Wörter einzeln suchen

Neue Freie Presse
Neue Freie Presse
Nr. 11177. Wien, Sonntag, den 6. October 1895

[1]

Hofoperntheater.

(„Das Mädchen von Navarra“ von J. Massenet. — „Amor auf Reisen.“ Ballet.)


0003Ed. H. Form und Inhalt der neuen Massenet’schen
0004Oper verrathen deutlich die Einwirkung von Mascagni’s
0005Cavalleria“. Ein atemlos vorwärts stürmender Einacter,
0006nur durch ein bei offener Scene gespieltes Orchester-Inter-
0007mezzo unterbrochen. Die knappe Form ist mit tödtlichem
0008Zündstoff gefüllt, der rasch explodirend die Hauptpersonen
0009in Stücke reißt. Die Handlung, nach einer Novelle des
0010Jules Claretie dramatisirt und von Max Kalbeck vor-
0011trefflich ins Deutsche übertragen, spielt in Spanien, während
0012eines der jüngsten Carlisten-Aufstände. Ein muthiges armes
0013Mädchen, Anita, eilt Nachts in das feindliche Lager und
0014ersticht dort den Anführer der Carlisten — nicht um, wie
0015Judith, ihr Volk zu befreien, sondern um eine hohe Geld-
0016summe zu verdienen, die sie als Mitgift zu ihrer Heirat
0017braucht. Schwerverwundet wird ihr Geliebter, der Sergeant
0018Araquil, herbeigetragen; er stößt die Mörderin mit einem
0019Fluche von sich und stirbt zu ihren Füßen, während sie in
0020wahnsinniges Lachen ausbricht. Man sieht, in dem
0021Mädchen von Navarra“ ist der tragische Spiritus noch
0022concentrirter als in der „Cavalleria“; unter beständigem
0023Herzklopfen eilt die Handlung vorwärts und treibt jeden
0024der wechselnden Gemüthsaffecte gleich auf die äußerste Spitze.
0025Trotz dieses Zusammentreffens zählt Massenet keineswegs zu
0026den Nachahmern Mascagni’s; seine Musik trägt unverkenn-
0027bar den Stempel ihres Autors und klingt so ausgesprochen
0028französisch, wie die „Cavalleria“ italienisch. Originell zeigt
0029sich Massenet zunächst in der Stoffwahl. Als eminent rea-
0030listisches Drama mußte „Das Mädchen von Navarra“ in der
0031Gegenwart spielen. Dem heutigen Opernwesen ist aber
0032gerade noch so viel Poesie oder Idealismus geblieben, daß
0033es das Salonkleid unserer feinen Gesellschaft auf der Bühne
0034schlechterdings nicht brauchen kann, also für moderne Stücke
0035immer wieder zu den Bauern zurückgreift. Die Ehebruchs- 
0036und sonstigen Unglücksdramen von Dumas und Sardou,
0037von Ibsen und Sudermann wären für die Oper schon des
0038Costüms wegen schwer zu verwenden. Fast alle die zahl-
0039reichen Nachfolger der „Cavallaria“, italienische wie deutsche,
0040sind Bauernstücke. Massenet’s Oper hingegen ist ein
0041Soldatenstück, und zwar eines im Kriege. Der malerische
0042und poetische Reiz, womit der Soldat durch schmucke Uni-
0043form, stramme Haltung und frisches Temperament sich
0044von der bürgerlichen oder bäuerlichen Umgebung abhebt, ist
0045zwar älteren Operncomponisten auch nicht entgangen, doch
0046waren es immer nur einzelne Figuren, wie Belcore im
0047Liebestrank“, Lorenzo in „Fra Diavolo“. Selbst in „Car-
0048men“, wo die Soldaten einen ziemlichen Raum einnehmen,
0049bildet die Titelheldin mit ihren Freundinnen, mit den
0050Schleichhändlern und den Stierkämpfern das bewegende dra-
0051matische Element; das Militär verschwindet in den beiden
0052letzten Acten vollständig. Massenet’s Oper hält den kriege-
0053rischen Schauplatz und die kriegerische Handlung von Anfang
0054bis zu Ende fest. Das ist etwas Neues. Nicht wie in „Car-
0055men“ der uniformirte Müßiggang vor einer friedlichen
0056Hauptwache, sondern Schlachtenlärm und ernste militärische
0057Zurüstung beherrschen die Scene. Schon das wilde Vorspiel,
0058worin Trommeln und Trompeten das große Wort führen,
0059läßt uns ahnen, daß wir hier mehr ein Gemälde als eine Oper
0060zu erwarten haben. Der Vorhang geht auf; wir befinden
0061uns vor einer Barricade, im Bivouak, Hornsignale und
0062Trommelwirbel schmettern von allen Seiten, Verwundete
0063werden hereingetragen, der General und die Officiere, von
0064den Insurgenten besiegt, folgen ihnen in düsterem Schwei-
0065gen. Die musikalische Schilderung dieser Exposition besorgt
0066allein das Orchester, welches die stummen pantomimischen
0067Vorgänge auf der Bühne erklärt und colorirt. Diese und
0068noch andere Partien in „La Navarraise“ werfen ein bedeut-
0069sames Licht auf das sich immer mehr verschiebende Ver-
0070hältniß zwischen Gesang und Orchester in den neuesten
0071Opern. Kaum hätte noch vor zwanzig Jahren ein
0072Componist diese erste Scene ohne einen Soldaten-
