Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 9607. Wien, Dienstag, den 26. Mai 1891
[1]Jenny Lind. I.
0002Ed. H. Mit dem doppelten Eifer eines schönen Erinnerns
0003und einer freudigen Neugier langen wir nach der eben er-
0004schienenen prachtvoll ausgestatteten Biographie der großen
0005Sängerin.*)
Freilich, der Anblick von zwei starken Octav-
0011bänden hat uns ein wenig erschreckt. Wie vermag man mit
0012dem Leben einer Gesangskünstlerin, und sei es die voll-
0013kommenste, zwei dicke Bände zu füllen? Die eigenthümlichen
0014Schwierigkeiten dieser Aufgabe sind ja gerade solche, die zu
0015gedrängter Fassung mahnen. Ist der Biograph einmal, nach
0016Schilderung der Kinder- und Lehrjahre, bei dem ersten Er-
0017folge der Sängerin angelangt, so hat er, von Stadt zu Stadt
0018mitreisend, nur eine Reihe von Kunstleistungen und Triumphen
0019zu beschreiben, die sich meistens verzweifelt ähnlich sehen. Den
0020Versuch, diese Leistungen selbst zu schildern, uns die Schön-
0021heit dieser Stimme, dieses Vortrages mit Worten klar zu
0022machen, darf der Biograph sich allerdings nicht schenken.
0023Allein er darf ihn, meinen wir, nicht bei jeder Opern-
0024vorstellung wiederholen. Müssen wir wirklich denselben Hym-
0025nus über die Sängerin neuerdings lesen, wenn sie dieselbe Rolle in
0026Hamburg, in Berlin, in Frankfurt, in Wien, in London gesungen
0027hat? An Gewissenhaftigkeit und Fleiß läßt die neue Lind-Biographie
0028ebensowenig etwas zu wünschen, wie das Buch von Fr. Nicks
0029über Chopin; nach diesen beiden Werken dürfte fortan die
0030englische und nicht mehr die deutsche „Gründlichkeit“
0031als Superlativ gelten. Werden doch beispielsweise dem Auf-
0032treten der Lind in einer Provinzialstadt wie Norwich zwei
0033Capitel gewidmet! Die häufige Wiederholung alles dessen,
0034was die Verfasser oder Andere Preisendes über den Gesang
0035und den Charakter der Künstlerin vorbringen, beschwert das
0036Buch und ermüdet den Leser. Dünkt uns somit die neue
0037Lind-Biographie zu lang gerathen, so ist sie in anderer Be-
0038ziehung doch wieder zu kurz. Sie schließt mit dem Abgang
0039der Künstlerin von der Opernbühne, also mit dem Jahre
00401851. Jenny Lind hat aber dann noch an 20 Jahre lang
0041als Concert- und Oratorien-Sängerin Triumphe in beiden
0042Welten gefeiert. Eine Biographie soll uns das ganze
0043Leben ihres Helden erzählen. Warum sagen uns die Ver-
0044fasser, die sich ja intime Freunde der Sängerin nennen durften,
0045nichts von ihrem Familienleben, ihrer Häuslichkeit, nichts
0046von ihren Kindern, deren Namen wir nicht einmal erfahren,
0047geschweige denn ihre Schicksale? Die Erzählung bricht vor
0048der großen amerikanischen Reise ab, weil — so meinen die
0049Verfasser — doch nur schon Gesagtes wiederholt werden
0050müßte. Mitnichten; gerade die amerikanische Tournée der
0051Lind unter dem berühmten Barnum bot sehr viel Eigen-
0052artiges, auch culturhistorisch Interessantes, das mit ihren
0053europäischen Erlebnissen sich durchaus nicht deckt. Sollten
0054die Biographen hier vielleicht plötzlich Angst bekommen haben
0055vor einem möglichen dritten Band? Zwei Verfasser haben
0056sich in die Arbeit getheilt, ohne den Antheil eines Jeden von
0057ihnen eigens kenntlich zu machen. Ohne Zweifel rühren die musi-
0058kalischen Beurtheilungen von Herrn Rockstro her, während der
0059Canonicus Scott Holland den biographischen Theil und
0060die Schilderung von Jenny Lind’s Charakter schrieb. Wüßten
0061wir nicht aus Herrn Otto Goldschmidt’s Vorrede, daß
0062Scott Holland „ein sehr geschätzter Kanzelredner und Ver-
0063fasser anerkannter religiöser Bücher“ ist, wir würden es aus
0064mancher besonders salbungsvollen Partie des Buches errathen.
