Wörter einzeln suchen

Neue Freie Presse
Morgenblatt
No. 109. Wien, Sonntag den 18. December 1864

[1]

Alois Ander †

Wien, 17. December


0003Ed. H. Der Trauerglockenton, der in diesem Augenblick
0004die Beerdigung Ander’s verkündigt, widerhallt tief und schmerz-
0005lich in jeder Brust. Man darf kühn behaupten, daß das Leid-
0006wesen um den vortrefflichen Künstler und liebenswerthen Men-
0007schen in Wien ein allgemeines sei. Nicht einmal Staudigl’s,
0008des Vielverehrten, Heimgang traf in solchem Grad schmerzlich
0009und bestürzend, der Tod hatte ihn mit stumpfer Sense lang-
0010sam zu Ende gebracht, nachdem er der Kunst und dem Leben
0011längst verloren war. Ander hingegen, den viel jüngern Mann,
0012hörten wir noch vor wenig Wochen in seiner Lieblingsrolle
0013und sahen ihn guten Vertrauens die Reise nach dem heilkräf-
0014tigen Wartenberg antreten. Die Nachricht von seinem Tod
0015konnte nicht unerwarteter sein. Die persönliche, fast familien-
0016haft-herzliche Zuneigung, die das Wiener Publicum von
0017jeher für seine Theater-Lieblinge hegt — ein traditioneller
0018Charakterzug — war Ander in einem ganz besonderen Grade zuge-
0019wendet, in einer Allgemeinheit und Wärme, wie sich deren nur
0020die größten, mit Wien am längsten verwachsenen Künstler des
0021Burgtheaters rühmen können. Ander hatte in Wien seine Car-
0022rière begonnen, seinen Ruhm begründet, die Wiener hatten ihn
0023gleichsam entdeckt und erfunden, sie haben ihn ununterbrochen
0024und ausschließlich besessen, als einen der Ihrigen großgezogen,
0025geliebt, verhätschelt — sie sind Ander’s zweite Witwe.


0026Den Freunden des Kärntnerthor-Theaters ist der Abend
0027des 22. October 1845 noch wohl erinnerlich, an welchem Ander 
0028zum erstenmal die Bühne betrat. Ander’s schöner Tenor
0029war in kleineren Gesellschaftskreisen und im „Männergesang-
0030Verein“, bekannt geworden; Stimme, Intelligenz und eine
0031sehr einnehmende Erscheinung wiesen ihm den Weg zur
0032Bühne.*) Dem energischen und gewichtigen Einfluß des 
0054Ober-Regisseurs Franz Wild gelang es, Ander zum Debut
0055zu verhelfen. Die leisen Befürchtungen einiger Freunde, wie das
0056Wagstück des noch ungeschulten, incorrect aussprechenden,
0057gänzlich theaterfremden Ander ausfallen werde, schlug Wild 
0058mit dem Ausruf nieder: „Ich sage euch, daß seit Wild auf
0059gehört hat zu singen (sich selber setzte er bekanntlich immer
0060an die Spitze) Wien zum erstenmal in Ander wieder einen
0061großen dramatischen Tenor bekommt.“


0062Ander’s Debüt als „Stradella“ war ein Ereigniß, wie
0063es selten in den Annalen eines Hoftheaters vorkommt. Ein
0064dürftiger, junger Mann, der sich noch auf keiner Bühne ver-
0065sucht hatte, der weder von weit her kam, noch daheim auf der
0066Leiter kleiner Nebenrollen emporgeklettert war — er erschien
0067auf dem k. k. Hofoperntheater gleich in einer Hauptrolle als
0068Träger einer neuen Oper. Der günstige Erfolg des Abends
0069war ein entscheidender und Ander seither — durch 20 Jahre —
0070der Liebling des Wiener Publicums. Seine nächsten Aufgaben
0071bildeten gleichfalls lyrische Partien der deutschen Oper,
0072ein Gebiet, auf welchem unser Sänger stets seine liebenswür-
0073digsten Vorzüge entfaltet hat: Konrad in „Hans Heiling,“
0074Hugo in Spohr’s „Faust,“ Nadori in „Jessonda," Ivan-
0075hoe
in „Templer und Jüdin“ u. s. w. Schon diese ersten
0076Bühnenschöpfungen Ander’s machten den wohlthuendsten Ein-
0077druck. Seine Stimme blendete nicht durch Energie oder Größe,
0078gewann aber um so sicherer durch Schmelz und jugendliche
0079Weichheit. Dies blühend schöne Organ, dem allerdings noch
0080die methodische Schulung mangelte und das einen leisen Nasal-
0081beiklang nie ganz verlor, behandelte der junge Sänger damals
0082schon mit erstaunlicher Leichtigkeit und Freiheit. Dabei leuch-
0083tete sein dramatisches Talent, das sich in den folgenden Jah-
0084ren noch zu ungleich größerer Bedeutung entwickelte, bereits in
0085jenen ersten Rollen unverkennbar durch.