0073chor, überhaupt ganz ohne Vocalmusik sich ab-
0074spielen lassen. Der Gesang scheint qualitativ und
0075quantitativ in der modernen Oper immer mehr zurückzu-
0076treten, das Orchester eine immer wichtigere Rolle zu erobern. 
0077Wir lesen soeben von einer neuen (auch aus der „Cavalleria“
0078herausgeborenen) einactigen deutschen Oper „Amen“, deren
0079erste Scenen sich nur pantomimisch abspielen. Das Auftreten
0080des Generals Garrido, seine Conversation mit den Offi-
0081cieren, das erste Gespräch Anita’s (der einzigen Frauenrolle)
0082und ihr Monolog, das Alles ist nur recitativisch, über einer
0083stetigen Orchester-Begleitung ausgeführt. Erst als Anita 
0084ihren geliebten Araquil wiederfindet, beginnt ein Stück
0085melodisch geformten Gesanges. Hier war dem Liebesduett
0086eben nicht auszuweichen. Das Duett, aus dem die hohen
0087Brusttöne des Tenors wie Raketen aufsteigen, wirkt mehr
0088durch leidenschaftlichen Ausdruck, als durch die Melodie
0089selbst. Nun tritt Araquil’s Vater, ein habsüchtiger alter
0090Bauer, zu den Liebenden und versagt seine Einwilli-
0091gung, falls nicht Anita eine Mitgift von zweitausend
0092Thalern beschaffe. Ihr Flehen „Verlangt nicht Geld
0093um Geld“, ein rührendes Andante in Fis-dur,
0094ragt melodisch fast als einziger Höhenpunkt aus
0095der Partitur hervor. Und auch diesem gesangvollen Thema
0096gönnt der Componist keine Entfaltung; schon im fünften
0097Tact wird es durch convulsivisches Parlando verzerrt und
0098zerrissen. Die Melodie erinnert an das Liebesduett zwischen
0099Silvain und Rose Friquet im „Glöckchen des Eremiten“,
0100das sich aber viel einheitlicher, musikalischer entwickelt. Man
0101hat in Massenet’s Oper bishin so viel Sprachgesang ver-
0102nommen, daß man diese wirkliche Gesangsmelodie mit ver-
0103doppelter Freude begrüßt. Darum möchte ich jedoch jene
0104Scenen der „Navarraise“, in welchen der Gesang neben-
0105sächlich, fast nur als erklärende Begleitung des Orchesters
0106behandelt ist, nicht geringer achten. Es gehören in diese
0107Classe wol die eigenthümlichsten und geistreichsten Partien
0108der Oper; nur die Thatsache, daß dem melodisch geformten
0109Gesange eine weit untergeordnetere Stellung darin eingeräumt
0110ist, sollte hier betont sein. Da haben wir gleich zwei merk-
0111würdige Gesangstücke, in welchen die Singstimme völlig un-
0112bedeutend, stellenweise ganz nichtig ist, und welche trotzdem
0113durch den exotischen Reiz der Begleitung eigenartig fesseln.
0114Beide sind spanischen Volksmelodien nachgebildet. Zuerst
0115die Erzählung Anita’s (in dem Terzett), wie sie bei einem
0116ländlichen Fest ihren Araquil kennen gelernt. Sie wirft
0117ihre Schilderung in zerpflückten Parlandosätzen ins Orchester [2]
0118hinab, wo eine fortlaufende Fandango-Melodie dieselben auf-
0119fängt und zusammenhält. Dieser Fandango ist eine arm-
0120selige Tanzmelodie auf einer noch armseligeren Harmonie,
0121wenn man vier kurz abgerissene Baßnoten so nennen kann
0122— aber das Ganze wirkt durch seinen von Tamburin und Ca-
0123stagnetten belebten, fremdartigen Rhythmus und eine naive,
0124nicht ungraziöse Unbeholfenheit. Das zweite Beispiel liefert
0125uns der Soldat Bustamente. Auf einer Lafette sitzend, singt
0126er seinen Kameraden ein Lied vor, in welches sie, tactweise
0127in die Hände klatschend, mit einem kurzen Chor-Refrain auf
0128Einer Note einfallen. Die Melodie ist trivial, die Be-
0129gleitung besteht aus zwei, die Guitarre imitirenden Accor-
0130den in monotonen gleichen sechs Achteln. Also absichtlich aller-
0131dürftigste Volksmusik, Musik in ihren Kinderschuhen. „Chanter
0132très fort et sans nuances“ lautet die Anweisung des Com-
0133ponisten, der somit ängstlich besorgt scheint, der Sänger könnte
0134etwa durch „Vortrag“ das plumpe Stück ein bischen ideali-
0135siren. Auch dieses Gesangstück macht seine Wirkung durch
0136derbe Realistik und exotischen Klang. Daß es unser musi-
0137kalisches Gefühl befremdet, ja stellenweise verletzt, entspricht
0138vollkommen den Absichten der neuesten realistischen Schule
0139in der Musik, welche selbst das Volkslied möglichst natura-
0140listisch, ungewaschen und ungekämmt uns vorführt. Man
0141vergleiche nur diese zwei Beispiele mit den Barcarolen in
0142der „Stummen von Portici“. Diese sind echt national,
0143keineswegs idealisirt, aber doch so weit „stylisirt“, daß sie
0144mit den Schönheitsgesetzen, mit dem Styl des Ganzen har-
0145moniren.