0065Die „Schlußbetrachtung“, welche am Ende des zweiten Bandes
0066alle Charaktervorzüge der Lind noch einmal zusammenfaßt
0067oder richtiger: auseinanderbreitet, ist eigentlich eine verschämte
0068Predigt, ein andächtiges Variiren und Paraphrasiren des-
0069selben Themas, wie es Kanzelredner so vortreich und erbau-
0070lich in Uebung haben. Wir wollten uns vorerst unsere Ein-
0071wendungen gegen das Buch vom Herzen schreiben, bevor wir
0072an den Inhalt desselben und seine Vorzüge gehen. Letztere
0073sind nicht gering. Das Buch ist mit großer Wärme, edler
0074Gesinnung und nicht ohne Geist geschrieben; die deutsche
0075Uebersetzung treu und gewandt.
0076Der interessanteste, weil am wenigsten bekannte Theil
0077der Biographie ist die Jugendgeschichte. Jenny Lind ist
0078in Stockholm den 6. October 1820 geboren. Ihre Eltern
0079lebten in bedrängten Verhältnissen. Der Vater, damals erst
0080zweiundzwanzig Jahre alt und Buchhalter bei einem Kauf-
0081manne, wird als ein gutmüthig schwacher, leichtlebiger Mann
0082geschildert. Jenny’s Mutter, die geschiedene Gattin eines
0083übelberüchtigten Capitäns Rodberg, war eine charakterstarke
0084Frau, welche sich hauptsächlich mit Unterrichtgeben durchhalf
0085und eine Tagesschule für Mädchen hielt. Sie gab die kleine
0086Jenny aufs Land zu einem Organisten in die Pflege und
0087hat zeitlebens mehr Strenge als Zärtlichkeit, jedenfalls wenig
0088Verständniß bewiesen für ihre Tochter. Die Großmutter ent-
0089deckte zuerst das auffallende musikalische Talent, das unfehl-
0090bare Gehör und Gedächtniß des Kindes. Die neunjährige Jenny
0091mußte vor dem Director des königlichen Theaters, Grafen
0092Pake, singen und erhielt auf dessen Vorschlag nicht nur Unterricht
0093im Gesang, sondern ihre ganze Ausbildung und Erziehung
0094auf Staatskosten. Die Mutter hatte den größten Abscheu
0095vor dem Theater, sie mußte aber dem Druck der Verhält-
0096nisse nachgeben, und Jenny wurde ein Pflegkind der Bühne.
0097Es ist eine seltene Erscheinung in den Annalen der Kunst,
0098daß die Behörden so rasch ein ungewöhnliches Talent ent-
0099decken und sofort bereit sind, etwas dafür zu wagen. Das
0100königliche Theater zu Stockholm, in welchem die zehnjährige
0101Jenny im September 1830 als „aktris-elev“ eintrat, blieb
0102für die nächsten zehn Jahre der Schauplatz und Mittelpunkt
0103ihres Lebens. Die königliche Theater-Direction pflegte die
0104Zöglinge in ausgewählten Häusern in der Stadt unter der
0105Aufsicht einer Frau unterzubringen und mit dieser ein
0106Uebereinkommen für Kost und Wohnung zu treffen. Da
0107Jenny’s Mutter ohnehin Kostschülerinnen in ihrem Hause
0108hielt, wurde ihr auch die Tochter übergeben. In dem mit
0109Frau Lind geschlossenen, von der kleinen Jenny mitunter-
0110fertigten Vertrage heißt es: „Bis sie herangewachsen und
0111ausgebildet ist, um einen festen Gehalt beanspruchen
0112zu können, soll sie auf Rechnung des Theaters Kost, Klei-
0113dung und Wohnung, sowie freien Unterricht im Singen,
0114Declamiren, im Tanz und allen anderen Fächern erhalten,
0115die zur Erziehung eines gebildeten Mädchens gehören
0116und für die Bühnenlaufbahn nothwendig sind.“ Wie
0117viel Jenny sich von den „literarischen“ Fächern und
0118fremden Sprachen angeeignet habe, läßt sich nicht bestimmen, [2]
0119aber die Vollständigkeit der specifisch künstlerischen Aus-
0120bildung war sehr beachtenswerth und hinterließ in ihr einen