0086Mit der Höhe seiner Erfolge stieg auch Ander’s Fleiß
0087und Kunststreben. Als seine eigentlichen, jedenfalls bedeutend-
0088sten Lehrer dürfen wir wol die Hasselt und Wild ansehen,
0089welche ihm beim Einstudiren der Partien unmittelbar an die
0090Hand gingen. Außerdem hatte ein unberühmter Sänger von
0091geringen Stimmmitteln, aber ungewöhnlicher Bildung, den größ-
0092ten Einfluß auf Ander’s Studien: der beim Kärntnerthor-
0093Theater angestellte Tenorist Schiele, welcher täglich mit An
0094der übte und ihm förmliche Vorlesungen über dramatischen
0095Gesang hielt. Mit gleichem Eifer arbeitete Ander an seiner
0096ziemlich dürftigen allgemeinen Bildung. Er erzählte selbst in
0097spätern Jahren lächelnd, wie er damals anstatt aller andern
0098Hilfsbücher ein Conversations-Lexikon kaufte und es von An-
0099fang an durchzulesen begann.


0100In seine vollste, reichste Blüthe trat Ander mit Meyer-
0101beer’s „Propheten“. Er hatte die anstrengende, aus den wi-
0102derstrebendsten Elementen zusammengesetzte Rolle mit poetischem
0103Geist gestaltet, in Spiel und Gesang meisterhaft durchgeführt.
0104Sie war es, die ihm auch auf auswärtigen Bühnen große Er-
0105folge und das unbestrittene Ansehen eines der ersten deutschen
0106Sänger erwarb. Die Jahre 1850 bis 1853 bilden den Höhe-
0107punkt in Ander’s Laufbahn. Jugend und Talent, Ruhm,
0108Gold, Frauengunst — Alles sein Eigen! Sein Leben glich einer
0109Blume, die sich auseinanderfaltet.


0110Ander’s Stimme hatte noch nichts von ihrem jugendlichen
0111Schmelz und Wohllaut eingebüßt und war an Kraft und Aus-
0112dauer gewachsen. Der Zug edler ritterlicher Männlichkeit
0113bildete sich immer schöner und bestimmter aus; selbst in den
0114zartesten lyrischen Partien, wie Nadori, Tamino, Gennaro,
0115Arthur, verfiel er nicht in spielende Weichlichkeit. Seine poe-
0116tischen Schöpfungen breiteten sich nun in reichem Kranz um
0117den „Propheten“ aus: Raoul in den „Hugenotten,“ Arnold 
0118im „Tell,“ Edgar in der „Lucia von Lammermoor,“ Ado-
0119lar
in „Euryanthe“. Sie zählen zu unsern schönsten Erinne-
0120rungen. Der ganze Zauber von Ander’s Persönlichkeit war
0121darüber gebreitet und nahm jeden Hörer willenlos gefangen.
0122Zum erstenmal erlebten wir in den gedachten Rollen mehr als
0123die blos musikalische Ausfüllung der Partie, Gestalten von hin-
0124reißender Lebenswahrheit standen vor uns, wir liebten und
0125haßten, verzweifelten und jubelten mit ihnen. Man denke an
0126Raoul’s Eintreten bei Valentine und das erschütternde Liebes-
0127duett, an die geheimnißtrunkene süße Beklommenheit Nadori’s 
0128an Edgar’s Fluch und vor Allem an das große Terzett in
0129Wilhelm Tell“. Noch nie haben wir so unmittelbar das
0130tiefste Gefühl der Seele aussingen hören. Der Ton war hier
0131unendlich mehr, als das kunstreiche, wohlgeschulte Instrument [2]
0132des Musikers, er war der durchsichtige Leib der edelsten Empfin-
0133dung. Wir haben in diesen Rollen siegreichere Organe und
0134geschultere Gesangskünstler gehört, aber einer so freien, harmo-
0135nischen, aus sich selbst hervorblühenden Leistung begegnen wir
0136kaum wieder.