0146Das Musikstück, welches allenthalben den Erfolg der
0147Novität hauptsächlich begründet hat, ist keine Gesangsnummer,
0148sondern, sehr bezeichnenderweise, ein Orchesterstück: das Inter-
0149mezzo zwischen der ersten und zweiten Abtheilung. Die Sol-
0150daten haben nach den Anstrengungen des Tages, in ihre
0151Mäntel gehüllt, sich auf den Boden gelegt und schlafen.
0152Das Orchester begleitet ihren Schlummer mit einem zarten
0153Nocturno, das sich auf einem durch 36 Tacte festgehalte-
0154nen Orgelpunkt bewegt. Ein Gefühl wohliger Ermüdung
0155durchdringt die sanfte Monotonie dieses Musikstückes. Von
0156schönem, eigenthümlichem Effect ist das tactweise stark an-
0157geschlagene tiefe F der Harfe, auf dem die zartere Beglei-
0158tungsfigur der Bratschen und höher die zwitschernde Me-
0159lodie von Flöten und Clarinetten sich erhebt. Auch hier wirkt
0160hauptsächlich der Reiz des Fremdartigen, der geheimnißvolle
0161Zauber des Klanges. Wahrscheinlich entstand dieses Noc-
0162turno als ein Concurrenzstück zu Mascagni’s über Verdienst
0163berühmtem „Intermezzo“. Das Massenet’sche ist ungleich
0164feiner und geistreicher. In dieser Kunst stimmungsvollen
0165Farbenmischens entfaltet Massenet eine außerordentliche Ge-
0166schicklichkeit, und für den Musiker steckt die ganze Orchester-
0167Partitur voller Leckerbissen. Darauf ist „Das Mädchen
0168von Navarra“ leider nur allzu sehr angewiesen; die Musik
0169kann in dieser anhaltend gewitterschwülen elektrischen Span-
0170nung nicht tief athmen, nicht aus eigenen Mitteln leben
0171und sich bequem machen; den größeren Theil der Oper
0172hindurch wirkt sie nicht gestaltend, sondern decorativ.


