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Neue Freie Presse
Morgenblatt
No. 360. Wien, Mittwoch den 30. August 1865

[1]

Die Tonkünstler-Societät.

(Ein Blatt aus der älteren Musikgeschichte Wiens.)


0003Wenn man den Hof des „Schönbrunnerhauses“ unter
0004den Tuchlauben durchschreitet und auf der Wendeltreppe
0005so lange hinansteigt, bis man zehnmal den Athem verliert,
0006erreicht man, ich weiß nicht wie viel Fuß über der Meeres-
0007fläche, eine Thür, welche die Aufschrift: „Archiv und Kanzlei
0008des Haydn“ trägt. Hier befinden sich in einem freund-
0009lichen netten Zimmer die Actenstücke, Geschäftsprotokolle,
0010Verrechnungsbücher und Concertzettel der alten, im Jahre
00111862 unter dem Namen „Haydn“ reorganisirten „Ton-
0012künstler-Societät
“. Durch die dankenswerthe Sorgfalt
0013des Archivars Herrn Lebitschnig befinden sich diese statt-
0014lichen Papierstöße in einer Ordnung, welche wir mancher
0015berühmteren und besser dotirten Bibliothek wünschen würden.
0016Wen ein ernstes historisches Interesse leitet, der wird einige
0017in diesem Archiv zugebrachte Vormittage nicht bereuen. Fin-
0018den wir doch in der Geschichte des Wiener Concertwesens
0019erst seit der Gründung der „Tonkünstler-Societät“ festen
0020Boden. Diese Gründung fällt bekanntlich in das Jahr 1771 
0021und ist das Werk des wackeren Hofcapellmeisters Florian
0022Gaßmann
, welcher damit für die Unterstützung der Witwen
0023und Waisen von Wiener Musikern dauernde Vorsorge treffen
0024wollte. Außer den jährlichen Einzahlungen der Mitglieder
0025bildete bekanntlich der Ertrag von vier jährlichen Akademien
0026— zwei im Advent, zwei zur Fastenzeit — allmälig das
0027Kapital dieses Pensionsvereins. Als erstes regelmäßiges und
0028stabiles Concert-Institut in Wien hat dieser Verein im vori-
0029gen Jahrhundert und bis in das zweite Decennium des gegen-
0030wärtigen eine musikalische Rolle gespielt, von deren Ansehen 
0031und Bedeutung wir jüngeren Besucher der Burgtheater-Aka-
0032demien uns schwer eine Vorstellung machen können.*)


0053Es kann ebensowenig meine Absicht sein, hier die Ge-
0054schichte der Tonkünstler-Societät zu skizziren, als überhaupt
0055in einem Feuilleton das Ergebniß historischer Forschungen
0056ausführlich und zusammenhängend mitzutheilen. Dies soll an
0057geeigneterem Ort und in anderer Form versucht werden.
0058Einzelne Wahrnehmungen und Thatsachen jedoch scheinen mir
0059interessant genug, um auch einen größeren musikfreundlichen
0060Leserkreis anzuziehen, umsomehr, als sie auf actenmäßiger
0061Grundlage hier zum erstenmale mitgetheilt werden.


0062Die „Tonkünstler-Societät“ ist diejenige Gestaltung in
0063unserem öffentlichen Musikleben, von welcher noch einige
0064Fäden zum Mittelalter zurückführen. Fürs erste durch ihre
0065directe Unterordnung und Verbindung mit dem uralten 
0066Spiel- und Musikgrafenamt — der Protector und
0067erste Präses der Tonkünstler-Societät war stets der jeweilige
0068Hofmusikgraf — sodann durch einen gewissen Zusammenhang
0069mit der mittelalterlichen Institution der „geistlichen Bru-
0070derschaften
“.


