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Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 12332. Wien, Mittwoch, den 21. December 1898

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Das Wiener Hofoperntheater in den letzten fünfzig Jahren.


0002Ed. H. Unter dem Titel „Fünfzig Jahre Hoftheater“ ist
0003soeben eines der prächtigsten und inhaltsreichsten Jubiläums-
0004werke erschienen. Es besteht aus drei Theilen: der Geschichte
0005des Burgtheaters (von R. Lothar), der Geschichte des
0006Hofoperntheaters (von Julius Stern) und dem
0007Künstleralbum mit biographisch-kritischen Aufsätzen
0008verschiedener Autoren über die hervorragendsten Wiener
0009Hofschauspieler und Opernmitglieder. Uns beschäftigt heute
0010nur die Hofoper. Ihr ist der größte Raum des monu-
0011mentalen Werkes gewidmet. Welche Fülle neuen historischen
0012Stoffes! Welcher Reichthum an Künstlerbildnissen! Freunde
0013quellenmäßiger Theatergeschichte zehren so vergnügt an
0014ersterem, daß sie allenfalls der Porträts entbehren könnten;
0015Anderen wieder dürften gerade die Bilder die reizvollste
0016Unterhaltung bieten, auch ohne den geschichtlichen Text. Am
0017besten also, daß wir Beides besitzen. Für den Verfasser,
0018Herrn Julius Stern, war das keine kleine Aufgabe. Zwei
0019Jahre anhaltender Arbeit in den Bibliotheken und Hof-
0020archiven, um das colossale, schwer zugängliche Material zu
0021sammeln und zu sichten! In dem großen Folioband können
0022wir für unseren Zweck heute nur blättern und den Leser
0023neugierig machen auf einige der interessantesten Geschichten.


0024Wir überspringen das einleitende Capitel, welches die
0025Wiener Oper von ihren Anfängen in der „Mehlmarkthütte“
0026bis zum alten Kärntnerthor-Theater (1709 bis 1848), dann
0027das Revolutionsjahr behandelt. Doch können wir nicht ganz
0028vorübergehen an dem Gagen-Etat, wie ihn Director
0029v. Holbein für das Jahr 1850/51 vorgelegt hat. Da-
0030mals erhielt die erste dramatische Sängerin Frau v. Hasselt-
0031Barth
nur 6000 fl., der erste Tenorist Alois Ander nur
00325000 fl. jährlich. Heute beziehen die Darsteller von Neben-
0033partien mehr, als damals die berühmtesten ersten Künstler!
0034Freilich bildeten die sogenannten Benefice-Vorstellungen 
0035ein Nebeneinkommen der bedeutenderen Sänger und Sänge-
0036rinnen. Fast Alle hatten sie contractmäßig ihre Benefice-
0037Vorstellung gesichert. Sollten Repertoire-Störungen diese ver-
0038eiteln, so war die Direction verpflichtet, dem betreffenden
0039Künstler 500 fl. oder 600 fl. „als Ablösung“ zu bezahlen.
0040Dadurch kamen aber die Künstler meistens zu Schaden;
0041denn sie pflegten die Billette zur Benefice-Vorstellung selbst
0042an die Abonnenten zu verkaufen und sich für „gütige Ueber-
0043zahlung“ gern zu bedanken. Dem vornehmen Sinn des
0044Grafen Lanckoronski war diese Praxis ein Gräuel. Er er-
0045klärte es „einer kaiserlichen Anstalt nicht würdig, daß die
0046ersten Mitglieder von Abonnenten zu Abonnenten betteln
0047gehen“, und der früher allgemein herrschende Unfug hatte
0048ein Ende. Ein Verdienst Holbein’s ist die Einführung
0049der Tantièmen, wie die großen ausländischen Theater
0050sie bezahlten. Holbein selbst war so zartfühlend, seit Einführung
0051der Tantièmen keines seiner Stücke am Burgtheater mehr
0052aufführen zu lassen. Ueber die frühere complicirte bureau-
0053kratische Verwaltung der Hoftheater gibt uns das Buch inter-
0054essante Aufschlüsse. Nicht weniger als vier Behörden, theils
0055Ministerien, theils untergeordnete Aemter, hatten die einzelnen
0056Posten des vom Oberstkämmerer und dem Director vorge-
0057legten Voranschlages zu beurtheilen, bevor er genehmigt wurde.
0058Und in diesen vier Aemtern saß kein einziger Theatermann;
0059ausschließlich Juristen urtheilten über die Bedürfnisse des
0060Kunstinstituts. Das Hauptvotum über das Opern-Budget
0061hatte das Ministerium des Innern; nach ihm kamen das
0062Finanzministerium, die oberste Polizei-Direction und gewöhn-
0063lich auch noch die Finanz-Procuratur. Welch lästiger Schriften-
0064wechsel! In dem System der Opernverwaltung gewahren
0065wir ein unablässiges Schaukeln zwischen der Verpachtung des
0066Theaters und der Direction in eigener Regie. Endlich scheint
0067letzteres System sich endgiltig consolidirt zu haben, obgleich
0068noch der Finanzminister v. Plener 1861 dringend für die
0069Verpachtung eintrat.


