel aufsteigen ließ. Als Jago in Verdi’s „Otello“
0048sang er die Schlußworte des im Conversationstone ge-
0049haltenen Bescheides: „Des Mittags pflegt sie gern im
0050Schatten jener Bäume dort zu ruh’n mit meiner Frau“
0051im Tone eines unglücklichen Liebhabers. Man kann sich
0052vorstellen, wie weit ihn diese Manier fortriß, dort, wo wirk-
0053lich sentimentaler Stoff vorlag. Der Sängerkrieg im „Tann-
0054häuser“ dauerte, wenn Reichmann den Wolfram sang, fast
0055doppelt so lang, als sonst. Von diesem falschen, selbstgefälli-
0056gen Pathos ist Herr Scheidemantel frei; er producirt nir-
0057gends sentimentale Ueberschwänglichkeit, wo sie nicht hin-
0058gehört; seine Empfindung ist immer sachlich. Nur in der
0059Neigung, eine Cantilene künstlerisch fein zu schattiren, das
0060Gefühl zu detailliren, lauert für Herrn Scheidemantel eine
0061Gefahr, vor der wir ihn warnen möchten. Als Beispiel citi-
0062ren wir seine Arie im vierten Acte des Verdi’schen „Masken-
0063balles“. Der Vortrag erinnerte in Schmelz und Zartheit
0064an die schönsten Tage Stockhausen’s, aber das Abtrennen
0065einzelner Melodienglieder streifte doch an Ueberkünste-
0066lung. Der Gesangsweise Scheidemantel’s entsprach im
0067Maskenball“ ein ebenso vornehmes, lebenswarmes Spiel.
0068In der Schlußscene des dritten Actes, wo René in
0069der seinem Schutz anvertrauten verschleierten Dame seine
0070Frau erkennt, folgt Scheidemantel der allgemein üblichen
0071Auffassung. Er geräth bei der Entdeckung außer sich, legt
0072seinen Wuthausbrüchen nicht den mindesten Zwang an und
0073schleppt schließlich vor den versammelten Hofleuten Amalien 
0074mit drohender Geberde und erhobenem Schwert vom Schau-
0075platz. Ist diese Auffassung richtig? Ich glaube, nein. René,
0076im ersten Augenblick zusammenschreckend, muß sich bald
0077fassen und seine Erregung gewaltsam niederkämpfen, um das
0078ihn entehrende Geheimniß nicht selber den spottlustigen Höf-
0079lingen zu verrathen. Diese haben ja keine Ahnung von dem
0080vorausgegangenen Zusammentreffen Amaliens mit dem Grafen
0081Richard; sie necken René lediglich darum, weil sie ihn Mitter-
0082nachts an verrufenem Ort mit seiner eigenen Gattin über-
0083raschen, die sich obendrein geheimnißvoll in ihren Schleier
0084hüllt. Das unstreitig Lächerliche dieser Situation wendet René 
0085selbst und ohne Noth ins Tragische, Vernichtende, wenn er
0086durch sein fassungsloses Wüthen sein Geheimniß vor aller Welt
0087kundgibt. Ein ernster, gereifter Mann, Diplomat obendrein, muß
0088René Herr seiner Erregung und vor Allem darauf bedacht
0089sein, öffentlichen Scandal zu vermeiden. Er muß thun, als
0090wußte er sehr gut, wer die Dame ist, die nun einmal ver-
0091schleiert bleiben will und die er deßhalb gegen das freche
0092Andrängen der Neugierigen zu schützen hat. Wenn er, sich
0093nicht bemeisternd, seine und seiner Frau Schande durch
0094sein Benehmen selbst proclamirt, dann kann er doch unmög-
0095lich am nächsten Tag mit Amalia den Hofball besuchen.
0096Dann können auch die am andern Morgen bei René erscheinenden
0097Rädelsführer ihm schlechterdings nicht mehr vorwerfen, er
0098wolle sie „an den Grafen verrathen“. Ich wiederhole, daß
0099meine Auffassung sämmtliche mir bekannte Darsteller der
0100Rolle gegen sich hat, daß sie mir aber trotzdem begründet
0101scheint. Sie böte dem geistvollen Darsteller wol eine noch
0102höhere Aufgabe, als die heute übliche Auffassung.