0071Unter den vielen frommen Verbindungen, welche als
0072„Bruderschaften“ und „Erzbruderschaften“ auch die Andacht
0073zunftmäßig betrieben, befanden sich in Wien zwei musi-
0074kalische
: „Die Bruderschaft der Musiker unter dem Schutz
0075des heiligen Niclas“ in der St. Michaels-Pfarrkirche und
0076die „Bruderschaft der Tonkünstler unter dem Schutz der
0077heiligen Cäcilia“ bei St. Stephan. Die erstgenannte
0078repräsentirt geradezu die musikalische Zunft, das mittelalter-
0079liche „Privilegium“. Die Musikanten von Wien hatten sie
0080im Jahre 1288 errichtet; um in Noth und Drängniß auch
0081einen weltlichen Schutzherrn zu haben, wählten sie 1354 den
0082Ritter v. Eberstorff, obersten Erbkämmerer von Nieder-
0083österreich, zu ihrem Vogt, welcher in dieser Eigenschaft das
0084„Oberste Spielgrafenamt über die Musikanten“ errichtet hat.
0085Alle Musiker des Erzherzogthums, welche ihre Kunst für Geld
0086betrieben, mußten sich in die Zeche und Bruderschaft des hei-
0087ligen Niclas einkaufen und einschreiben lassen und standen
0088unter dem Spielgrafenamt zu Wien.


0089Die „Cäcilien-Bruderschaft“ der Musiker, 1725 
0090errichtet, war die modernere und vornehmere Congregation.
0091Sie bietet in ihrer Zusammensetzung und Verwaltung einige
0092auffallende Analogien mit der „Tonkünstler-Societät“. Die
0093Mitglieder der „Cäcilien Congregation“ wählten sich zu ihrem
0094„Oberhaupt“ den Prinzen Ludwig Pius von Savoyen,
0095als damaligen „Vorsteher der kaiserlichen Musik
0096und „verhofften sich, daß alle seine Nachfolger die Last dieser
0097Vorstehung auf sich zu nehmen nicht entgegen sein werden“.
0098Die Statuten der Congregation enthalten ferner „die Be[2]-
0099dingnis, daß die Officianten allezeit von dem corpo der
0100Kaiserlichen Musik als die Fundamental-Personen der
0101Congregation genommen werden“. An der Spitze dieser Offi-
0102cianten finden wir demnach als immerwährende Decane 
0103den Hofcapellmeister Johann Joseph Fux und den Vice-Hof-
0104capellmeister Antonio Caldara. Also genau das Verhältniß
0105wie bei der „Tonkünstler-Societät“, deren Protector gleich-
0106falls der jedesmalige Vorsteher der kaiserlichen Musik (Hof-
0107musikgraf) und deren Präses oder Vice-Präses der erste Hof-
0108capellmeister war. Neben diesen „beständigen Officianten“
0109hatte die Bruderschaft solche, die alle zwei Jahre neu zu
0110wählen waren; diese Functionäre entsprechen ungefähr den
0111„Assessoren“ der „Tonkünstler-Societät“, und wir begegnen
0112unter jenen, genau wie später unter diesen, den vornehmsten
0113Namen der Hofcapelle: Francesco Conti, Joseph Porsile,
0114P. Cassati, Gottlieb Muffat u. s. w. Die verhältniß-
0115mäßig große Zahl italienischer Namen, sowie der Um-
0116stand, daß die Statuten gleichzeitig in deutscher und italie-
0117nischer
Sprache erschienen, ist bezeichnend für die höhere
0118vornehme Schicht des Musikerthums, auf welche die -
0119cilia-Congregation berechnet war; sie gilt der eigentlichen
0120Kunstmusik, Hochmusik, während die Niclas-Bruderschaft
0121das große demokratische Heer der eigentlichen „Musikanten
0122vereinigte.


0123Mag man ihn nur stärker oder schwächer finden, sicht-
0124bar scheint mir der historische Faden jedenfalls zu sein, der
0125sich aus jenen musikalischen Congregationen zu unserer ehr-
0126würdigen „Tonkünstler-Societät“ herüberzieht. Niemandem wird
0127es beifallen, ein Institut wie die Tonkünstler-Societät mit
0128jenen Bruderschaften in Eine Kategorie zu werfen oder ein
0129unmittelbares Hervorgehen der ersteren aus den letzteren zu
0130behaupten. Allein so viel darf man, ohne der Geschichte Ge-
0131walt anzuthun, wol aussprechen, daß in der Tonkünstler-
0132Societät Reminiscenzen an eine und die andere Seite jener
0133 Corporation anfingen. Die musikalische Wirksamkeit der
0134beiden „Bruderschaften“ trat jedenfalls nicht in den Vorder-
0135grund, sie stand unter dem frommen Zweck. Aber bemerkens-
0136werth erscheint in beiden Bruderschaften die corporative 
0137Vereinigung der Musiker als Stand; bei St. Niclas in
0138Zunftzwang und Handwerks-Disciplin, bei St. Cäcilia in
0139freiem Zusammentreten der Wiener Tonkünstler zu gottge-
0140fällig musikalischen und nebenbei humanen Zwecken. Die
0141„Tonkünstler-Societät“ ist beiden dadurch verwandt, daß auch
0142in ihr die Musiker Wiens als Corporation auftreten und in
0143der Organisation derselben sich an das Vorbild der frommen
0144Congregation halten.