0121unauslöschlichen Eindruck. Sie fühlte, daß sie derselben viel
0122von ihren späteren Erfolgen verdankte; besonders schätzte sie
0123ihre Ausbildung in schönen und ausdrucksvollen Bewegungen,
0124die sie in der Theater-Tanzschule gewonnen. So lag ihre
0125Laufbahn bestimmt und hoffnungsreich vorgezeichnet. Es war
0126auf Jahre hinaus für sie gesorgt und für die Zukunft ihr
0127eine Stelle gesichert. Nur das lieblose Benehmen ihrer
0128äußerst reizbaren und heftigen Mutter trübte ihre Jugend-
0129zeit. Nach einer aufregenden Scene entlief Jenny eines Tages
0130ihrer Mutter und flüchtete zu einer bekannten braven Frau.
0131Die Direction erlaubte ihr, dort zu bleiben, aber Frau Lind
0132strengte einen Proceß an, und Jenny mußte ihr zurück-
0133gegeben werden. Welche Sorgen ihr Leben auch mit sich
0134brachte, einen Kummer, der gewöhnlich die Anfänge junger
0135Künstlerinnen verdüstert, hat sie nicht gekannt: es fehlte ihr
0136nie an Anerkennung. Schon im ersten Jahre ihrer Auf-
0137nahme in die Theaterschule spielte die zehnjährige Jenny
0138Kinderrollen und glänzte als Tänzerin. In den nächsten
0139Jahren trat sie wiederholt in Schauspielen auf; in
0140einigen auch mit Gesang und Tanz. Sie sang hin
0141und wieder in Theater-Concerten Duette mit ihrem Ge-
0142sanglehrer Berg, dem sie ihre ganze Ausbildung für
0143die schwedische Bühne zu danken hatte. Zeitlebens blieb sie
0144ihm treu anhänglich; er mußte lange nachher, 1848, auf
0145ihren Wunsch sie nach England begleiten. Bis zum 1. Ja-
0146nuar 1837 war Jenny mehr als hundertmal auf der Stock-
0147holmer Bühne aufgetreten; man fand es nun an der Zeit,
0148ihr eine feste Stellung mit bestimmtem Gehalte (jährlich
01491200 Mark) zu geben. Von da an sollte sie, nach dem
0150ursprünglichen Contracte, noch zehn Jahre im Dienste der
0151Direction bleiben. Sie spielte fleißig weiter in längst ver-
0152gessenen Schauspielen, Lustspielen und Burlesken. Da trat
0153ein entscheidender Wendepunkt ein: der Abend des 7. März
01541838. „Ich stand an dem Morgen auf als eine Creatur
0155wie sonst,“ pflegte sie zu erzählen, „und legte mich schlafen
0156als eine neue Creatur. Ich hatte meine Kraft erkannt.“
0157Ihr ganzes Leben hindurch feierte sie den 7. März mit reli-
0158giösem Ernst wie einen zweiten Geburtstag. An dem Tage
0159ward sie sich selber bewußt; ihr künstlerisches Leben begann.
0160Dies geschah in der Rolle der Agathe in Weber’s „Frei-
0161schütz“. Von da erkannte man Jenny als „die gottbegabte
0162Sängerin“. Sie widmet sich jetzt ganz der Oper. Auf die
0163Agathe folgt die Marie von Herold, Emeline in der
0164„Schweizerfamilie“, Pamina in der „Zauberflöte“, später
0165„Die Vestalin“ und Alice in „Robert der Teufel“. Diese
0166Rolle, in der sie später ihre bedeutendsten Erfolge errang,
0167sang sie zum erstenmale im Jahre 1839 als achtzehnjähriges
0168Mädchen. Ganz glücklich wäre sie gewesen, hätten nicht seit
0169ihren ersten Erfolgen die Reizbarkeit, der Hochmuth und das
0170Mißtrauen ihrer Mutter, anstatt sich zu mildern, noch zu-
0171genommen. Da that Jenny den entscheidenden Schritt zur
0172Trennung vom häuslichen Herd. Sie zog zu dem ihr be-
0173freundeten berühmten Liedercomponisten Lindblad, dessen
0174Frau ihr eine zweite Mutter wurde. Dort blieb sie bis zu
0175ihrer Abreise nach Paris, 1841; dahin kam sie wieder bei
0176ihrer Rückkehr im Jahre 1842.