0103Die dritte Gastrolle Herrn Scheidemantel’s war
0104Zampa. Es spricht für die starke Lebenskraft dieser sechzig-
0105jährigen Oper, daß sie jetzt von den meisten Bühnen wieder
0106hervorgesucht wird, sobald sich nur ein geeigneter Sänger
0107für die Titelrolle findet. Auch in Paris, wo man Herold’s
0108letzte Oper „Der Zweikampf“ (le pré aux clercs) stets ent-
0109schieden vorzog, hat man „Zampa“ im Jahre 1883, dann
0110wieder 1886 (mit Maurel, dem berühmten Jago in
0111Verdi’s Otello) neu einstudirt. Bei seinem ersten Erscheinen
0112war „Zampa“ dort nur von Wenigen als epochemachendes
0113Werk, als ein mit neuen Farben gemaltes Bild erkannt [2]
0114worden. Erst nach seinem Triumphzug durch Deutschland 
0115erfuhr „Zampa“ auch in Paris die verdienten Ehren. Die
0116Deutschen sympathisirten lebhaft sowol mit dem Sujet als
0117mit dem Charakter der Musik. Es herrschte damals die Vor-
0118liebe für romantische Opernstoffe. Vor Allem wollte die
0119Phantasie des Hörers mächtig erregt sein, und das leisteten
0120am sichersten zwei Elemente: die Räuber-Romantik und das
0121Uebernatürliche. Die Aehnlichkeit des Sujets mit „Don
0122Juan“ wurde bei uns nicht angefochten, kaum bemerkt. Das
0123spricht für den gesunden Sinn des deutschen Publicums,
0124welches sich ein willkommenes Stück nicht durch dilettantische
0125Reminiscenzenjagd vergällen ließ. Die Franzosen hingegen
0126tadelten an Zampa vornehmlich das Textbuch als ein
0127„Plagiat“ an Molière’s Don Juan-Drama „Le festin de
0128pierre“. Wie in der Schauer-Romantik des Stoffes, so
0129fand das musikalische Deutschland auch in Herold’s Com-
0130position verwandte Töne. Herold, bekanntlich der Sohn
0131eines nach Frankreich ausgewanderten deutschen Musikers,
0132war anfangs ein Bewunderer Rossini’s; nachdem er den
0133Freischütz“ gehört, kannte er kein höheres Ideal als
0134C. M. Weber. Den „französischen Weber“ nannte man ihn
0135gern in Paris. Er hätte es vielleicht werden können, wäre
0136er nicht vom Tode abgemäht worden, als er gerade erst
0137recht zu leben und zu schaffen begann. Im „Zampa“ hat
0138sich die anmuthige wie die leidenschaftliche Seite seiner Per-
0139sönlichkeit voll ausgesprochen. Frische, Lebendigkeit, eine gute
0140Charakteristik für das Schauerliche, das Schelmische, das
0141Zärtliche zeichnet diese Musik aus, die sich wol manchmal in
0142den Mitteln übergreift, aber es mit einer Unbefangenheit
0143thut, der man nicht gram werden kann. Vieles daran ist
0144im Lauf eines halben Jahrhunderts verblaßt, besonders in
0145den beiden ersten Acten, wo pikante Conversations-Musik und
0146glatter Romanzenstyl vorherrschen. Aber die Stimmung des
0147dritten Actes geht tiefer. Wie unter Thränen zittert die
0148wunderbar süße Melodie des Schifferliedes, und aus Zampa’s
0149Cavatine „O zittere nicht!“ spricht eine verführerisch weiche
0150Zärtlichkeit, welche endlich im Allegro des Duetts
0151in Flammen der Sinnlichkeit auflodert. Das Schwerste
0152und Entscheidende bleibt immer: einen richtigen Zampa 
0153zu finden. Die Rolle bietet eigenthümliche Schwierigkeiten
0154durch ihre seltene Stimmlage: einige Nummern sind ent-
0155schieden in der Tenorlage, andere in jener des Baritons
0156gesetzt, noch andere verlangen Beides. Die Pariser Original-
0157Partitur schreibt den Part dieses musikalischen Amphibiums