0145Die „Tonkünstler-Societät“ ist übrigens nicht blos in
0146diesem allgemein culturhistorischen, sie ist auch thatsächlich im
0147civilrechtlichen Sinn Erbe der alten Musiker-Congregation
0148geworden. Als nämlich unter Kaiser Joseph (30. Juni 1783)
0149die in Wien an verschiedenen Kirchen bestandenen Bruder-
0150schaften und Erz-Brüderschaften aufgehoben und verboten
0151wurden, richtete die „Tonkünstler-Societät“ ein Gesuch an den
0152Kaiser um Ueberlassung des Fonds der „Cäcilien-Congre-
0153gation“ bei St. Stephan, der ihr auch wirklich (im Betrage
0154von 7450 fl.) eingeantwortet wurde.


0155So sehen wir die Tonkünstler-Societät gleichsam noch
0156im letzten Nachglanze des älteren Zunft- und Privilegien-
0157wesens stehend. In der That fühlte sie sich gern als Corpo-
0158ration und hatte in ihrer ersten Zeit ein zunftmäßiges Ge-
0159schmäckchen. Bei der Würdigung von Componisten pflegte
0160sie offen oder stillschweigend zu unterscheiden, ob dieselben
0161Mitglieder der Societät seien oder nicht, und nahm gegen
0162Außerhalbstehende oder um Aufnahme Ansuchende häufig eine
0163gönnerhafte exclusive Miene an. Patrotische Ereignisse oder
0164große musikalische Erscheinungen, die nicht unmittelbar mit 
0165den Societäts-Interessen zusammenhingen, kümmerten sie
0166nichts. Die im Archiv dieser Gesellschaft aufbewahrten
0167Sitzungsprotokolle (das älteste noch vorfindliche ist vom Jahre
01681781) wissen manch charakteristisches Geschichtchen davon zu
0169erzählen.


0170Gluck war gestorben. Salieri, sein begeisterter
0171Schüler, damals Präses der Societät, beeilte sich, nur mit
0172Beiziehung des „Ausschusses“ dem großen Manne ein Requiem
0173auf Kosten der Societät zu veranstalten. Obwol er sich noch
0174ausdrücklich auf eine mündliche Aeußerung des Kaisers berief,
0175welcher aus Anlaß dieses Sterbefalles zu Salieri bemerkte:
0176„Da wird sich wol die Tonkünstler-Societät auszeichnen,“
0177wurde diese musikalische Huldigung dennoch „von vernünf-
0178tigen Mitgliedern sehr gerügt
, indem Gluck nie
0179etwas für die Societät gethan, nicht einmal Mitglied ge
0180wesen war.“**)


0184Als im selben Jahre (1788) der Hofcapellmeister
0185Bonno starb, welcher durch vierzehn Jahre Präses der So-
0186cietät gewesen, beantragte sein Amtsnachfolger Salieri gleich-
0187falls, das Andenken dieses wackern Künstlers durch ein feier-
0188liches Requiem zu ehren. Der Vorschlag wurde „der Conse-
0189quenzen wegen“ abgelehnt.