0177Welche Bewandtniß hatte es mit dieser Pariser Reise?
0178Unsere Biographen bezeichnen sie als die „Pilgerfahrt“
0179und erklären sie mit den mysteriösen Eingangsworten: „daß
0180Jenny zum Opfer bestimmt war!“ Einfach ausgedrückt:
0181Jenny Lind empfand, daß ihre Gesangstechnik einer höheren
0182Ausbildung bedürfe, daß sie noch zu lernen habe. Der
0183schwedische Historiker Geijer hatte zuerst darauf bestanden,
0184daß sie aus dem engen Kreis von Stockholm hinaus müsse
0185in die Welt. Dazu kam der praktische Rath des trefflichen
0186Baritons Belletti, welcher auf Jenny’s Frage, wo man
0187sich die gute italienische Methode aneignen könne, unbedenklich
0188antwortete: „In Paris, bei Garcia.“ Um die Mittel zu
0189einem zwölfmonatlichen Studium bei Garcia zu erwerben,
0190unternahm Jenny eine Concertreise in die Provinzen,
0191welche der muthigen jungen Künstlerin zwar reichliche
0192Ehren und Einnahmen brachte, aber durch übermäßige
0193Anstrengung ihre Stimme schädigte. Als sie Garcia eine
0194Arie aus „Lucia“ vorsang, brach sie während des Singens
0195völlig zusammen. „Mademoiselle,“ sagte Garcia, „vous
0196n’avez plus de voix.“ Der Schlag war furchtbar. Aber ihr
0197Muth und die Erinnerung an so viele ehrlich errungene
0198Erfolge hielten die schwer Getroffene aufrecht. Garcia rieth
0199ihr, sechs Wochen lang keinen einzigen Ton zu singen, ja,
0200so wenig wie möglich zu sprechen; dann möge sie wieder zu
0201ihm kommen. Jenny Lind widmete diese peinlich langen sechs
0202Wochen dem eifrigen Studium des Italienischen und Franzö-
0203sischen. Nach dieser Wartezeit fand Garcia ihre Stimme so
0204weit ausgeruht, daß er ihr Hoffnung auf gänzliche Wieder-
0205herstellung machen konnte, vorausgesetzt, daß sie ihre falsche
0206Methode der Stimmbildung, welche sie fast zu Grunde ge-
0207richtet, aufgeben werde. Sie hatte regelmäßig bei Garcia
0208zwei Stunden in der Woche und machte überraschende Fort-
0209schritte. „Ich habe,“ schreibt sie an eine Freundin, „schon
0210fünf Stunden bei Signor Garcia, dem Bruder von Madame
0211Malibran, gehabt; da heißt es denn für mich wieder von
0212vorn anfangen; die Scalen auf- und abwärts singen, lang-
0213sam und vorsichtig; Triller üben (auch unchristlich langsam).
0214Mit dem Athmen nimmt er es auch sehr genau. Ich be-
0215trachte es als ein großes Glück für mich, daß es einen
0216Garcia gibt.“ Ueber das Athemholen, die Stimmbildung,
0217Verschmelzung der Register und andere technische Einzelheiten
0218wußte sie nichts; diese mechanische Grundlage lernte sie von
0219Garcia; in den höheren Regionen der Kunst war ihr großes
0220musikalisches Talent längst heimisch und sicher. In der That,
0221sie war eine geborene Künstlerin; unter Garcia’s Leitung
0222war sie eine Virtuosin geworden.
