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Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 11560. Wien, Donnerstag, den 29. October 1896

[1]

Aus Robert Schumann’s letzten Tagen.

Mit ungedruckten Briefen von ihm. II.


0003Ed. H.*) Die folgenden Briefe Schumann’s an Brahms 
0005und Joachim bedürfen nur weniger Erläuterungen. Brahms 
0006hatte auf die Nachricht von Schumann’s Erkrankung sofort
0007seinen Wohnsitz in Düsseldorf genommen, um in dieser
0008schweren Prüfungszeit Frau Clara und ihren Kindern trost- 
0009und hilfreich zur Seite zu stehen. Schumann hatte zuerst
0010an dem jungen Brahms das große Talent erkannt und
0011anerkannt — jetzt bekam die Familie Gelegenheit, sein Herz
0012kennen zu lernen. Brahms war der häufigste und will-
0013kommenste Besucher in Endenich; er kam wöchentlich ein- 
0014auch zweimal zu dem Kranken, der mit zärtlicher Liebe an
0015ihm hing. Sein Erscheinen wirkte offenbar freundlich be-
0016ruhigend auf Schumann, mit dem er von dessen Angehörigen
0017und über Musik sprach, auch vierhändig spielte. Sonst ge-
0018stattete der Arzt nur sehr selten nahen Freunden den
0019Zutritt zu Schumann, dem jede Aufregung sorgsam
0020fernzuhalten war. Clara selbst durfte ihn erst ganz kurz
0021vor seinem Tode sehen, als er nicht mehr sprechen konnte.
0022Joachim schreibt mir bei Uebersendung des letzten Schu-
0023mann-Briefes: „Ich habe Schumann dreimal in Endenich 
0024besucht; das erstemal hatte ich trostreiche Eindrücke, es war
0025ganz sein freundlicher Blick, das liebreiche, tieftreue Auge,
0026wie es uns auch aus so vielen seiner Notenreihen, von
0027schönen Welten träumend, entgegenleuchtet. Er sprach viel
0028und hastig freilich, frug nach Freunden und musikalischen
0029Vorgängen und zeigte mir alphabetische Register von Städt-
0030namen, die er emsig zusammengestellt. Als ich fort wollte,
0031nahm er mich noch geheimnißvoll in eine Ecke (obwol wir 
0032unbeachtet waren) und sagte, daß er sich von da wegsehne;
0033er müsse von Endenich weg, denn die Leute verständen ihn
0034gar nicht, was er bedeute und wolle. Es schnitt mir ins
0035Herz! Zum Abschiede begleitete er mich noch ein Stück auf die
0036Chaussée und umarmte mich dann. (Ein Wärter war in der
0037Ferne gefolgt.) Die beiden weiterenmale schwand leider jeder
0038Hoffnungsschimmer; zusehends hatte er auch körperlich wie
0039geistig abgenommen.“


0040Die in Schumann’s Briefen vorkommenden Compo-
0041sitionen von Brahms sind die Balladen op. 10, das
0042Scherzo op. 4, die Sechs Gesänge op. 3, endlich die bereits
0043gegen Clara wiederholt erwähnten Variationen in Fis-moll,
0044op. 9. Die zehnte derselben (poco Adagio) enthält die „Er-
0045innerung, von welcher Clara schrieb“, nämlich eine Erinne-
0046rung an jenes Thema von Clara Wieck, das Schumann 
0047seinen poetischen „Impromptus“, op. 5, zu Grunde gelegt
0048hat. Neben Brahms war es Joachim, auf dessen schöpfe-
0049rische Begabung Schumann große Stücke hielt. Die von
0050Schumann so warm belobten und schön charakterisirten Varia-
0051tionen von Joachim sind als op. 10 bei Breitkopf erschienen.


0052Die Clavierbegleitungen zu Paganini’s Capriccios,
0053von Schumann in Endenich niedergeschrieben, befinden sich
0054als Manuscript im Besitz Joachim’s. „Sie sind,“ wie
0055dieser mir schreibt, „ganz einfach harmonisch gehalten, ganz
0056klar in der Schrift und logisch.“ Wir haben uns darunter
0057keineswegs eine Fortsetzung der beiden Hefte „Studien nach
0058Capriccios und Paganini für Clavier“ von Schumann,
0059op. 9 und 10, zu denken, welche überwiegend freie, selbst-
0060ständige Erfindung sind.


