Wörter einzeln suchen

Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 13591. Wien, Donnerstag, den 26. Juni 1902

[1]

Joseph Labitzky.

(Geboren 1802, gestorben 1881.)

Karlsbad, im Juni 1902.


0004Ed. H. Dem Tanzcomponisten flicht die Nachwelt
0005ebensowenig Kränze wie dem „Mimen“. Ja, in unserer
0006dankbaren Erinnerung leben unsere großen Bühnenkünstler,
0007die Anschütz, Löwe, Fichtner, Roger, Lablache, Staudigl 
0008immer noch länger, als die Walzer aus vormärzlicher Zeit.
0009Wir erinnern uns kaum der Anfangstacte der aller-
0010berühmtesten, und ihrer Titel schon gar nicht. Und doch
0011— wie viel Köstliches schufen Alt-Strauß, Lanner,
0012Labitzky; Musik, von welcher die jüngere Generation
0013nichts kennt, gar nichts mehr zu hören bekommt. Dem
0014passionirt Tanzenden, der mit einem geliebten Mädchen
0015den Saal durchfliegt, mag es gleich sein, was ihm dazu
0016aufgespielt wird, ob es „Aetherträume“ oder „Schönbrunner“
0017heißt, oder sonst wie. Aber wir musikalisch Hörenden
0018kommen arg zu kurz dabei. Ich habe einmal die Scene
0019erzählt, wie Herbeck, Dumba und ich eine klagende Inter-
0020pellation an den jüngst verstorbenen Johann Strauß rich-
0021teten, warum man nirgends mehr die reizenden Walzer
0022von Alt-Strauß und Lanner zu hören bekomme — nicht
0023einmal die ältesten Tanzstücke von Strauß Sohn selbst?
0024Entschuldigend erklärte dieser, es seien die Verleger, welche
0025auf die Aufführung der massenhaft producirten Novitäten 
0026dringen, und die Componisten erst recht. Mit dem Axiom 
0027„das Publicum will nur Neues“ glaubt man das bessere
0028Alte todtschlagen zu dürfen. In dieser Behauptung ist
0029jedenfalls das „nur“ falsch.


0030Zu den einst gefeierten, mit Strauß und Lanner ge-
0031nannten Tanzcomponisten zählte bekanntlich Joseph La-
0032bitzky
. Seine Musik erklang so ziemlich in der ganzen
0033Welt — mit Ausnahme von Wien. Hier war allerdings
0034kein Platz für einen Dritten neben Strauß und Lanner.
0035Nicht als ob diese bescheidenen und neidlosen Wiener
0036Meister sich persönlich gegen eine Concurrenz gewehrt
0037hätten; eine Concurrenz war eben in Wien von vornherein
0038unmöglich neben der fabelhaften Fruchtbarkeit und Be-
0039liebtheit jener Beiden. Ein Jahr älter als Lanner, drei
0040Jahre älter als Strauß, bildete Labitzky mit diesen beiden
0041Zeitgenossen eine merkwürdige Trias siegreicher Tanz-
0042poeten.