0223Während dieses Pariser Lehrjahres quält sie unaus-
0224gesetzt die Sehnsucht nach der Heimat und nach — der
0225Bühne. „Das Bühnenleben,“ schreibt sie, „hat etwas so Hin-
0226reißendes, daß ich wirklich glaube, wer es einmal gekostet
0227hat, kann, wenn er es entbehren muß, nie wieder glücklich
0228sein.“ Dieses Geständniß steht in schneidendem Contrast zu
0229der fast krankhaften Sehnsucht, mit welcher Jenny Lind nicht
0230lange darauf sich von dem Theaterleben fortwünschte.
0231Wichtig für ihre spätere Carrière war ihr die Bekanntschaft
0232Meyerbeer’s, der eben in Paris Vorkehrungen für seinen
0233„Propheten“ traf. Er hatte die Lind privatim singen gehört
0234und „viel Esprit und Gefühl“ in ihrem Vortrag gefunden.
0235Für den Raum der Pariser Großen Oper schien ihm die
0236Stimme nicht stark genug, doch meinte er, daß Berlin ein
0237geeignetes Feld für ihr Talent sein würde. Der spätere
0238Erfolg hat Meyerbeer’s Urtheil gerechtfertigt. Oeffentlich hat [3]
0239Jenny Lind in Paris niemals gesungen. Die eine zeitlang
0240verbreitete Fabel, sie sei in Paris durchgefallen und
0241habe deßhalb nie wieder dort auftreten wollen, wird
0242in unserem Buche gründlich widerlegt. Immer mächtiger
0243zieht es sie nach Hause. „Paris,“ schreibt sie, „paßt nicht
0244für mich, und ich passe nicht für Paris.“ 1842 kehrt Jenny
0245nach Stockholm zurück und erscheint zum erstenmal wieder
0246als Norma, dann als Lucia, endlich als Sonnambula, die
0247eine ihrer berühmtesten Rollen wurde. Mit ihren unbedeuten-
0248den Ersparnissen kauft sie ihren Eltern ein kleines Heim auf
0249dem Lande. Zwei Jahre lang wirkt sie nun, vom Publicum
0250vergöttert, in Stockholm. Da erinnert sich Meyerbeer
0251der jungen Sängerin und bemüht sich, sie für Berlin zu
0252gewinnen, wo sie die Hauptrolle in seiner neuen Oper „Das
0253Feldlager in Schlesien“ übernehmen soll. Sie lehnt ein
0254glänzendes Anerbieten des Stockholmer Theaters ab und ver-
0255läßt zum zweitenmal ihre Heimat, diesmal als vollendete
0256Meisterin, um in fernem Land ihr Glück zu versuchen. Einen
0257Monat hält sie sich in Dresden auf und widmet sich dort
0258eifrig dem Studium der deutschen Sprache. In Berlin tritt
0259sie zuerst als Norma auf, bald darauf als Vielka in
0260Meyerbeer’s „Feldlager“. Sie hat übrigens diese von
0261Meyerbeer für sie geschriebene Rolle nicht „creirt“, sondern
0262sich freiwillig den Ansprüchen der Berliner Hofsängerin
0263Fräulein Tuczek gefügt, welche bei der feierlichen Eröff-
0264nung des neuen Opernhauses die Vielka zuerst singen wollte.
0265Dies geschah, aber nicht zu Meyerbeer’s Zufriedenheit und
0266nicht zum Vortheile des Werkes. Nach fünf Aufführungen
0267des „Feldlagers“ übernahm Jenny Lind im Januar 1845
0268die Rolle und versetzte den Componisten und das Publicum
0269in Begeisterung. So hat die Lind ihren europäischen
0270Ruf in Berlin begründet. Mit glänzenden Anträgen bewarben
0271sich nun London und alle deutschen Hauptstädte um die
0272„schwedische Nachtigall“. Die nächsten sieben Jahre bilden
0273einen ununterbrochenen Triumphzug der gefeierten Opern-
0274sängerin. Am 10. Mai 1849 hat sie (als Alice in
0275„Robert“) zum letztenmal die Bühne betreten und dann auf
0276ihren Kunstreisen in Deutschland, England und Amerika
0277nur mehr in Concerten gesungen.