0190Nicht blos die verstorbenen, auch die lebenden Meister
0191mußten mitunter den zünftigen Hochmuth der Societät erfah-
0192ren. Joseph Haydn hatte bald nach Errichtung der Societät
0193um die Aufnahme angesucht, d. h. er wollte gegen den statu-
0194tenmäßigen Geldbetrag, wie jedes andere Mitglied, für die
0195Zukunft seiner Frau sorgen. Ueberdies hatte er die Cantate
0196Il ritorno di Tobia“ geschrieben und — gleichsam als [3]
0197künstlerisches Einkaufsgeld — der Societät für ihre Akade-
0198mien angetragen. Die Gesellschaft knüpfte aber die Aufnahme
0199Haydnʼs außerdem an die ebenso willkürliche als unbescheidene
0200Forderung, Haydn müßte sich verpflichten, auf jedesmaliges
0201Verlangen für die Akademien der Gesellschaft Cantaten und
0202Symphonien zu componiren. Auf den Wunsch des hierüber
0203aufgebrachten Fürsten Eszterhazy zog Haydn sein Gesuch zu-
0204rück. Im Jahre 1781 wünschte die Societät, Haydnʼs Ora-
0205torium: „Il ritorno di Tobia“ aufzuführen, und ersuchte
0206den Componisten, Aenderungen und Kürzungen in der Par-
0207titur vorzunehmen. Haydn erwiderte, „daß, wenn ihm die
0208Societät Benefice-Billeten oder eine andere Bonification für
0209seine Mühe und Spesen versichern würde, er sowol die Sym-
0210phonien als Chori abzukürzen und auch die Proben und Pro-
0211ductionen selbst zu dirigiren übernehmen wollte, indem er sich
0212schmeichelt, daß die Societät seiner großen Bekanntschaften
0213und allgemeinen guten Rufes wegen schon um 100 Ducaten
0214mehr einnehmen könnte.“


0215Anstatt sich durch diesen Antrag geehrt zu fühlen, beschloß
0216die Societät in ihrer Sitzung vom 25. October 1781, „die-
0217sen Prätensionen wegen künftiger Folgen durch
0218die Auswahl eines anderen Oratorii auszu-
0219weichen
.“


0220Wirklich lehnte man Haydnʼs Anerbieten ab und gab
0221anstatt des projectirten „Tobia“ das Oratorium „Elena“
0222von Hasse.


0223Es verging ein Decennium. Die Societät machte mit
0224den Symphonien und Cantanten Haydnʼs die besten Geschäfte,
0225Haydnʼs Musik herrschte in jedem Hause, in jedem Concert-
0226saal, endlich kam der Meister selbst ruhmgekrönt von seinem
0227englischen Triumphzuge zurück, in den Augen seiner Lands-
0228leute um noch einmal so groß. Er dirigirte bereitwillig seine
0229Londoner Symphonien in der Societäts-Akademie zu Weih-
0230nachten 1793. Da empfand es denn endlich auch die Ton-
0231künstler-Societät als eine sich selbst angethane schwere Züch-
0232tigung, daß sie Haydn so respectlos begegnet war, und wünschte
0233diesen Makel nach Möglichkeit und in demonstrativer Form
0234zu tilgen.


0235Ueber Antrag des Secretärs Paul Wranizky beschloß
0236die Societät die unentgeltliche Aufnahme Haydnʼs,
0237um einestheils (wie das Protokoll sagt) „die Insolenzen, die
0238ihm früher von der Instituts-Verwaltung angethan wurden,
0239wieder gutzumachen, anderseits ihm für die durch seine
0240Compositionen der Societät erwiesenen Wohlthaten zu danken“.
0241Es wurde am 11. December 1797 eine feierliche Sitzung
0242veranstaltet, welcher ausnahmsweise der Protector Graf Kuef
0243stein selbst als Vorsitzender und Graf Eszterhazy als Gast
0244beiwohnte. Haydn wurde in den Sessionssaal geführt, mit
0245Vivatrufen begrüßt und nach einer vom Secretär gehaltenen
0246Anrede unter freudiger Acclamation zum „Assessor senior
0247der Gesellschaft ausgerufen.


0248Wie großartig Haydn, dessen größte Thaten, „Schöpfung“
0249und „Jahreszeiten“, noch bevorstanden, der Societät diese
0250Assessorwürde lohnte, ist männiglich bekannt.


0251Leider war der kastenmäßige Dünkel der Societät damit
0252noch keineswegs erloschen. Wir wollen nicht bei der Eng-
0253herzigkeit verweilen, mit welcher die Societät im Jahre 1813 
0254inmitten des allgemeinsten patriotischen Enthusiasmus den
0255Antrag, eine Akademie zum Besten der verwundeten öster-
0256reichischen Krieger zu geben, verwarf. Vielleicht konnte sie
0257nicht vergessen, daß ihr erster und einziger Versuch einer poli-
0258tischen Aeußerung, nämlich die beabsichtigte Aufführung einer
0259Friedenssymphonie“ von Wranizky, durch a. h. Ent-
0260schließung des Kaisers vom 20. December 1797 verboten 
0261worden war.