0043Joseph Labitzky war am 4. Juli 1802 zu Schönfeld 
0044im böhmischen Kreise Eger geboren. In Petschau, dem
0045classischen Heim der „Karlsbader Harfenistinnen“, empfing
0046er von dem dortigen Schullehrer Unterricht im Clavier-
0047und Violinspiel. Mit zwölf Jahren verwaist, mußte er
0048fortan für sich selbst sorgen. Also die nämlichen armseligen
0049Anfänge, dieselbe trübe Jugend wie bei Strauß und Lanner.
0050Diese, die Schöpfer des Wiener Walzers, waren bekanntlich
0051zwei „Lehrbuben“ aus der ärmeren Wiener Bevölkerung;
0052der eine zum Buchbinder, der andere zum Handschuhmacher
0053bestimmt. Ohne regelmäßigen Unterricht, trieben Beide
0054heimlich auf dem Dachboden ihre verpönten Violinübungen.
0055Gleich ihnen, versuchte sich auch Labitzky früh mit kleinen
0056Tanzstücken, bis er, achtzehnjährig, seine erste Anstellung
0057als Geiger bei der Marienbader, später bei der Karlsbader
0058Curcapelle erhielt. Hier in Karlsbad beginnt Labitzky’s
0059selbstständige künstlerische Thätigkeit, hier hebt er sie zu
0060ihrem Gipfel, hier beschließt er sie, ein Greis von achtzig
0061Jahren. Selten begegnen wir einer so anhaltenden, un-
0062unterbrochenen Seßhaftigkeit eines Componisten und Diri-
0063genten. Nimmer hätte Labitzky einen Weltruf erlangt,
0064wäre die kleine Stadt Karlsbad nicht zugleich der berühm-
0065teste Badeort Europas und stets das Stelldichein vor-
0066nehmer, musikliebender Gäste aus allen Welttheilen
0067gewesen. Von Labitzky’s Tänzen entzückt, bewogen ihn
0068einige russische Cavaliere, mit seinem Orchester einen
0069Winter in Petersburg zuzubringen (1839). Zehn Jahre 
0070später folgte er einer ähnlichen dringenden Ein-
0071ladung nach London; er concertirte dort abwech-
0072selnd mit Balfe in Her Majesty’s Theatre. Zahlreiche
0073Dedicationen an die glänzendsten Vertreter der russischen
0074und englischen Aristokratie erinnern an diese beiden Kunst-
0075reisen Labitzky’s, seine erfolgreichsten und letzten. Seitdem
0076wirkte er ausschließlich in Karlsbad. Erst im Jahre 1868 
0077trat er nach 48jähriger Thätigkeit von der Direction der
0078Curcapelle ab, deren Leitung nunmehr sein Sohn August 
0079übernahm. Es war ihm noch vergönnt, sein 50jähriges
0080Dienstjubiläum und seine goldene Hochzeit zu feiern, bevor
0081er 1881 die Augen schloß. Lanner war in seinem
008242. Jahre gestorben, Strauß in seinem 45; Labitzky 
0083hat die Beiden fast um ein halbes Jahrhundert über-
0084lebt. Ihm war eine erfolgreiche, lohnende Künstler-
0085laufbahn und ein glückliches Familienleben beschieden.
0086Karlsbad dankt ihm nicht blos den musikalischen Ruhm,
0087die Vergrößerung und Vervollkommnung seines Orchesters,
0088sondern auch den gemeinsam mit Dr. Rudolph Mannl -
0089begründeten städtischen Musikverein und die damit ver
0090bundene Gesangschule. Seine beiden talentvollen Söhne
0091schickte er zur musikalischen Ausbildung an das Prager
0092Conservatorium, dann auch zu den Leipziger Meistern
0093Ferdinand David und Moriz Hauptmann. Der
0094ältere, Wilhelm Labitzky, lebt in Toronto (Canadien);
0095der jüngere, August, ist als Director der Curcapelle in
0096Karlsbad mit rühmlichem Erfolge bereits über 25 Jahre
0097thätig. Eine Tochter Joseph Labitzky’s, Toni, von der
0098Marchesi zur tüchtigen Opernsängerin ausgebildet, hat
0099als beliebte Primadonna in Frankfurt a. M. gewirkt
0100bis sie 1872 als verehelichte Frau Cahn-Speyer sich ins
0101Privatleben zurückzog.