0070Diplomaten im Dienste des Hofopern-
0071theaters
“, lautet die Ueberschrift eines an merkwürdigen
0072Details reichen Capitels. Die kaiserlichen Statthalter und
0073Gesandten hatten in früherer Zeit die Annehmlichkeit, nicht
0074nur mit den auswärtigen Regierungen, sondern auch mit
0075den fremden Künstlern und Künstlerinnen, besonders wenn 
0076sie contractbrüchig waren, amtliche Verhandlungen zu pflegen.
0077Die Regierung eines alten soliden Staates, sagt der Ver-
0078fasser, ist oft leichter „umzukriegen“, als eine junge Tän-
0079zerin, die nicht tanzen will, obgleich sie contractmäßig dazu
0080verpflichtet ist. Besonders mit Italien, das vor fünf De-
0081cennien den größten Theil unseres künstlerischen Bedarfes
0082gedeckt hat, gab es recht schwierige diplomatische Verhand-
0083lungen. Wir lesen die amtlichen Zuschriften des Grafen
0084Lanckoronski an den außerordentlichen Gesandten FML.
0085v. Martini in Neapel, welcher den säumigen Bariton
0086Debassini zur Antwort drängen und sich über die Tänze-
0087rin Ferraris äußern soll. Sodann die Correspondenz mit
0088dem Gesandten in Madrid, Grafen G. Esterhazy, über die
0089Tänzerin Cerrito. Der Gesandte Baron Hügel mußte in
0090Neapel die Sängerin Boschetti zu sich bescheiden und
0091über ihre finanziellen und Herzensverhältnisse nach Wien 
0092berichten.


0093Eine ziffermäßig genaue Darstellung zeigt uns, wie
0094stark in dem Opern-Repertoire des Decenniums 1830 bis
00951840 die französischen und italienischen Opern an Zahl die
0096deutschen überwogen. Frankreich war mit 35 damals
0097neuen Opern im Wiener Repertoire vertreten, Italien 
0098mit 21 neuen Opern. Von den damals lebenden deutschen 
0099Componisten (1840 bis 1850) stammen nur 9 Werke, die
0100einen festen Platz im Repertoire zu behaupten vermochten.
0101Von der Anziehungskraft, welche Meyerbeer’s „Prophet“
0102(1850) in Wien ausübte, vermag man heute sich kaum eine
0103Vorstellung zu machen. Die ersten 20 Aufführungen waren
0104vollständig ausverkauft. Der Zudrang dazu war so groß,
0105daß nach jeder Vorstellung die Zeitungen einen sogenannten
0106Polizeibericht über die beim Gedränge vorgekommenen Un-
0107fälle brachten. Auf Ersuchen des Oberstkämmerers besetzte
0108die Polizei jedesmal knapp vor Beginn des Karten-
0109vorverkaufes alle Eingänge des Kärntnerthor-Theaters und
0110durchsuchte die Gänge des Hauses, ob sich nicht Jemand
0111eingeschlichen habe, um früher zum Billetschalter zu ge-
0112langen.