0262Aber zwei Facta aus neuerer Zeit müssen wir mit tie-
0263fer Beschämung noch mittheilen. In der Sitzung vom
026427. Mai 1830 wird dem Joseph Lanner die Aufnahme
0265die Societät versagt, „weil er bei der Tanzmusik
0266ist
“! Während man die obscursten Orchester-Mitglieder mit
0267Vergnügen in die Societät aufnahm, wies man einem Com-
0268ponisten von dem glänzenden Talent und der beneidenswerthen
0269Popularität Lannerʼs die Thür. Der echte Zunftgeist und
0270Corporations-Dünkel! Die zweite Geschichte ist nicht minder
0271schmerzlich. Felix Mendelssohn hatte zugesagt, die erste
0272Aufführung seines „Paulus“ in Wien am 7. und 10. No-
0273vember 1839 selbst zu dirigiren. Er erbot sich bei diesem
0274Anlaß (durch die Gesellschaft der Musikfreunde, am 14. No-
0275vember ein Concert zum Besten der Tonkünstler-
0276Societät zu geben
, worin er einige neue Compositionen
0277zur Aufführung bringen und selbst als Clavier-Virtuose auf-
0278treten wollte. Die Societät sollte das Concert besorgen und
0279den ganzen Reinertrag erhalten. Dieses ebenso großmüthige
0280als schmeichelhafte Anerbieten wurde „aus verschiedenen Grün-
0281den“ abgelehnt! Man traut seinen Augen nicht, wenn man
0282dies Sitzungsprotokoll vom 11. September 1839 liest! Die
0283ehrwürdige Tonkünstler-Societät schien eben nur bares Geld
0284annehmen zu wollen, wie z. B. die 1200 fl., welche Thal-
0285berg
ihr im October 1845 (als Ertrag eines Concertes)
0286schenkte. Daß aber ein Concert von Mendelssohn so
0287gut sei wie bares Geld und sein Name so wohlingend als
0288der Thalbergʼs, davon hatten die Herren Hof- und Vice-
0289Hofcapellmeister offenbar keine Ahnung. Aus allen diesen
0290Thatsachen spricht äußerst charakteristisch ein Nachhall ererbten
0291Zunft- und Privilegien-Geistes. Da er in dem gegenwärtigen
0292Institut des „Haydn“, wie allgemein bekannt, seit lange voll-
0293ständig verschwunden ist, so waltete kein Bedenken ob, jene
0294historischen Charakterzüge aus vergangener Zeit hier mitzu-
0295theilen.
0296Dr. Eduard Hanslick.

Fußnoten
  • *)

    Die Akademien der Tonkunstler-Societät fanden ursprünglich
    (von 1772 bis 1783) im Kärntnerthor-Theater statt. Ihre
    Uebertragung in das musikalisch weit ungünstigere Burgtheater 
    geschah auf Wunsch der Societät. „Nachdem sich,“ so heißt es in
    deren Sitzungsprotokoll vom 15. Februar 1783, „bei dem Kärntner-
    thor-Theater so verschiedene unausweichliche Unbequemlichkeiten, als
    Rauch, Kälte, übler Geruch, für das Publicum äußern und zu be-
    fürchten ist, daß der Concours dahin immer mehr abnehme, so wäre
    bei Sr. Majestät die Erlaubniß, die Societäts-Musiken im Natio-
    nal-Theater
    in Hinkunft allezeit abhalten zu können, bittlich
    anzusuchen.“

    Salieri wurde mit Ueberreichung der Bittschrift beauftragt,
    welche den gewünschten Erfolg hatte und leider noch immer (1865)
    geltend macht. Wir benützen diesen Anlaß, die Direction des „Haydn“
    abermals auf die dringende Nothwendigkeit aufmerksam zu ma-
    chen, das Burgtheater mit einem passenderen Local zu vertauschen.
    Die oberste Hoftheater-Direction dürfte gegen die Rückkehr der Socie-
    täts-Concerte in das Kärntnerthor-Theater jetzt gewiß eben so wenig
    einzuwenden finden, als im Jahre 1783 gegen die Einräumung des
    Burgtheaters.

  • **)Das feierliche Requiem für Gluck fand am 8. April 1788 
    in der Pfarrkirche „am Hof“ statt; es wurde unter Salieriʼs Leitung
    Gluckʼs „De profundis“ und ein Requiem von Jomelli aufgeführt.