0102Joseph Labitzky hat weit über 200 Werke hinterlassen.
0103Soll ich die Titel seiner Tänze nennen? Wer könnte sich
0104dabei etwas denken! Staunen muß ich nur stets von neuem,
0105daß den Walzercomponisten noch immer unverbrauchte
0106Namen einfallen für ihre zahlreichen Kindlein. Dazu ge-
0107hört fast ebensoviel Erfindungsgeist, wie für ein neues
0108Walzerthema. Am häufigsten erscheinen die Frauennamen:
0109die Sophien-, Louisen- und Marienwalzer u. s. w. Sodann
0110die geographischen Titel: Prager Galopp, Karlsbader Polka,
0111Pester Walzer. Endlich die mythologischen: Apollotänze,
0112Aurorawalzer, Themisklänge, Irispolka und ähnliche. Als [2]
0113Labitzky’sche Titel-Curiosa citirte ich nur den Walzer „Seelen-
0114spiegel“ (op. 126), die „Podagra-Polka“ und „Curpolka“. Die
0115größte Verbreitung und Beliebtheit haben wol Labitzky’s
0116Aurorawalzer“ (op. 34) genossen und sein „Immergrün-
0117galopp“. Ein Versuch, einzelne seiner Tänze hier mit
0118Worten zu charakterisiren, scheint mir verlorene Mühe —
0119wer kennt sie denn heute? Im Walzer stand Labitzky 
0120dem sinnigen und singenden, melodisch weicheren Ton Lanner’s
0121näher als dem rhythmisch zuckenden Feuer Strauß’; seine
0122beste Eigenart steckt in der Polka, dann im Galopp. Wie
0123der Walzer eine Wiener Specialität, so ist die Polka
0124böhmisches Eigengewächs. Die Einflüsse des Zeitfortschrittes,
0125die sich in verlängerten Rhythmen, pikanierer Harmoni-
0126sirung, reicherer Orchestration kundgeben, treten in Labitzky’s
0127späteren Werken ebenso merklich hervor wie bei Lanner 
0128und vollends bei Strauß. Die älteren acht- oder sechzehn-
0129tactigen Walzerthemen erweitern sich später bei Labitzky 
0130häufig auf 24 bis 26 Tacte, und die Harmonisirung über-
0131rascht uns nicht selten durch kleine Pikanterien, Disso-
0132nanzen, Gegenbewegungen. Immer jedoch bleibt Labitzky 
0133melodienreich, anmuthig, natürlich. Im Walzer weniger
0134blendend und erfindungsreich als Strauß und Lanner, konnte
0135doch Labitzky auch hier alles Mögliche sein: zart, witzig,
0136naiv. Seine Tanzmusik bestand die Probe jeder guten
0137Musik: sie war gesättigt von der anzuregenden Empfindung,
0138sie versetzte unmittelbar in die beabsichtigte Stimmung,
0139erwies sich unwiderstehlich in ihrer Wirkung. Labitzky 
0140band in seine Sträußchen meist fünf bis sechs Blumen,
0141umgab sie mit einem Blätterwerk von Introduction und
0142Finale, aus denen recht hübsch die Knospen der Haupt-
0143motive hervorgucken. Mehr als diesen leichten Fluß und
0144die elektrische Wärme der Melodie gab sein Talent nicht
0145her — im Anlauf zu höherem Styl (in manchen Intro-
0146ductionen) wurde er, wie Johann Strauß, leicht unbeholfen
0147und phrasenhaft.