0113Uebergehen wir von der Verwaltung zur Kunst, von
0114den Bureaukraten zu den Sängern und Sängerinnen. Ein
0115wunderliches Beispiel vom Ineinanderspielen künstlerischer und
0116politischer Motive bietet die Affaire der Kammer- und Hof[2]-
0117opernsängerin Anna Zerr. Sie beging die Unvorsichtigkeit,
0118in London ihre Mitwirkung bei einem Morgenconcert am
011912. Juli 1851 zuzusagen, das für den „Hungarian Fund“,
0120das heißt zur Unterstützung der ungarischen Flüchtlinge,
0121stattfand. Der eigentliche Arrangeur dieses Concertes, Karl
0122Formes, hatte auch den Wiener Violinprofessor Jansa 
0123dafür gewonnen. Nach Feststellung der Thatsachen durch eine
0124längere diplomatische Correspondenz erließ der Kaiser 
0125folgenden Auftrag an den Oberstkämmerer: „Der Anna
0126Zerr ist das Decret als Kammersängerin,
0127welchen Titels sie verlustig ist, abzunehmen. Der bestehende
0128Contract, demzufolge sie beim k. k. Operntheater bis
0129April 1852 engagirt ist, bleibt bezüglich der ihr zugesicherten
0130Genüsse in Wirksamkeit, doch darf sie unter keinem Vor-
0131wand auf diesem Hoftheater, weder in einer Oper, noch
0132in einem Concert mehr auftreten
. Daß sie in
0133dieser Zeit auf keiner anderen Bühne singe, liegt in der
0134Macht der Administration des Operntheaters, die ihr dazu
0135von Fall zu Fall die Erlaubniß ertheilen müßte, welche ihr
0136natürlich in keinem denkbaren Fall gegeben
0137wird
.“ Anna Zerr (die erste „Martha“ in Flotow’s
0138Oper) gastirte später mit größtem Erfolg in Amerika und
0139zog sich bereits im Jahre 1857 von der Bühne zurück.


0140Mit tiefem Antheil lesen wir die Biographien zweier
0141Wiener Künstler, die durch ihre Meisterschaft, ihre beispiel-
0142lose Beliebtheit und ihr tragisches Ende uns unvergeßlich
0143bleiben: Joseph Staudigl und Alois Ander. Beide
0144endeten im Wahnsinn. Sie sind nicht die einzigen Beispiele,
0145daß die überwiegende Phantasiethätigkeit und nervöse Er-
0146regung, welche mit der Bühnenlaufbahn verbunden ist,
0147gerade zu diesem tragischen Ausgang führen können.
0148Als Staudigl und Ander sich nicht mehr darüber täuschen
0149konnten, daß Stimme und Gedächtniß sie völlig im Stiche
0150ließen, waren sie verloren. Die Schilderung von Ander’s 
0151Zustand in der Wasserheilanstalt zu Wartenberg, sowie der
0152letzten Jahre Staudigl’s bringt manches neue Detail.
0153Noch drei andere Sterne der Wiener Oper sind in trost-
0154loser Nacht, wenn auch nicht in der Zelle eines Irren-
0155hauses, erloschen. Marie Wilt, deren Kunst in gleicher
0156Vollendung den Coloraturgesang wie die stärksten drama-
0157tischen Partien beherrschte, ebenso hell im Oratorium wie 
0158in der Oper glänzte, hat freiwillig geendet. Sie ist an einer
0159verspäteten, unerwiderten Leidenschaft zu Grunde gegangen;
0160Scaria, der mächtige Bassist, an dem Studium der
0161Wotan-Rolle; die Czillagh, unsere gefeierte erste Fides,
0162an dem bei Bühnenkünstlern so häufigen Leichtsinn, welcher
0163in den Tagen des Glanzes verschwendet, um dann im Alter
0164hilflos zu darben. Gerne wenden wir unseren Blick gegen die
0165Sonnenseite und freuen uns der gesunden, heiteren Behag-
0166lichkeit, in welcher drei Collegen der oben Genannten, die
0167Veteranen Karl Mayerhofer, Heinrich Kreuzer und
0168C. M. Wolf, unter uns wandeln. Mayerhofer ist in
0169seinem eigensten Rollenfache noch immer unersetzt.


