Wörter einzeln suchen

Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 11315. Wien, Sonntag, den 23. Februar 1896

[1]

Concerte.

Festconcert des Pensionsvereins „Haydn“. — Damenquartett Soldat. — Philharmonisches Concert.)


0003Ed. H. Die Wiener Tonkünstler-Societät „Haydn“
0004feierte gestern ihr 125jähriges Bestehen mit einem Fest-
0005concert. Ein schwächerer Nachklang ihres 100jährigen Jubi-
0006läums, welches am 3. und 4. April 1871 in großem Styl
0007gefeiert worden war. Nur äußerlich stand das gestrige
0008Concert im Vortheile, nämlich durch den großen Musik-
0009vereinssaal, während das erste Jubiläum sich noch im alten
0010Burgtheater abspielte. Die ganze hundertjährige Geschichte
0011der „Tonkünstler-Societät“ war ja mit diesem akustisch
0012berüchtigten Local verwachsen, durch zahllose ruhmvolle
0013Erinnerungen daran gekettet. Sie durfte an ihrem Jubel-
0014tage der berühmten Stätte nicht untreu werden, an welcher
0015einst Haydn, Salieri, Dittersdorf, Mozart und Beethoven 
0016dirigirt oder gespielt hatten. Eine neue Zeit bedarf aber
0017neuer, vollkommenerer Mittel. Unser damals ausgesprochener
0018Wunsch, die (seit 1862 „Haydn“ benannte) Tonkünstler-
0019Societät möchte nunmehr für immer Abschied nehmen vom
0020alten Burgtheater, ward erfüllt, und Haydn’s Oratorien
0021erlebten im großen Musikvereinssaale unter Herbeck eine zweite
0022Jugend. Seither sind auch die ehrwürdigen Wiegen des
0023Wiener Haydn-Cultus vom Erdboden verschwunden: das
0024alte Burgtheater, das Kärntnerthor-Theater (welches and
0025einige Aufführungen der Tonkünstler-Societät beherbergt
0026hat), endlich das Schwarzenberg-Palais auf dem Mehl-
0027markte, wo „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“ zum
0028allererstenmale gehört worden sind. Nach dem Jahre 1872 
0029zog sich der Pensionsverein „Haydn“, dessen musikalische
0030Bedeutung allmälig bis zur Unscheinbarkeit verblaßt war,
0031von den Concerten zurück, um fortan nur seinen Wirkungs-
0032kreis als Humanitäts-Institut auszufüllen.


0033Das hundertjährige Jubiläum vor fünfundzwanzig
0034Jahren war königlich mit beiden Oratorien Haydn’s auf-
0035getreten; hingegen begnügte sich das gestrige „Festconcert“
0036mit einem gemischten Programm, woran das Festlichste, 
0037daß drei Dirigenten sich in das Commando theilten: Hof-
0038capellmeister Fuchs, Hofopern-Director Jahn und in Ver-
0039hinderung Hanns Richter’s der Director der Gesellschafts-
0040concerte, R. v. Perger. Mit Ausnahme einer einleitenden
0041Ouvertüre von Florian Gaßmann, auf die wir noch
0042zurückkommen, gab man nur Haydn — eine verdiente
0043Huldigung für diesen Schutzheiligen der Pensions-Gesellschaft,
0044welche ihm die bessere Hälfte ihrer künstlerischen Existenz und
0045die größere ihrer materiellen verdankt. Die Auswahl aus seinen
0046Compositionen hätten wir uns interessanter gedacht. Wie viele
0047längst vergessene, selten gehörte gibt es darunter, die wir
0048freudiger begrüßt hätten, als die sehr bekannte Oxford-
0049Symphonie, die Quartett-Variationen über das Kaiserlied,
0050die Tenorarie in C-dur aus der „Schöpfung“ und schließlich
0051die sogenannte Nelson-Messe.*) Messen gehören gar nicht
0057ins Concert und machen da auch keine Wirkung. Zu recht-
0058fertigen sind nur ganz großartige Ausnahmen (Bach,
0059Beethoven), welche in unseren Kirchen nicht die entsprechen-
0060den Kräfte vorfinden und deren tiefer musikalischer Gehalt
0061an sich, ohne Beihilfe kirchlicher Functionen und Symbole,
0062den Hörer vollständig erfüllt. Haydn’sche Messen kann man
0063in jeder Kirche hören. Hingegen die berühmte „Abschieds-
0064symphonie“, von der Jeder von uns schon als Kind ge-
0065lesen, wie gern hätte man sie einmal selbst gehört und —
0066gesehen! Ein anziehendes Gesangstück aus einer Oper von
0067Haydn („Orfeo“, „Armida“), ein Claviertrio oder eine
0068Violin-Sonate von Haydn, würde dem Publicum die ange-
0069nehmste Ueberraschung bereitet haben. Und welch’ prächtige,
0070elektrisirende Schlußnummer hätte statt der Messe der Herbst
0071oder der Winter aus den „Jahreszeiten“ abgegeben!