0158bald im Tenor-, bald im Baßschlüssel; ja in dem Trinklied,
0159dem der Baßschlüssel vorgezeichnet ist, erscheint inmitten
0160eine Stelle im Tenorschlüssel, wie man sonst nur in
0161Violoncell- oder Fagottstimmen zu sehen bekommt. Dieses
0162Schwanken des Componisten wäre unerklärlich, wüßte man
0163nicht, daß er den Zampa für Chollet geschrieben hatte,
0164einen Sänger, der eigentlich weder eine Tenor- noch eine
0165Baritonstimme besaß — wahrscheinlich überhaupt keine rechte
0166Stimme — wol aber ein unübertrefflich ausgebildetes Falset
0167und den reizendsten Vortrag. Seither haben sowol Tenoristen
0168als Baritons den Zampa gesungen, mit mehr Trans-
0169positionen und Punctirungen, als irgend eine andere Rolle
0170erfahren hat. In Wien waren die Tenor-Zampas über-
0171wiegend: Wild, Binder, Breiting, Erl u. A. Sie
0172wurden in Schatten gestellt durch zwei berühmte Baritonisten:
0173Pöck und Pischek. Es ist gewiß das Richtigere,
0174Zampa für eine Baritonpartie zu erklären; dramatisch deutet
0175die ganze Figur auf eine tiefe Stimme hin, musikalisch
0176bildet sie den nothwendigen Gegensatz zu dem Tenor Alfonso.
0177Nach Pischek, der die Rolle unverändert und unübertreff-
0178lich sang, hat Wien lange Jahre keinen hervorragenden
0179Zampa gesehen, bis in neuester Zeit Bulss und jetzt
0180Scheidemantel auftraten. Herr Bulss, durch seine
0181Stimme und Persönlichkeit ein geborener Zampa, gefiel sich
0182leider in den lyrischen Momenten in selbstgefälliger, süßlicher
0183Koketterie. Sehr glücklich traf er hingegen den Ton über-
0184schäumender Lebenslust und Verwegenheit; glücklicher als
0185Scheidemantel, welcher in diesem Punkt hinter seinem Vor-
0186gänger zurückblieb. Das Trinklied nahm er zu zahm in
0187Tempo und Vortrag; es fehlt der kecke Aufschwung. Auch
0188seine Ansprache an das Marmorbild athmete mehr salbungs-
0189vollen Ernst, als frevelnden Uebermuth. Von da an hob sich
0190Herrn Scheidemantel’s Leistung in stetigem Wachsthum. Die
0191große Arie im zweiten Acte zeigte seinen Geschmack und seine 
0192Gesangskunst im hellsten Licht. Die Gefahr dieses Stückes
0193heißt Monotonie, denn viermal (streng genommen achtmal)
0194kehrt das Allegro-Thema „Wenn ein Mädchen mir gefällt“
0195unverändert wieder. Herr Scheidemantel wußte es durch
0196verschiedenartige Färbung und Nuancirung fast immer neu
0197zu gestalten. Reizend, nur um einen Grad zu sentimental,
0198klang die Barcarole „Kleine Spröde“. Im dritten Act hob
0199sich der Sänger auf die Höhe seines Könnens: die zarte
0200Cantilene „O zitt’re nicht“ und das folgende Duett glänzten
0201als die musikalischen Perlen der ganzen Vorstellung und
0202machten auf das Herrn Scheidemantel überaus günstig ge-
0203stimmte Publicum nachhaltigen Eindruck.


0204Gegen die Wiederaufnahme von Verdi’s „Ernani
0205ins deutsche Repertoire ist eine grundsätzliche Einwendung
0206nicht zu erheben. Es gehört zu den natürlichen Rückschlägen
0207der jetzt souverän herrschenden Wagner-Musik, daß das
0208Publicum manche italienische Oper, deren Mängel wir ehe-
0209dem stärker als ihre Vorzüge empfanden, nicht ungern wieder
0210hört. Vor dreißig und vierzig Jahren waren wir übersättigt
0211von Donizetti, Verdi und den regelmäßig wiederkehrenden
0212italienischen Sängern. Jetzt wünschten wir zeitweilig wenigstens
0213die besten dieser Opern mit den besten jener Sänger zurück.