0137Es lag etwas Räthselhaftes in Ander’s Gewalt über
0138das Publicum. Weder seine Stimme, noch weniger deren
0139technische Ausbildung waren von ungewöhnlichem Glanz, es
0140sangen neben ihm deutsche und italienische Sänger, die ihn in
0141beiden Stücken entschieden überragten. Und dennoch wußte
0142Ander in einer Weise zu rühren und zu fesseln, wie es keinem
0143seiner Rivalen in Wien gelang. Das Seelenhafte im
0144Klang seiner Stimme, stets ausströmend in edlem, schönem
0145Ausdruck und überall getragen von echt dramatischem, lebens-
0146wahrem Spiel, erklärt diese Gewalt.


0147Ander’s schauspielerische Begabung verlieh ihm ein
0148außerordentliches Uebergewicht über die meisten seiner Rivalen
0149und Collegen. Er war als Darsteller so wenig wie als Sän-
0150ger der Mann der überraschenden, schlaghaften Effecte, der
0151ausgeklügelten Pointen, der raffinirten Contraste; sein Spiel
0152lebte, ohne zu falscher Selbstständigkeit sich vorzudrängen, in
0153charaktervoller, harmonischer Einheit mit und in dem Gesang.
0154Stets war es ein wirklicher Charakter, den er mit sicherem
0155Blick erfaßte und in fein gezeichnetem Fortschritt entwickelte.


0156Ander nahm es sehr ernst mit dem dramatischen Theil
0157seiner Aufgaben, über die Geschichte Johann’s von Leyden und
0158anderer Bühnenhelden war er informirt wie der beste Historiker.
0159Das Entscheidende in Ander’s Leistungen blieb aber stets das
0160Harmonische, Edle des Gesammteindrucks, die quellende Empfin-
0161dung und Liebenswürdigkeit, die ihn nie und nirgends verließ,
0162die jede Vorstellung, in der er mitgewirkt, sofort adelte und
0163ihn ganz eigentlich als den Poeten unter unsern Sängern hin-
0164gestellt hat.