0072Viel mehr haben wir uns über die Ouvertüre von
0073Gaßmann gefreut — nicht so sehr der Composition, als
0074des Autors wegen. Der gegenwärtige Vorstand des Vereines,
0075Hofcapellmeister Fuchs, hat damit ein Unrecht an dem
0076Manne gutgemacht, den man bei dem Jubelfest von 1871 
0077total vergessen hatte. Damals war weder Gaßmann’s Büste
0078neben Haydn aufgestellt, noch sein Name auch nur auf 
0079dem Anschlagszettel erwähnt. Und doch ist Gaßmann der
0080Gründer der Tonkünstler-Societät, Haydn nur deren
0081posthumer Adoptivvater und Namenspatron. So sei es denn
0082hier erlaubt, an die Verdienste Gaßmann’s zu erinnern,
0083wozu die Gelegenheit kaum wiederkehren dürfte. Florian
0084Leopold Gaßmann war 1723 in Brüx in Böhmen geboren.
0085Als zwölfjähriger Knabe entlief er seinem Vater, der ihn
0086zum Kaufmann bestimmt hatte. Mit seiner Harfe wanderte
0087der Junge bis nach Bologna, wo Padre Martini ihn
0088unter seine Schüler aufnahm. Dann trat er in die
0089Dienste des Grafen Leonardi Veneri in Venedig. Da
0090seine Compositionen bald allgemeine Beliebtheit errangen,
0091wurde Gaßmann 1762 als Balletcomponist nach Wien be-
0092rufen und nach Reutter’s Tod von Kaiser Joseph zum
0093Hof-Capellmeister mit 800 Ducaten Gehalt ernannt. Die
0094Hofcapelle war so tief gesunken, daß bei Gaßmann’s Antritt
0095ihr Stand auf zwanzig größtentheils invalide Mitglieder
0096zusammengeschmolzen war, darunter nur ein Cellist, ein
0097Fagottist, ein Oboist, gar kein Violoncellspieler, kein
0098Contrabaß, ja sogar — kein Organist! Gaßmann erklärte
0099es als Ehrensache, die frühere Wirthschaft nicht fortzusetzen,
0100und obwol in seinem vorgeschriebenen Budget aufs äußerste
0101beschränkt, brachte er es doch dahin, daß über seinen Vor-
0102trag die empfindlichsten Lücken noch im selben Jahre aus-
0103gefüllt wurden und der Stand der Hofcapelle auf vierzig
0104Individuen stieg. Stets eingedenk der Zeit, da er selber
0105Hunger und Kälte gelitten, sorgte Gaßmann redlich für
0106das Wohl seiner ärmeren Collegen und gründete die „Musi-
0107kalische Sozietät der freyen Tonkunst für Witwen und Waisen“
0108in Wien, nach deren Muster später die ähnlichen Versor-
0109gungs- und Concert-Institute in Berlin, Petersburg, Prag etc.
0110entstanden. Die Früchte seiner segensreichen Thätigkeit sollte
0111er selbst nicht erleben; kaum 50 Jahre alt, starb er in
0112Folge eines Sturzes aus dem Wagen. Die Kaiserin Maria
0113Theresia ernannte sich selbst zur Pathin bei Gaßmann’s
0114nachgeborener Tochter und setzte eine Pension für die
0115Hinterbliebenen aus. Als Componist außerordentlich fruchtbar,
0116hat Gaßmann 23 Opern (alle auf italienischen Text) ge-
0117schrieben, außerdem eine Menge Symphonien, Quartette
0118und Kirchenmusiken. Ueber letztere äußerte Mozart zu Doles 
0119in Leipzig: „Wenn Sie nur erst Alles kenneten, was wir
0120in Wien von Gaßmann haben! Komme ich heim, so will [2]
0121ich seine Kirchenmusiken fleißig studiren und hoffe, viel
0122daraus zu lernen.“ Das Haydn-Concert versammelte ein
0123zahlreiches und äußerst dankbares Publicum, welches die
0124genannten drei Dirigenten, Herrn van Dyck und die in
0125der Messe mitwirkenden Solosänger (Fräulein Abend-
0126roth
, Fräulein Walker, Herr Schittenhelm, Herr
0127Grengg) sehr lebhaft auszeichnete.