0170Nicht blos das Sängerpersonal, auch das Orchester 
0171des Hofoperntheaters findet in Herrn Stern einen eifrigen
0172Geschichtsschreiber. Vieles ist uns neu und Manches davon
0173unbegreiflich. Es klingt wie ein Märchen, daß der erste
0174Capellmeister Esser, „der gute Geist des Kärntnerthor-
0175Theaters“, es nach langjähriger Dienstzeit zu keinem höheren
0176Gehalte als 200 fl. monatlich gebracht hat! Erst als man
0177Esser zum musikalischen Beirath Dingelstedt’s und „Musik-
0178dirigenten“ des Theaters ernannt hatte, verbesserte man sein
0179Einkommen — um ganze 50 fl. monatlich! Im Jahre
01801855 meldete sich der berühmte Violin-Virtuose Henri
0181Vieuxtemps
für eine Anstellung als „Hof-Concert-
0182meister“, zugleich als Solospieler und Orchester-Director der
0183Oper und erbat sich eine Besoldung von 3000 fl. jährlich.
0184Obgleich er ein warmes Empfehlungsschreiben des Herzogs
0185Max in Bayern an den Oberstkämmerer mitbrachte
0186und die Direction eifrigst für Vieuxtemps’ Forde-
0187rungen eintrat, wurde sein Anerbieten aus fiscali-
0188schen Gründen zurückgewiesen. Die finanzielle Lage
0189der Orchestermitglieder war geradezu unwürdig. Schon im
0190Jahre 1851 bemühte sich Regierungsrath v. Holbein in
0191einer amtlichen Eingabe um „die nothwendige und pflicht-
0192mäßige Erhöhung der über allen Ausdruck kärglichen Be-
0193soldung der Künstler des Hofopern-Orchesters, welche bei
0194ungleich größerer Beschäftigung noch immer weit hinter
0195jenen des Burgtheaters zurückstehen
“. Hol-
0196bein’s Besoldungspläne blieben ein frommer Wunsch. End-
0197lich im Jahre 1865 thaten sich die Mitglieder des Orchesters
0198zu einer energischen Petition zusammen um Erhöhung ihrer 
0199Bezüge. Ihre Argumente wurden von der Hofbehörde voll-
0200kommen gewürdigt, die Gagen aber nicht erhöht, weil die
0201normale Dotation bereits überschritten sei. Auch hatten sich die
0202Kosten des Orchesters seit 1850, wo es 61 Spieler um-
0203faßte, bis zum Jahre 1865, wo es im Ganzen 98 Mit-
0204glieder zählte (jetzt ist ihre Zahl auf 107 gestiegen), be-
0205deutend erhöht. Aber wie schlecht waren sie bezahlt! Die
0206ersten Solospieler bezogen 50 fl. monatlich, die übrigen
0207Mitglieder begannen mit 36 fl. monatlich und stiegen bis
020842 fl. — Erst einer späteren Zeit blieb es vorbehalten, dem
0209Opernorchester zu geben, was ihm gebührte. Joh. Herbeck 
0210und G. Mahler haben sich in dieser Hinsicht große Verdienste
0211erworben. Director Mahler konnte in jüngster Zeit auch eine
0212Erhöhung der Choristengehalte erwirken, so daß sich die
0213Bezahlung der Chorsänger und -Sängerinnen seit den letzten
021430 Jahren um nahezu 100 Percent erhöht hat. Die An-
0215strengungen der Chordirectoren, eine Verstärkung und
0216bessere Besoldung des Chors zu erlangen, begannen schon in
0217den Sechziger Jahren. Ihr Gesuch wurde von der obersten
0218Hoftheater-Direction dem Director Salvi zur Aeußerung
0219zugestellt. Diese Aeußerung fiel geradezu classisch aus. Salvi 
0220behauptete, der Chor sei nicht zu klein, sondern zu groß;
0221„die Rückwärtsstehenden werden bequem und singen mitunter
0222gar nicht mit“, man müsse also die Zahl der Mitglieder
0223verringern und die Gagen der entlassenen Chorsänger
0224unter die verbleibenden auftheilen! Ein ins Musikalische
0225übersetzter Sanct Crispinus, der den Reichen Leder ent-
0226wendet, um den Armen Stiefel daraus zu machen.
0227Die Eröffnung des prächtigen neuen Opernhauses machte
0228endlich solchen unmenschlichen und unkünstlerischen Knickereien
0229ein Ende. Dingelstedt war nicht der Mann der klein-
0230bürgerlichen Engherzigkeit Salvi’s.