0165Im Jahre 1853 traf Ander’s Gesundheit der erste Stoß:
0166ein durch allzugroße Anstrengung und Aufregung hervorgerufe-
0167ner Blutsturz. Eine berühmte medicinische Autorität in Wien,
0168deren Todesurtheile zum Glück nicht immer tödtlich sind, machte
0169für alle Zukunft das Kreuz über Ander’s Stimme. Demun-
0170geachtet trat Ander nach mehrmonatlicher Krankheit unter un-
0171endlichem Jubel als Lyonel in der „Martha" wieder auf.
0172Der „Markt zu Richmond“ war vom Publicum in einen förm-
0173lichen Blumenmarkt verwandelt, und das Tischchen, an dem
0174Ander mit Staudigl saß, bog sich unter der Last von
0175Kränzen und Blumensträußen. Ander’s Stimme hatte in der 
0176mittleren und tiefen Lage kaum gelitten, nur die Höhe zeigte
0177nicht mehr ganz die frühere Kraft und Leichtigkeit, eine Ein-
0178buße, die im Laufe der folgenden Jahre noch merklicher her-
0179vortrat. Die zweite Hälfte der Fünfziger-Jahre zierten noch
0180eine Reihe der schönsten Leitungen Ander’s. Ja eine seiner
0181berühmtesten und bedeutendsten Gestalten fällt in diese Zeit:
0182Wagner’s „Lohengrin,“ eine Leistung, die für die glänzende
0183Aufnahme der Oper entscheidend war und in gewissem Sinn
0184Ander’s „Propheten“-Ruhm in einer schönen Nachblüthe wieder-
0185holte. Von da an wurden leider die Unterbrechungen von An
0186der’s Thätigkeit häufiger und länger. Er sang in der Saison
01871859—60 nur 37mal, in der Saison 1861—62 nur
018840mal, in der folgenden 1863—64 nur 41mal, während
0189sonst die Zahl seiner Spielabende jährlich 75 bis 80 und
0190darüber betrug. Die Theater-Direction gewährte dem Leiden-
0191den alle nur mögliche Rücksicht. Wenn dann Ander nach län-
0192gerer Schonung wieder zum erstenmal auftrat (als Pylades,
0193als Florestan, zuletzt als Arnold), so war des Jubels kein
0194Ende, und niemals wird er an dem Benehmen des Wiener
0195Publicums wahrgenommen haben, daß die Zeit seiner Blüthe
0196hinter ihm lag. „Der Ander ohne Stimme ist uns noch
0197immer lieber als die Anderen mit Stimme,“ lautete ein Wort,
0198das man bis in die allerletzte Zeit hundertfältig im Publicum
0199hören und in den Tagesblättern lesen konnte. In den letzten
0200Jahren brachte Ander noch an neuen Rollen: „Tannhäuser,“
0201den Herzog in „Rigoletto“ (1860), Janko, in den „Kindern
0202der Haide“ (1861), „Faust“ von Gounod (1862), endlich
0203den Franz Baldung in den „Rhein-Nixen“ (1864), die letzte
0204und wohl undankbarste seiner Rollen. Zu Anfang des laufen-
0205den Jahres schien Ander leidlich gekräftigt, nach Ablauf der
0206Sommerferien fühlte er sich aber unfähig, zu singen, und mußte
0207seinen Urlaub immer von neuem verlängern lassen. Seine
0208Stimme war ihm nicht mehr zu Willen und sein Nervenleben
0209so aufgeregt, daß ihn vor jedem Auftreten ein heftiges Fieber
0210schüttelte. Mehrmals geschah es, daß Ander, völlig angekleidet,
0211im entscheidenden Moment nicht vor die Lampen treten wollte
0212und der Regisseur ihn förmlich auf die Scene hinausführen
0213mußte. Sein Zustand beschäftigte ihn auf das peinlichste, jede
0214Viertelstunde trat er ans Clavier und probirte seine Stimme.
0215Oft suchte er sich selbsttäuschend Muth zu machen, und wir
0216hörten ihn in der letzten Zeit gar häufig versichern, er fühle
0217sich besser bei Stimme, als je zuvor.


0218Die böse, nicht ruhende Ueberzeugung vom Gegentheil kam
0219dann nur umso heftiger in ihm zu Worte. Gegen seinen Freund 
0220und Schwager E. Ranzoni (dem wir manche dieser Mit-
0221theilungen verdanken) äußerte er wörtlich: „Ich verstehe mich
0222selbst nicht mehr. Sonst trat ich stets mit Begeisterung auf
0223die Bühne, jetzt bin ich empfindungslos, und die Kunst ist
0224mir nur mehr Geschäft. Meine Nerven sind krank und des-
0225halb werde ich nicht lange mehr singen.“ Daß er aber nicht
0226leben könne, ohne zu singen, fühlte Ander klar und äußerte es
0227mehr als einmal. Ranzoni sah den traurigen Ausgang un-
0228abwendbar und prophezeite ihn mit dem treffenden Worte:
0229Wenn dies Gefäß zu klingen aufhört, zerspringt es. Die tiefe
0230Verstimmung, die Ander’s näheren Freunde seit zwei Jahren
0231an ihm bemerkten, war nicht blos durch physische Störungen
0232veranlaßt, sondern ebensosehr durch anhaltende Gemüthaufre-
0233gungen, welche mit der Kunst nichts zu schaffen hatten. In
0234diesen letzten zwei Jahren seines Lebens hat Ander kein Buch mehr
0235gelesen und kein Bild mehr gemalt — Beschäftigungen, welche
0236früher einen großen Theil seiner Zeit in Anspruch genommen.
0237Die Wände seiner Zimmer hingen voll von seinen Oelgemäl
0238den, meist Landschaften, welche bei ziemlich incorrecter Zeich-
0239nung doch ein sehr glückliches Auge für Farben-Effecte ver-
0240riethen.