0128Unser Damen-Streichquartett Soldat-Roeger ist
0129nicht mehr bloße Localberühmtheit. Es hat aus kritischen
0130deutschen Städten, zumal aus Berlin, seinen Ritterschlag
0131heimgebracht. Die jüngste Production offenbarte deutlich,
0132wie schön das Zusammenspiel der vier jungen Damen seit
0133Jahresfrist sich vervollkommt hat. Es geziemt sich, daß die
0134Primvioline und das Violoncell, Fundament und Spitze des
0135Baues, die Werthvollsten sind. Frau Soldat-Roeger,
0136bekannt als eminent musikalische Virtuosin, ist speciell im
0137Quartettspiel eine ganz hervorragende Erscheinung. Nicht
0138blos die erste Stimme dieses Quartetts, sie ist zugleich dessen
0139regelnder Verstand, dessen oberster Wille, dessen empfindende
0140Seele. Ihr zunächst möchte ich die Violoncellistin Miss
0141Herbert-Campbell nennen, den schönen blonden Flügel-
0142mann des Quartetts. Ihre solide Technik und süßer, stets
0143reiner Ton gereichen dem Ganzen zu großem Vortheil.
0144Die beiden minder dankbaren und doch so verantwortungs-
0145vollen Mittelstimmen werden von Frau Finger-Bailetti 
0146und Frau Lechner-Bauer gewissenhaft besorgt.
0147Ihr Bestes leisteten die vier Damen mit dem Vortrage
0148eines seltener gehörten, ganz reizenden Quartetts von
0149Haydn (G-dur, op. 77, Nr. 1). Man mußte an das alt-
0150modisch naive Wort denken, mit dem Fr. D. Schubart 
0151auf dem Hohen-Asperg Haydn charakterisirt hat: „Das
0152Genie jauchzt ihm Beifall zu, und der mäßige Kopf schlingt
0153mit Entzücken seine Töne.“ Herr Alfred Finger (gewisser-
0154maßen der Schwager des Damenquartetts) und Herr Pro-
0155fessor R. Hausmann aus Berlin vervollständigten die
0156Besetzung des B-dur-Sextetts von Brahms, an dem man
0157sich seit etwa dreißig Jahren nicht satt hören kann. Die
0158„Böhmen“ hatten damit erst wenige Tage früher Furore
0159gemacht. Herr Hausmann und Fräulein Marie Bau-
0160mayer
(die man Beide nicht mehr zu rühmen braucht) 
0161spielten zusammen zwei Beethoven’sche Duos für Clavier
0162und Violoncell: die C-dur-Sonate op. 102 und die
0163Variationen über das Mozart’sche Thema: „Bei Männern,
0164welche Liebe fühlen.“ So verlief denn das Concert, dem
0165ein sehr großes Publicum lauschte, durchaus harmonisch
0166und genußreich.**)