0148Heute scheint die Tanzmusik dem Tanze selbst über
0149den Kopf gewachsen. Sie hat sich vervollkommt, sucht nach
0150allen möglichen Pointen und Effecten und will etwas für
0151sich darstellen, während die Tänze selbst entschieden ver-
0152kommen und verflachen. Namentlich die Quadrille scheint
0153in noble Lümmelhaftigkeit umschlagen zu wollen. Durch
0154unseren ganzen Bildungsgang zieht ein gewisses nivelliren-
0155des Wesen, das alle Originalität darniederhält, das selbst 
0156auf das Tanzen zurückwirkt und besonders die National-
0157tänze in ihrer sanguinischen Ungebundenheit allmälig
0158dahinsiechen macht. Diese Tänze verschwinden selbst im
0159Volke immer mehr oder sie verlieren Zug um Zug ihr
0160charakteristisches Gepräge, und parallel damit geht die Auf-
0161lösung der Nationaltrachten und Volkslieder. Um so höher
0162steigt der Werth von Tanzmusiken, welche, wie die Strauß-
0163Lanner-Labitzky’schen, bei aller musikalischen Verfeinerung den
0164Reiz und die Kraft des echt Volksthümlichen sich erhalten haben.
0165Vom rein künstlerischen Standpunkte erscheint die Tanz-
0166musik jedenfalls untergeordneten Ranges, indem sie, blos
0167unterstützende und beigesellte Kunst, zunächst einem fremden
0168Zwecke dient, nämlich den Tanzschritt mit Tact und
0169Rhythmus zu begleiten. Wenn die Tanzmusik nicht höher
0170hinaus will, so thun Castagnetten denselben Dienst. Der Werth
0171jeder Kunstgattung steigt oder fällt jedoch mit den An-
0172forderungen, die man ihr stellt. Vor mehr als 50 Jahren
0173schrieb ich darüber ungefähr Folgendes: Unsere Anforde-
0174rung an die Tanzmusik geht dahin, daß sie nicht blos
0175das Stampfen der Tänzer im Tacte erhalte, sondern deren
0176Seelenleben verstehe, ihre Stimmung und Leidenschaft
0177interpretire, steigere, veredle. Der unterste Grad der Tanz-
0178musik hat nur mit den Füßen zu thun, auf höherer Stufe
0179spricht sie zur Phantasie, zum Gefühl, zum Geist. Um
0180diese höhere Stufe zu behaupten, wird freilich nöthig sein,
0181daß sich der Componist von einer blos gymnastischen An-
0182schauung des Tanzes zu dessen geselliger und idealer Be-
0183deutung erhebe. In unserer gebildeten Gesellschaft ist der
0184Tanz von seiner ursprünglichen Bedeutung längst zu einer
0185höheren gediehen. Wollte man in demselben nur körperliche
0186Uebung sehen, so würde man ihn in Turnschulen pflegen.
0187Unsere heutigen Tanzunterhaltungen, so oft sie auch zur
0188Caricatur herabsinken, sind und bleiben die Asyle zärt-
0189licher Bedürfnisse und Bestrebungen. Die Musik nun, wie
0190sie die äußere Bewegung der Tanzenden aneifert, begleitet
0191auch ununterbrochen all das innere Leben, das sich still
0192und heimlich in ihnen zuträgt. Gelingt es einer Tanz-
0193melodie, einen Moment dieses inneren Lebens mit jener
0194Göttermacht zu erfassen, deren die Tonkunst fähig ist, und
0195singt sie es laut und rauschend aus, was inmitten des
0196Festes still geblieben, dann hat sie eine schöne Mission er-
0197füllt und kann tief und unvergeßlich in das Herz eines
0198Menschen hineinwachsen. So wie ein Marsch, ein Gelegen-
0199heitslied oder andere aus äußeren Beziehungen hervor-
0200getretene Kunstformen Gewalt erlangen können über ein
0201ganzes Volk, wenn sie das Geistige dieser äußeren Be-
0202ziehung stark und wahr wiedergeben, so kann in kleineren
0203Kreisen ein Tanzstück mit einer physischen Gewalt wirken,
0204die weit über seinem blos musikalischen Inhalt liegt. Es
0205bedeutet eine Musik nicht lediglich das, was sie ist, sondern
0206oft auch das Höhere, wozu sie ist.