0173Was nun auf das Intermezzo folgt — das Erwachen
0174der Soldaten, Hereinstürzen der Anita nach vollbrachtem
0175Mord, ihre Dialoge mit Garrido und Araquil — also
0176eigentlich die ganze zweite Abtheilung ist nicht melodisch
0177geformte und entwickelte Musik, sondern zwischen Andeutung
0178und Aufschrei wechselnde Declamation. Kein Wunder, daß
0179alle diese heißen Interjectionen, der jähe Wechsel zwischen
0180tonlosem Psalmodiren (Anita’s Gebete zur Madonna) und
0181dolchartig einschneidenden Schmerzensrufen uns allmälig
0182müde und nervös machen. Zum Schluß gar die nicht enden-
0183wollenden Todtenglocken für den gemordeten Zaccaruga, die
0184wilde Empörung Araquil’s, sein Tod, der Wahnsinn Anita’s!
0185Der Wahnsinn, das ist in solchen Fällen die ultima ratio
0186der Operncomponisten, ein verbrauchtes, widerwärtiges
0187Theater-Requisit. Fast mit denselben Wendungen wie die
0188elegante Lucia von Lammermoor: „Nun komm’! Voll ist
0189die Kirche. Sie warten schon!“ beginnt Anita irre zu reden.
0190Nach Vorschrift des Autors hat sie das auch noch „mit
0191reizender Liebenswürdigkeit, wie ein Kind“ zu sagen.


0192Soll ich die Summe der Eindrücke ziehen, die ich
0193hier rasch geschildert? Wer noch daran hält, auch in der
0194Oper musikalisch denken und genießen zu können, der
0195wird für das „Mädchen von Navarra“ nicht schwärmen,
0196jedenfalls hat er nach dem „Nocturno“ seinen Lohn dahin.
0197Was darauf folgt, mag jene Opernfreunde befriedigen, die 
0198nur dramatisch geschüttelt und gepeinigt sein wollen und
0199am liebsten ins Theater gehen, um das Gruseln zu lernen.
0200Bei aller Bewunderung für Massenet’s glänzende Technik,
0201und bei aller Vorliebe für die Schönheiten in „Manon“
0202und „Werther“, sein navarresisches Mädchen wirkt ungefähr
0203auf mich, wie ein überheizter, rothglühender Ofen, der jeden
0204Augenblick zu zerspringen droht.


0205Die Aufführung der neuen Oper war ganz ausgezeichnet,
0206und ebenso die Aufnahme derselben im Publicum. An
0207Fräulein Renard (Anita) und Herrn van Dyck (Araquil)
0208soll der anwesende Componist seine helle Freude gehabt haben,
0209sowie an der virtuosen Leistung des vom Herrn Director
0210Jahn dirigirten Orchesters. Im Mittelpunkt des Interesses
0211stand natürlich Fräulein Renard, welche die anstrengende,
0212musikalisch wie dramatisch sehr schwierige Hauptrolle mit
0213glänzendem Erfolg durchführte. Die Rolle verleitet, ja zwingt
0214beinahe zu Uebertreibungen in den letzten Scenen; Fräulein
0215Renard dürfte in späteren Aufführungen manchen Aufschrei
0216mildern. Auch Herr van Dyck, der treffliche Darsteller
0217des Araquil, hat in der Aufregung, die jede Première mit
0218sich bringt, sein Organ mehr angestrengt, als rathsam
0219war. Die durchwegs wichtigen kleineren Rollen werden von
0220den Herren Neidl, Reichenberg, Ritter und
0221Schittenhelm vorzüglich gegeben.