0061Jan Albert van Eycken (geboren 1822 in Holland),
0062nach dem Schumann sich bei Joachim erkundigt, hat von
00631854 bis zu seinem Tode (1868) als Organist an der re-
0064formirten Kirche in Elberfeld gewirkt. — Elisabeth Kul-
0065mann
, deren Gedichte Schumann verlangt, stammte aus
0066einer deutschen Familie im Elsaß, war 1808 in Petersburg 
0067geboren und starb daselbst schon im Jahre 1825. Schumann,
0068der für ihre (von K. F. Großheinrich 1857 herausgegebenen)
0069Gedichte eine schwärmerische Vorliebe empfand, hat von ihr in
0070Düsseldorf „Mädchenlieder“ für zwei Sopranstimmen (op. 103)
0071und „Sieben Lieder“ (op. 104) componirt.


0072Das von Clara an Schumann „im Original“ geschickte
0073Gedicht von Friedrich Rückert war gleichsam ein Dank
0074des Dichters für die von Robert und Clara Schumann ge-
0075meinsam herausgegebenen zwei Liederhefte (op. 37) aus
0076Rückert’s „Liebesfrühling“. Das wenig bekannte Gedicht
0077darf wegen seiner intimen Beziehung auf Schumann und
0078als ein Virtuosenstück Rückert’scher Reimkunst hier wol ein
0079Plätzchen finden.


0080An Robert und Clara Schumann.
0081Lang ist’s, lang, /
0082Seit ich meinen Liebesfrühling sang; /
0083Aus Herzensdrang, /
0084Wie er entsprang, /
0085Verklang in Einsamkeit der Klang. /
0086Zwanzig Jahr’ /
0087Wurden’s, da hört’ ich hier und dar /
0088Der Vogelschaar /
0089Einen, der klar /
0090Pfiff einen Ton, der dorther war. /
0091Und nun gar /
0092Kommt im einundzwanzigsten Jahr /
0093Ein Vogelpaar, /
0094Macht erst mir klar, /
0095Daß nicht ein Ton verloren war. /
0096Meine Lieder, /
0097Singt ihr wieder, /
0098Mein Empfinden /
0099Klingt ihr wieder, /
0100Mein Gefühl /
0101Beschwingt ihr wieder, /
0102Mich, wie schön /
0103Verjüngt ihr wieder: /
0104Nehmt meinen Dank, wenn auch die Welt, /
0105Wie mir einst, ihren vorbehält. /


0106Briefe von Robert Schumann an Brahms.
0107Endenich, 27. November 1854.
0108Lieber! Könnt’ ich selbst zu Ihnen, Sie wieder zu
0109sehen und zu hören und Ihre herrlichen Variationen,
0110oder von meiner Clara, von deren wundervollem Vortrage
0111mir Joachim geschrieben. Wie das Ganze so einzig ab-
0112rundet, wie man Sie kennt in dem reichsten phantastischen
0113Glanz und wieder in tiefer Kunst, wie ich Sie noch nicht [2]
0114kannte, verbunden, die Thema hie und da auftauchend und
0115sehr geheim, dann so leidenschaftlich und innig. Das Thema
0116dann wieder ganz verschwindend, und wie so herrlich der
0117Schluß nach der vierzehnten, so kunstreichen in der Secunde
0118canonisch geführten, die fünfzehnte in Ges-dur mit dem
0119genialen zweiten Theile und die letzte. Und dann hab’ ich
0120Ihnen, theurer Johannes, zu danken für alles Freundliche
0121und Gütige, was Sie meiner Clara gethan; sie schreibt mir
0122immer davon. Gestern hat Sie, wie Sie vielleicht wissen,
0123zwei Bände meiner Compositionen und die Flegeljahre von
0124Jean Paul zu meiner Freude geschickt. Nun hoffe ich doch
0125auch von Ihnen, wie mir Ihre Handschrift ein Schatz ist,
0126sie bald in anderer Weise zu sehen. Der Winter ist ziemlich
0127lind. Sie kennen die Bonner Gegend, ich erfreue mich
0128immer an Beethoven’s Statue und der reizenden Aussicht
0129nach dem Siebengebirge. In Hannover sahen wir uns zum
0130letztenmale. Schreiben Sie nur bald Ihrem verehrenden
0131und liebenden R. Schumann.