0207Dem älteren Triumpirat Lanner-Strauß-Labitzky 
0208war noch eine glänzende Fortsetzung beschieden in unserem
0209genialen Johann Strauß Sohn. Mit ihm scheint die
0210ruhmvolle, fruchtbare Aera der Tanzmusik vorläufig
0211beschlossen, jener Tanzmusik, die nicht blos die Füße im
0212Tacte erhält, sondern das musikalische Ohr fesselt. Jede
0213Kunst erlebt solche Perioden zeitweiliger Erstarrung; in
0214der Musik dämmert sie heute allenthalben. Blicken wir auf
0215die Oper. Sie fristet sich, von dem einzigen Wagner abgesehen,
0216fast nur mit dem alten Repertoire. Wie wenig ist seit dem
0217Nibelungen-Cyklus, also seit 24 Jahren, hier Lebenskräf-
0218tiges, Bleibendes erschienen! Vergleichen wir damit das
0219Repertoire der Dreißiger- und Vierziger-Jahre, da Meyer-
0220beer, Marschner, Lortzing, Nicolai, Kreutzer, Auber, Halévy,
0221Adam, Donizetti, Verdi, etwas später noch Gounod und
0222Ambroise Thomas die Bühnen ununterbrochen mit
0223Neuem versorgten. Und in der Instrumental-Musik:
0224Mendelssohn, Schumann, Berlioz, Chopin! Klammern wir
0225uns denn vorläufig an den Trost, daß gleichzeitig mit dem
0226Versiegen des schöpferischen Genies die reproducirenden
0227Kräfte, vor Allem die Orchester, sich erstaunlich vervoll-
0228kommt haben. Auch die Tanzmusiken, die Garten- und
0229Curorchester wissen davon zu erzählen. Wie kindisch klein
0230haben Strauß und Lanner begonnen — mit einem
0231Orchester von fünf bis sechs Mann! Aber der Glanz ihrer
0232Einfälle siegte über die Dürftigkeit ihrer Mittel. Auch
0233Labitzky begann seine Karlsbader Curmusik vor siebzig
0234Jahren mit einem höchst bescheidenen Orchester. Ich selbst
0235habe ihm noch gelauscht, als ich, ein junger Gymnasiast,
0236meine Mutter nach Karlsbad begleiten durfte. Da spielte
0237Labitzky des Morgens beim Theresienbrunn, dem kleinen,
0238jetzt verlassenen Tempelchen oberhalb des Mühlbrunns;
0239Nachmittags in dem längst verschollenen „böhmischen“ und
0240sächsischen Saal“ auf der Alten Wiese. Labitzky’s Walzer
0241erklangen mir, der ich bei Mozart und Beethoven [3]
0242meilenfern von jeder Tanzmusik aufgewachsen war, als ein
0243absolut Neues, dem ich mit neugierigem Entzücken lauschte.
0244Mit der Tanzmusik ließ das Brunnen-Orchester damals
0245einige wenige ältere Ouvertüren und Opern-Potpourris ab-
0246wechseln. Um den ungeheuren Umschwung zu ermessen,
0247braucht man heute nur eine der Orchester-Productionen
0248August Labitzky’s zu hören, welche dreimal wöchentlich im
0249„Posthof“ ein dichtgedrängtes Publicum versammeln. Da
0250haben wir in diesem Frühjahr nicht blos Mozart- und
0251Beethoven’sche Symphonien in präciser Aufführung ge-
0252hört, sondern auch die schwierigsten modernen Orchester-
0253stücke von Schumann, Berlioz, Bizet, Tschaikowsky und
0254manchem allerneuesten, in Wien noch ungekannten Com-
0255ponisten. Die anderen Curorte des brunnengesegneten
0256Böhmen eifern dem musikalischen Vorbilde Karlsbads rüstig
0257nach: Marienbad, Franzensbad, Teplitz. Ihre Orchester
0258haben sich längst über die alten mageren Tanz- und Pot-
0259pourri-Programme hinausgeschwungen. In Franzensbad 
0260durfte ich einem Morgenständchen lauschen, das den kunst-
0261sinnigen Bewohnerinnen der Villa des kaiserlichen Rathes
0262Dr. Fellner dargebracht wurde. Beethoven’s „Egmont“-
0263Ouvertüre, „Am Meere“ von Schubert, Finale aus
0264Lohengrin“ — Alles unter der Leitung des Musik-
0265directors Oelschlegel vortrefflich ausgeführt. Das musika-
0266lische Schaffen ist verarmt — für wie lange, steht dahin
0267— aber in Decadencezeiten, auch der übrigen Künste,
0268blüht die Technik immer zu kaum geahnter Höhe empor.


0269Kehren wir zurück zu unserem Ausgangspunkt. Die
0270Stadt Karlsbad rüstet sich, den 100. Geburtstag Labitzky’s,
0271ihres Ehrenbürgers und Ehrenkünstlers, würdig zu feiern.
0272Ein Porträtmedaillon desselben (von dem Wiener Bild-
0273hauer Max Hiller) soll Labitzky’s Wohnhaus „zum Kaiser
0274von Rußland“ in der Marienbaderstraße schmücken. Der
0275um Karlsbads Musikcultur hochverdiente Director Jare-
0276tschek
bringt in der Pfarrkirche eine Labitzky’sche Messe
0277zu Aufführung. Director August Labitzky endlich erlöst
0278aus dem Archiv einige allzu lang dort vergrabene Walzer-
0279partien seines Vaters, um sie mit seinem verstärkten und
0280vervollkommten Orchester neu zu beleben. Die ganze Cur-
0281gesellschaft Karlsbads, also halb Europa, wird vergnügt
0282diesen heiteren Klängen lauschen und das Andenken des
0283Tondichters dankbar feiern.