0231Wer sich nicht blos für die schönen Sängerinnen und
0232schmucken Tenoristen interessirt, sondern auch für die musik-
0233wissenschaftlichen und kunstpädagogischen Aufgaben des Opern-
0234theaters, der wird die beiden Capitel vor der Einführung
0235der neuen Orchesterstimmung (Diapason normal) und der
0236Errichtung einer Opernschule mit Antheil und Nutzen lesen.
0237Desgleichen — und mit erhöhter Heiterkeit — den Artikel
0238über den Einfluß der obersten Polizei-Behörde unter Graf
0239Sedlnitzky und Baron Kempen auf das Hofopern[3]-
0240theater. Es ist, als blickten wir in frühere Jahrhunderte.
0241Die Polizei hatte in Alles dreinzureden. Sie war einerseits
0242Expertin, wenn es sich um die künstlerischen Fähigkeiten zu
0243engagirender Sänger oder Capellmeister handelte, anderer-
0244seits Wahrerin der öffentlichen Sittlichkeit, indem sie über
0245das politische Vorleben jedes zu engagirenden Sängers und
0246jeder Sängerin Bericht erstattete. Ohne dieses Referat durfte
0247keine Entscheidung getroffen werden. Die Ueberwachung der
0248Polizei-Behörde erstreckte sich auch auf das persönliche Ver-
0249halten der Künstler unter einander und gegenüber dem
0250Director. Erst als die Verpachtung des Operntheaters ein
0251Ende nahm, ward die Herrschaft der Polizei als Theater-
0252macht gebrochen.


0253Franz Jauner, unter dessen Direction wir im Hof-
0254operntheater die berühmtesten Gäste und die glänzendsten
0255Aufführungen zu hören bekamen, hat auch „den Draht mit
0256Bayreuth“ wieder hergestellt. Eine bisher unbekannte Corre-
0257spondenz R. Wagner’s mit Jauner, die Aufführung der
0258Nibelungen-Tetralogie in Wien betreffend, erregt lebhaftes
0259Interesse — insbesondere jene Briefe Wagner’s, die nicht
0260blos Geldforderungen zum Inhalt haben. Zweierlei nament-
0261lich erfüllt uns mit großer Befriedigung. Erstens daß
0262Wagner immer von seiner „Oper Tristan“, seiner „Oper 
0263Walküre“ u. s. w. spricht, während man vor seinen Jüngern
0264das Wort „Oper“, nur bei Strafe der stillen Verachtung
0265aussprechen darf. Sodann, daß Wagner durchaus nicht
0266auf ungekürzten Aufführungen
seiner Werke
0267besteht. „Nein, nein!“ ruft er. „Es ist unsinnig, von
0268einem städtischen Theater-Abendpublicum, selbst für seinen
0269Genuß, Anstrengungen zu verlangen, welchen vorzubeugen
0270ich eben ja meine Bayreuther Bühnenfestspiele eigens er-
0271funden habe.“ Man sieht, Wagner war weder so eigen-
0272sinnig noch so tyrannisch, wie es heute seine Apostel sind.


0273Was diese Geschichte des Hofoperntheaters zugleich zu
0274einem werthvollen, praktischen Nachschlagebuch macht, sind die
0275Beilagen am Ende des Werkes: ein vollständiges Verzeichniß
0276aller Mitglieder von 1848 bis 1898 mit kurzen biographi-
0277schen Notizen und aller während dieses Halbjahrhunderts
0278aufgeführten Opern und Ballette. Wir konnten das um-
0279fangreiche Werk hier nur flüchtig besprechen; empfehlen
0280können wir es aber nachdrücklich.