0177Im fünften Philharmonischen Concert hörten
0178wir Dvořak’s neue Symphonie in E-moll. Sie ist „Aus
0179der neuen Welt“ betitelt und heißt darum gemeiniglich die
0180Amerikanische“. Der Componist protestirt zwar lebhaft
0181gegen die Vermuthung, er habe die Motive in Amerika auf-
0182gelesen. Gewiß sind die Themen, so wie sie in der Symphonie 
0183stehen, Dvořak’s Eigenthum — aber daß seine Phantasie von
0184der originellen Nationalmusik angeregt und beeinflußt war,
0185die ihn in Newyork tagtäglich umschwirrte, scheint mir außer
0186Zweifel. Dvořak’s Werke liefern selbst den Beweis, denn
0187einerseits haben seine früheren, von slavischem Charakter
0188beherrschten Compositionen keine Aehnlichkeit mit der E-moll-
0189Symphonie, andererseits zeigen die unmittelbar nach dieser
0190in Newyork componirten Stücke denselben exotischen Zug in
0191Rhythmus und Melodie. Ich erinnere an das F-dur-Quartett 
0192op. 96, insbesondere sein Finale; an das köstliche Streichquintett 
0193op. 97, auch an Nr. 1 der Suite op. 98. Wer einmal eine
0194Production der schwarzen „Christy’s Minstrels“ in London 
0195gehört hat oder ihre bei Boosy & Sons erschienene Lieder-
0196sammlung durchblättert, der wird einige Verwandtschaft mit
0197diesen letzten Dvořaks wol bemerken. Was wir ganz allge-
0198mein amerikanische Musik nennen, sind eigentlich importirte
0199schottische und irische Volksweisen, nebst etlichen Neger-
0200melodien. In der E-moll-Symphonie ist dieser Typus nicht
0201so stark ausgeprägt, wie in den oben genannten Kammer-
0202musiken, aber man wird doch sofort Motive heraushören,
0203die, von Dvořak’s früherer Art weit abstehend, wirklich, wie
0204der Titel besagt, aus einer andern Welt sind. Aus dieser
0205neuen Welt, die Dvořak durch ein paar Jahre auf-
0206merksam, mit offenen Sinnen beobachtet hat, ver-
0207wendet er einige noch unverbrauchte, erfrischende Volks-
0208klänge — dafür können wir ihm nur dankbar sein.
0209Das Entscheidende bleibt immer, was Dvořak daraus ge-
0210macht und wie er es angefangen hat, Bedeutung, Reiz und
0211Adel einer Volksmusik abzugewinnen, die uns in natura
0212hölzern, platt, burlesk erscheint. Und hierin liegt das Glück
0213und Verdienst von Dvořak’s neuesten Arbeiten. Nur ein
0214genialer Erfinder und ein Meister polyphonen Styls ver-
0215mochte solche Anklänge künstlerisch zu gestalten und ein Stück
0216wie die E-moll-Symphonie zu schreiben. Die Themen des
0217ersten Allegro scheinen mir die bedeutendsten und originellsten;
0218gleich das kühn aufsteigende Hauptmotiv gewinnt uns und
0219bestimmt den ganzen frischen, energischen Charakter des
0220Satzes. Das folgende Largo, dessen Thema ein schwer-
0221müthiges Englischhorn intonirt, ist in bleiches Mondlicht
0222getaucht, einfärbig, rührend und fremdartig. Wurde nicht
0223das Tempo etwas gar zu langsam genommen? Sehr
0224originell in kurzen Sprüngen führt sich das Scherzo ein.
0225Wie dieser Satz der keckste, so darf das Finale der kunst-
0226vollste heißen. Die Art, wie hier Motive aus früheren
0227Sätzen, zumal aus dem ersten, in allerlei Veränderung und
0228Vermummung eingeschoben werden, zeigt uns Dvořak’s
0229Meisterschaft in voller Reife. Ungezwungen und geistreich
0230vermittelt dieses Wiederauftauchen der Hauptmotive einen
0231festeren Zusammenhang zwischen den einzelnen Thei-
0232len. Nur etwas zu lang scheint mir das Finale,
0233das, nachdem es uns Alles vollständig gesagt hat, noch kein
0234Ende finden will. Das ungemein interessante Werk, das,
0235glänzend instrumentirt, doch keineswegs nach jüngstdeutschen
0236Manieren die Klangeffecte zur Hauptsache macht, fand die
0237wärmste Aufnahme. Sobald man den charakteristischen Kopf
0238Dvořak’s in der Directions-Loge entdeckt hatte, wurde so
0239lange nach jedem Satz applaudirt, bis der bescheidene Com-
0240ponist sich erheben und von oben herab danken mußte.
0241Schließlich nöthigte man ihn noch auf das Podium. Hoffent[3]-
0242lich werden die Philharmoniker, die mit der virtuosen Aus-
0243führung der Symphonie einen verdienten Triumph feierten,
0244uns auf eine Wiederholung nicht allzu lange warten lassen.
0245Das Wiederhören ist in der Musik eigentlich das erste rechte
0246Hören. Hofcapellmeister Richter hat die Tschaikowsky’sche
0247Symphonie pathétique in kürzester Zeit zum zweitenmale
0248aufgeführt und bereits eine andere Symphonie desselben
0249Autors für das nächste Concert angesetzt. Von Dvořak’s
0250drei ersten Symphonien ist meines Erinnerns noch keine
0251einzige wiederholt worden seit ihrer ersten Aufführung, „es
0252ist schon lange her“! Wir möchten unsere Componisten doch
0253nicht allzusehr hinter Rußland zurückgesetzt sehen.