0132Endenich, 15. December 1854.
0133Theurer Freund! Könnt’ ich zu Weihnachten zu euch!
0134Einstweilen hab’ ich durch meine herrliche Frau Ihr Bild
0135empfangen, dein wohlbekanntes, und weiß die Stelle recht
0136gut in meinem Zimmer, recht gut — unter dem Spiegel.
0137Noch immer erhebe [ich mich] an deinen Variationen; viele
0138möcht’ ich von dir und meiner Clara hören; ich beherrsche
0139sie nicht vollständig, namentlich die zweite, die vierte nicht
0140im Tempo, die fünfte auch nicht; aber die achte (und die
0141langsameren) und die neunte — — Eine Erinnerung, von
0142der mir Clara schrieb, steht wol S. 14, woraus ist sie?
0143Aus einem Lied? — und die zwölfte — — o könnt’
0144ich von euch hören! Clara hat mir auch das Gedicht von
0145Rückert an uns gesandt, das Original; das thut mir
0146leid, obgleich es mich sehr erfreut, da sie es aus dem Album
0147genommen hat. Sie schrieb mir auch von Balladen von
0148dir; was ist denn von dir während unserer Trennung
0149erschienen? Das Scherzo nicht? Gewiß. Wie würde es mich
0150freuen, wenn ich von deinen neuen etwas kennen lernen.
0151Schreibe mir bald wieder, lieber Johannes, und auch von
0152unseren Freunden. Daß die in Hamburg sich an mich
0153erinnert haben, hat mich sehr erfreut. Könnt’ die Stadt, 
0154die ich eine zeitlang nach dem Brand gesehen, wieder sehen.
0155Jetzt wirst du wol in Düsseldorf wieder sein; seit Hannover 
0156haben wir uns nicht gesehen. Das waren wol fröhliche
0157Zeiten. Ueber meine Mädchen Marie, Elise, Julie und ihre
0158bedeutenden Talente freue ich mich sehr gern. Hörst du sie
0159manchmal? Lebe wohl, du treuer Freund; sprecht von mir
0160und schreibt weiter. Dein innig ergebener Robert Schumann.


0161Endenich, 11. März 1855.
0162Theurer Freund!
0163Haben Sie Dank für die Sendung. Die Binde paßt
0164gut. Und die „Signale“ haben mir viel Freude gemacht.
0165Ich schrieb es schon an Clara und Joachim, daß mir das
0166Alles neu war. Wie kommt’s, daß gerade der jetzige Jahr-
0167gang 1855 so unvollkommen ist? Nur die Nr. 6, 8, 10,
016811 und eben bekomme durch Kreuzcouvert 12.


0169Ich habe in Absicht, so bald als möglich an Dr.
0170Härtel zu schreiben und ihm Einiges anzubieten. Ich weiß
0171nicht genau, ob die Stücke für Violoncello und Pianoforte
0172Phantasiestücke“ heißen. Ueber Eines, das letzte, bin ich
0173im Zaudern, obgleich es mir das Bedeutendste scheint; es
0174geht aus D-dur, das erste Trio in A-dur mit wunderbaren
0175Bässen (das Violoncell klang sehr gut, die Violine aber
0176nicht). Ich wollte auch bitten, mir das Stück von Fuchs 
0177abschreiben zu lassen und mir schicken. Dann möchte ich
0178Dr. Härtel wegen der Balladen angehen und ihm sagen
0179nach der Wahrheit, in aller Bescheidenheit, wenn es noch
0180Zeit ist. Das Scherzo war auch ein Stück, das gedruckt
0181[werden] mußte, aber eines Ihrer schwersten im Tempo.
0182Ich habe es neulich nach Genüge, wie ich wollte, ausgeführt.
0183Und die Trios! Und der Schluß! Scherzo! Ist keine
0184Sonate in Fis-moll mehr da, d. h. zum Leihen? Wollen
0185Sie Clara an die Capricci von Paganini erinnern, daß sie
0186mir sie bald sendet und, wenn ich bitten darf, Noten-
0187papier (12liniges, eigentlich 12fünfliniges). Ich freue mich
0188sehr darauf. Bei Simrock in Bonn ist jetzt der vierhändige
0189Clavierauszug zur Festouvertüre über das Rheinweinlied 
0190erschienen. Meine Frau schrieb mir, daß sie vielleicht jetzt
0191noch einen neuen Band binden könne. Nach der Opus-
0192nummer 123 müßte sie zum Anfang kommen; aber auf
0193dem Rücken die Opuszahlen, die fortlaufen.