0214Beides gehört freilich zusammen. Es bedarf in der Regel
0215des eigenartigen Klangzaubers italienischer Stimmen und
0216italienischer Gesangsbildung, um uns über die öden oder
0217trivialen Strecken dieser Opernmusik hinwegzuhelfen und
0218andererseits deren glückliche Momente zu vollster Wirkung
0219zu bringen. Allerdings gab es in mancher Stagione auch
0220mittelmäßige und naturalistische Sänger. Es ist aber immer
0221noch ein Unterschied, ob ein Italiener in seiner Stretta
0222brüllt und mit den Armen um sich schlägt, oder ob ein
0223Deutscher es thut. Jenem ist es natürlich und national, er
0224handelt naiv, während dieser sich dazu zwingt und unwahr
0225erscheint. Wenn in dem C-dur-Allegro des Terzetts „No, cru-
0226deli“ die Italiener, anstatt gegen einander zu singen und zu
0227spielen, gegen die Rampe vorstürzen und das Publicum an-
0228schreien, so ist das komisch; wenn es Deutsche thun, abscheu-
0229lich. Damit zielen wir keineswegs auf die gestrige Aufführung,
0230in welcher das Bemühen, mit deutscher Gewissenhaftigkeit [3]
0231italienisches Feuer zu verbinden oder doch abwechseln zu lasen,
0232häufig vortrat. Unsere Künstler haben ihr Möglichstes gethan,
0233mit Lust und Liebe gesungen und viel Beifall erzielt. An
0234die besten italienischen Aufführungen des „Ernani“ durfte
0235man freilich nicht zurückdenken. Wie hat zuletzt im Jahre
02361876 Adelina Patti die erste Arie der Elvira gesungen!
0237Wir glauben noch heute jeden dieser glockenreinen Silber-
0238töne zu hören. Ein Phonograph hätte diese Arie fixiren
0239müssen, um späteren Sängerinnen zu zeigen, was
0240ein auf das besonnenste auseinandergesetzter, technisch voll-
0241endeter und dabei doch hinreißend feuriger Vortrag ist. Unter
0242den musikalischen Factoren der Vorstellung ist an erster
0243Stelle Herr Director Jahn zu nennen, welcher die Oper
0244musterhaft einstudirt hat und mit größter Sorgfalt leitet.
0245Was an ihm lag, war vollständig geleistet. Höchstens konnte
0246man noch wünschen, daß er in der großen Arie des Ernani 
0247die so impertinent und lächerlich mitblasende Solo-Trom-
0248pete gestrichen hätte, die — ein gutes Zeichen für den Ge-
0249schmack des Publicums — eine leichte Heiterkeit hervorrief.
0250Von den Sängern hat Herr van Dyck als Ernani uns am
0251meisten befriedigt. Er sah sehr charakteristisch aus und wußte
0252durch die Intelligenz seines Spieles und Vortrags durchweg
0253für seine Rolle zu interessiren, was wir keinem seiner Mit-
0254spieler nachzurühmen vermöchten. Vortrefflich sang er alle
0255zarten Stellen, im Forte übernahm er sich häufig. Gewiß
0256ist seine Stimme bedeutender Kraftentwicklung fähig, sie
0257büßt aber, übermäßig forcirt, den Wohlklang ein, klingt dann
0258eigenthümlich gequetscht und unedel. Es ist, ich möchte sagen,
0259keine italienische Stimme und kann deßhalb ihr Bestes in
0260Rollen wie Ernani nicht verwerthen. Ich kann von der
0261Ansicht nicht lassen, daß dieser begabte Sänger die eigen-
0262artigen Vorzüge seiner Stimme, seines Vortrages, seiner Dar-
0263stellung erst in Partien des französischen Repertoires, wie
0264Faust, Raoul, Masaniello, Fra Diavolo vollständig entfalten
0265werde. Fräulein Schläger, die Herren Sommer und
0266Grengg suchten vornehmlich durch die Kraft ihrer aus-
0267giebigen Stimmen zu wirken. Der stürmische Beifall, der
0268ihnen zu Theil wurde, beweist, daß sie ihren Zweck erreicht
0269haben.