0241Ander’s trauriger Ausgang ist unsern Lesern in nur zu
0242lebhafter Erinnerung. Nach seinem unglücklichen letzten Aufre-
0243ten, auf welchem er mit Gewalt bestand, wurde Ander nach
0244der Wasserheilanstalt Wartenberg in Böhmen gebracht.
0245Sein Zustand erwies sich bald als hoffnungslos, grauenhaft.
0246Nacht senkte sich auf sein Bewußtsein und der rasche Tod
0247hat ihn wenigstens vor dem traurigeren Los bewahrt, das
0248Schicksal seines Freundes Staudigl zu theilen. Ander hatte
0249sich im Jahre 1857 zu Braunschweig mit der ehemaligen
0250Solotänzerin Barbara Heißler vermält; er hinterläßt neben
0251dieser treuen, sorgsamen Lebensgefährtin einen Knaben, den
0252die sprechendste Aehnlichkeit mit seinem Vater und ein unge-
0253wöhnlich früh entwickeltes musikalisches Talent den Eintritt
0254ins Leben wol freundlich ebnen werden. Ander’s bescheidenen
0255wohlwollenden Charakter und seine gebildete Sitte brauchen
0256wir kaum ausdrücklich zu rühmen — seine Liebenswürdigkeit
0257war sprichwörtlich. Die Menschen alle, die heute die schnee-
0258bedeckten Straßen entlang zu Ander’s Leichenbegängniß eilen,
0259ihm im Herzen zahllose Stunden der Freude, Rührung und
0260Erhebung dankend, werden aus Einem Munde ihm jene Nach-
0261rede weihen, die am Ende der letzte ehrendste Erfolg unserer
0262größten Rolle ist.

Fußnoten
  • *)Es war zu Anfang des Jahres 1844, als Ander mit einem
    eigenhändigen Schreiben des Polizeiministers und obersten Directors
    der k. k. Hoftheater, Graf Sedlnitzky, sich dem damaligen Ober-
    Regisseur der Oper, Herrn Leo Herz, vorstellte. Letzterer war in dem
    Briefe ersucht, „den Ueberbringer hinsichtlich seiner Stimmmittel zu
    prüfen und darüber Bericht zu erstatten.“ Die Probe wurde an einem
    der folgenden Tage von Herrn Herz und dem Capellmeister Proch 
    vorgenommen. Die Stimme des schmächtigen jungen Mannes erwies
    sich als ungeschult, aber frisch und bildungsfähig, und der an Grafen
    Sedlnitzky erstattete Bericht lautet für Ander günstig. Graf Sedlnitzky,
    der Intendant und allmächtige Polizei-Präsident, wünschte nun,
    Balocchino, der Pächter des Hofoperntheaters, möchte Ander, der
    damals seine Existenz als Magistratsdiurnist mit 40 Kreuzern täglich
    fristete, mit einer, sei es noch so geringen Gage, engagiren. Balocchino 
    erwiderte, er bedürfe keines Tenoristen. Vergebens ließ ihn der Graf
    wiederholt ersuchen und bitten, er möchte dem jungen Mann nur die
    Gage eines Choristen zukommen lassen, um ihm seine Ausbildung
    zu erleichtern. Alles umsonst. — Balocchino, auf sein contracliches
    Recht gestützt, blieb unbeugsam und wollte endlich auch dem letzten
    Ersuchen sich nicht fügen, daß Ander eine zeitlang unentgeltlich im
    Chor mitwirke, um sich einige Bühnenroutine zu verschaffen!