0194Der Spaziergang neulich war nicht weit, er hätte viel
0195ferner sein müssen. Ganz fort von hier! Ueber ein Jahr
0196seit dem 4. März 1854 ganz dieselbe Lebensweise, und die-
0197selbe Aussicht nach Bonn. Wo anders hin! Ueberlegt es
0198euch! Benrath ist zu nah, aber Deutz vielleicht, oder
0199Mühlheim.


0200Schreibt mir bald! Sie sagen, ich möchte mich Ihrer,
0201lieber Johannes, manchmal erinnern — manchmal von
0202Früh bis Abends. So, auf baldiges Wiedersehen Ihr R.


0203Endenich, März 1855.
0204Ihre zweite Sonate, Lieber, hat mich Ihnen wieder
0205viel näher gebracht. Sie war mir ganz fremd; ich lebe in
0206Ihrer Musik, daß ich sie vom Blatte halbweg gleich, einen
0207Satz nach dem andern, spielen kann. Dem bring’ ich Dank-
0208opfer. Gleich der Anfang, das pp., der ganze Satz — so
0209gab es noch nie einen. Andante und diese Variationen und
0210dieses Scherzo darauf, ganz anders, als in den anderen,
0211und das Finale, das Sostenuto, die Musik zum Anfange
0212des zweiten Theiles, das Animato und der Schluß —, ohne
0213Weiteres einen Lorbeerkranz dem anderswo her kommenden
0214Johannes. Und die Lieder, gleich das erste, das zweite
0215schien ich zu kennen; aber das dritte — das hat (zum
0216Anfang) eine Melodie, wo gute Mädchen schwärmen, und
0217der herrliche Schluß. Das vierte ganz originell. Im fünften
0218Musik so schön — wie das Gedicht. Das sechste von den
0219anderen ganz verschieden. Die Melodie-Harmonie auf
0220Rauschen, Wipfeln, das gefällt mir.


0221Nun haben Sie Dank für die Besorgungen, für
0222die Capricci von Paganini und das Notenpapier. Einige
0223(fünf) harmonisirt’ ich schon. Es scheint aber die Arbeit
0224schwerer, als meine freie Bearbeitung von früher. Der
0225Grund ist, in der Violine liegt so oft der Baß nach seiner
0226Weise. Jedenfalls würden meine älteren Piano-Solo-
0227Arrangements mir die jetzige Arbeit sehr erleichtern.
0228Kennen Sie, lieber Johannes, die Variationen für Piano-
0229forte und Viola von Joachim genau? Haben Sie sie viel-
0230leicht gehört von Clara und Joachim? Das ist ein Werk,
0231das neben seinen Ouvertüren, seinen Phantasiestücken für [3]
0232>Violine und Pianoforte noch über die emporragt, durch die
0233phantasirend-abwechselndsten Regionen sich fortschwingt. Der
0234Viola, auch dem Pianoforte, sind Geheimnisse abgelauscht;
0235gleich die erste Variation möchte ich von Joachim hören —
0236welche Melodie! Wie anders die zweite, die Viola in tieferen
0237Chorden. Die vierte wie ein Traum. In der fünften der
0238Gegensatz — sehr ernst (zum Schlusse trefflicher Orgelpunkt).
0239Merkwürdig die sechste durch das Thema im Baß; die
0240anderen Stimmen spielen darinnen mit dem Anfange des-
0241selben Thema. Die neunte, die zehnte (Zigeuner- und
0242Ungarncharakter, so national nur möglich sein kann) und
0243die Schlußvariation vollenden das Werk zu einem der
0244größten meisterhaften.


0245In den Signalen hab’ ich gelesen, daß die städtische
0246Verwaltung in Düsseldorf ein Concurrenz-Ausschreiben nach
0247einem neuen Musikdirector gestellt. Wer könnte der sein?
0248Sie nicht? Vielleicht hätte Verhulst Lust, wenn der Antrag
0249ihm gestellt würde. Das sollte man thun.


0250Noch eine Bitte nach den Gedichten von Elisabeth
0251Kulmann und nach einem Atlas; wenn ich nicht irre,
0252hat Herr Schuberth von Hamburg vielleicht vor zwei Jahren
0253zwei Atlas noch mit sehr vielen anderen Büchern als
0254Geschenk zugesandt.