0222Nicht ganz so traurig wie „Das Mädchen von Navarra“
0223verläuft das neue Ballet „Amor auf Reisen“. Die
0224Verfasser mögen es sogar für höchst belustigend gehalten
0225haben, während es dem Publicum mehr langweilig vorkam.
0226Von den neueren Balletten im Hofoperntheater zur äußersten
0227Genügsamkeit erzogen, sind wir schon zufrieden, wenn in
0228einer halbwegs einheitlichen, munteren Handlung uns etliche
0229charakteristische Figuren und witzige Einfälle geboten werden.
0230Können wir gar ein paarmal herzlich lachen, so kennt unsere
0231Dankbarkeit keine Grenzen. Aber hinter so bescheidenen
0232Wünschen bleibt der reisende Amor noch bescheidener zurück.
0233Kaum ist je eine armseligere Ballethandlung zu so lästiger
0234Breite ausgezerrt worden. Für Jeden, der nicht im Text-
0235buch nachliest, bleibt sie obendrein ganz unverständlich. Gott
0236Amor wird „wegen eines Schelmenstreiches“, den das
0237Libretto aus Discretion verschweigt, strafweise auf Reisen [3]
0238geschickt; ein Thema, aus dem wol eine Reihe lustiger
0239Abenteuer und Verwicklungen hervorgehen konnte. Allein
0240dem Textdichter will durchaus nichts einfallen — oder stellt
0241er sich nur so, um den Componisten, der sich in den
0242gleichen uninteressanten Umständen befindet, nicht zu
0243beschämen? Wir bekommen mit schrecklicher Ausführ-
0244lichkeit zu sehen, wie Amor von tanzenden Mücken
0245gestochen, dann von Brieftauben umflattert wird, worauf er
0246ein zerbrochenes Wagenrad und ein zerbrochenes Pfeffer-
0247kuchenherz reparirt. Natürlich verschießt er auch etliche von
0248seinen berühmten Pfeilen. Ein blonder Jüngling und eine
0249brünette Jungfrau sinken sich liebeglühend in die Arme, und
0250wir wähnen, daß damit Alles zu Ende und gut ausgegangen
0251sei. Ausgegangen ist aber nur dem Textdichter der Faden;
0252in seiner Rathlosigkeit bringt er statt einer Fortsetzung der
0253Handlung eine „Allegorie“. An diese zweite Abtheilung ist
0254die denkbar glänzendste Ausstattung gewendet worden; die
0255blendendsten Decorationen, die farbenprächtigsten Costüme,
0256das Alles überfluthet vom elektrischen Licht. Da sehen wir
0257zunächst die Neuvermälten am Traualtar; sie haben ein
0258sehr gründliches „Myrten- und Schleier-Ballabile“ zu über-
0259stehen, ehe sie ihr „Entin seuls!“ lispeln können. Wir
0260müssen hierauf 25 Jahre überspringen oder übertanzen, um
0261uns im nächsten Bilde an der silbernen Hochzeit des zärt-
0262lichen Paares erbauen zu können. Das folgende Bild heißt
0263„Nach 50 Jahren“ und zeigt uns die beiden Alten, mit
0264goldenen Kränzen geschmückt, in jämmerlicher Entkräftung
0265eine Rasenbank aufsuchen, wo sie auch sterben. Und nun
0266ereignet sich das Unglaubliche. „Der irdischen Hülle ledig,“
0267wie das Textbuch versichert, schweben ihre beiden Herzen
0268vereint zum Himmel empor! Es sind dies zwei veritable
0269plumpe rothe Herzen, wie man sie auf dem Jahrmarkte
0270kauft; fehlt nur der Papierstreif mit der Devise: „Aus
0271Achtung!“ Weiter kann die Geschmacklosigkeit nicht mehr
0272gehen. Das scheint auch Amor zu fühlen, denn er nimmt
0273schleunigst sein Ränzel auf und setzt auf einem colossalen Luft-
0274ballon seine Reise fort. Vielleicht erlebt das verschmitzte Kind da
0275etwas Interessantes. Nur unter diesem ausdrücklichen Vor-
0276behalt könnten wir uns an den Gedanken eines Wiedersehens
0277allmälig gewöhnen.