0254Herrn Feruccio Busoni haben wir nicht zum ersten-
0255mal gehört, und dennoch erschien er uns im Philharmoni-
0256schen Concert als eine ganz neue Bekanntschaft. Es war
0257vor zwanzig Jahren, daß der kleine Busoni hier zuletzt als
0258Wunderkind gespielt hat. Die Versprechungen der Wunder-
0259kinder sind bekanntlich trügerisch, und so sahen wir denn
0260mit einem Gemisch von Erwartung und Besorgniß dem
0261Auftreten des jetzt 29jährigen Künstlers entgegen. Er hat
0262vollauf die großen Hoffnungen von damals erfüllt. Als
0263Virtuose nämlich, denn von seinen Compositionen ist uns
0264nichts bekannt worden. Unter den Clavierspielern ist heute
0265Busoni einer der Allerersten. Ich kenne Keinen, der mich so
0266frappant an Rubinstein erinnert hätte. Derselbe klang-
0267volle, saftige Anschlag, dieselbe Riesenkraft, Ausdauer und
0268Sicherheit, dieselbe gesunde Plastik des Vortrages. In dem
0269unerhört schwierigen und anstrengenden Es-dur-Concert 
0270(Nr. 5) von Rubinstein konnte Busoni seine Technik trium-
0271phiren lassen. Als guter Musiker hat er diese Composition
0272wol nicht um ihrer Schönheit willen, sondern trotz ihrer
0273Häßlichkeit gewählt. Zwischen dem ersten Satz und dem
0274Finale lagert das Adagio wie ein faules Schaf zwischen zwei
0275Kannibalen. Busoni erntete stürmischen Beifall; seine Er-
0276folge dürften noch höher und schöner wachsen auf einer
0277künstlerisch gediegeneren Unterlage, als dieses Concert sie
0278bietet. Fügen wir unserem Concertbericht noch die ange-
0279nehme Bemerkung bei, daß zum Schluß Beethoven’s 
0280kürzeste und einfachste Symphonie, die erste in C, wunder-
0281voll gespielt und enthusiastisch aufgenommen worden ist.

Fußnoten
  • *)Diese im Jahre 1797 componirte Messe (in England die
    „kaiserliche“ genannt) heißt in Deutschland „Nelson-Messe“, weil sie
    (1800) bei Nelson’s Besuch in Eisenstadt aufgeführt worden sein soll.
    Der berühmte Seeheld hat sich die Schreibfeder Haydn’s erbeten und
    ihm dafür seine eigene goldene Tachenuhr geschenkt.
  • **)Wir möchten bei diesem Anlaß alle Quartettvereine und
    alle Haydn-Verehrer auf die allerneueste (bei A. Payne in Leipzig)
    erscheinende Ausgabe sämmtlicher Haydn’schen Quartette aufmerksam
    machen. Es fehlte seltsamerweise bisher an einer ganz correcten, gut
    bezeichneten und in der richtigen Reihenfolge geordneten Ausgabe.
    Die in dem Prospect abgedruckten Urtheile von Hugo Heerman 
    (Frankfurt), J. Röntgen (Leipzig), H. Petri (Dresden) und
    Julius Winkler (Wien) sprechen so unbedingt zustimmend und
    rühmlich von dieser musterhaften, obendrein sehr billigen Ausgabe,
    daß an deren Erfolg kaum zu zweifeln ist.