0255Lieber und verehrter Freund, Sie schreiben im letzten
0256Briefe: „Sie wissen wol, ein Dichter bittet nicht gern zu
0257kargem Tische“. Wie meinst du denn das? Auf baldiges
0258Wiedersehen. Robert.


0259An Joseph Joachim in Hannover.
0260Endenich, 10. März 1855.
0261Hochverehrter Meister!
0262Ihr Brief hat mich ganz freudig gestimmt, Ihre sehr
0263großen Lücken in Ihrer künstlerischen Ausbildung und das
0264sogenannte Violinen-Auge und die Anrede, nichts konnte
0265mich mehr belustigen. Dann dachte ich nach: Hamlet-Ouver-
0266türe — Heinrich-Ouvertüre — Lindenrauschen, Abend-
0267glocken, Balladen — Heft für Viola und Pianoforte — die
0268merkwürdigen Stücke, die Sie mit Clara in Hannover im
0269Hotel einmal Abends spielten, und wie ich weiter nachsann,
0270kam ich an diesen Briefanfang: Theurer Freund, hätt’ ich
0271doch die drei voll machen können! Reinick erzählte mir 
0272immer von dieser Stadt. Auch nach Berlin wäre ich gerne
0273nachgeflogen. Johannes hat mir den vorigen Jahrgang der
0274Signale gesandt zu meinem großen Vergnügen. Denn mir
0275war Alles neu, was während vom 20. Feber geschehen. Und
0276so ein musikalischer Winter und der folgende von 1854/55 
0277gab noch nie; so ein Reisen, Fliegen von Stadt zu Stadt
0278— Frau Schröder-Devrient, Jenny Lind, Clara, Wil-
0279helmine Clauß, Therese Milanolla, Fräulein Agnes Bury,
0280Fräulein Jenny Ney, J. Joachim, Bazzini, Ernst, Vieuxtemps,
0281die beiden Wieniawski, Jul. Schulhoff und als Componist
0282Rubinstein. Und was noch für eine große Masse Salon-
0283Virtuosen und anderer bedeutenderer, wie H. v. Bülow.


0284Sehr gefreut hat’s mich, daß Reinecke als Musik-
0285director nach Barmen gekommen. Barmen und Elberfeld 
0286sind zwei musikalische Städte. Wissen Sie vielleicht, ob
0287Van Eycken in Elberfeld angestellt ist? Er spielt ganz
0288herrlich; in Rotterdam hab’ ich ihn gehört Fugen von Bach,
0289auch BACH-Fugen, die erste und die letzte auf einer Orgel,
0290die ihm würdig war. Nun schau’ ich auf Sie aus; kommen
0291Sie bald, wär’s mit der Leuchte in der Hand. Das würde
0292mich erfreuen. In Absicht hab’ ich es, die Capricci von
0293Paganini, und nicht auf canonisch-complicirte Weise wie
0294die A-moll-Variationen, sondern einfach zu harmonisiren,
0295und deßhalb an eine gewisse geliebte Frau geschrieben,
0296die sie im Verschluß hat. Ich fürchte, sie sorgt, es würde
0297mich vielleicht etwas anstrengen. Ich hab’ schon viel bearbeitet,
0298und es ist mir nicht möglich, eine Viertelstunde unthätig zu
0299bleiben, und meine Clara sendet mir immer, daß ich mich
0300geistig unterhalten kann.


0301So komm’ ich tiefer in des Johannes Musik. Die
0302erste Sonate als erstes erschienenes Werk war eines, wie es
0303noch nie vorkam, und alle vier Sätze ein Ganzes. So
0304dringt man immer tiefer in die anderen Werke, wie in die
0305Balladen, wie auch noch nie etwas da war. Wenn er nur,
0306wie Sie, Verehrter, nur jetzt in die Massen träte, in
0307Orchester und Chor. Das wäre herrlich.


0308Wir wollen, wie wir in Gedanken an welche, die uns
0309in Weihestunden so oft ergreifen, gerade denken, uns für
0310heute Lebewohl sagen — auf baldiges Wiedersehen
0311Ihr sehr ergebener R. Schumann.

Fußnoten
  • *)Siehe I. in Nr. 11558 der „Neuen Freien Presse“.