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Neue Freie Presse
Morgenblatt
No. 451. Wien, Mittwoch den 29. November 1865

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Die Ullman’schen Concerte und Carlotta Patti.


0002Ed. H. So wären denn auch bei uns die berühmten
0003Ullman’schen Wanderconcerte ins Leben getreten. Außer ihrem
0004Leitstern, Carlotta Patti, und den ihm folgenden heiligen
0005drei Königen der Instrumental-Virtuosität, Vieuxtemps,
0006Piatti und Jaëll, interessirt uns noch die ganze Form
0007dieser Unternehmung an sich. Sie ist etwas durchaus Neues
0008und Fremdartiges. Durch ihren eminent geschäftlichen, also
0009ungemüthlichen Charakter und das große Geräusch, mit dem
0010sie allerorten einzieht, hat Herrn Ullman’s Concertgesell-
0011schaft sich in Deutschland zahlreiche Gegner gemacht. Auch
0012hier hörten wir sie täglich mit den Schlagworten „Schwindel“
0013und „Humbug“ von vornherein und ungehört verdammen.
0014Die Sache ist wol werth, ruhiger betrachtet zu werden. Wir
0015glauben, daß man über Schwindel und Humbug nur dort
0016klagen kann, wo eine Täuschung, eine Uebervortheilung des
0017Publicums stattfindet. Dann sind Ullman’s Concerte alles
0018Andere eher, als ein Schwindel. Ist uns doch nirgends ein
0019Concert-Unternehmen vorgekommen, das dem Publicum für
0020so geringes Geld eine solche Serie glänzender Namen und
0021Leistungen geboten hätte. An Einem Abend genießen wir die
0022vereinten Kunstleistungen von vier bis fünf Virtuosen euro-
0023päischen Rufes, welche einzeln zu hören das Publicum sich
0024sonst glücklich genug schätzte; an ihrer Spitze eine neue glän-
0025zende Berühmtheit, welche von Director Hye in London für
0026eine einzige Concertsaison die Kleinigkeit von 3000 Guineen
0027erhält. Wenn Herr Ullman uns diesen Reiz und jene Treff-
0028lichkeit durch verdoppelte und verdreifachte Eintrittspreise ent-
0029gelten ließe, dann könnte man — noch immer nicht von
0030Schwindel sprechen, höchstens von einer Ausnützung des Pu-
0031blicums. Nun hört aber das Publicum bei Herrn Ullman 
0032die ganze illustre Künstlergesellschaft um den gewöhnlichen, 
0033einfachen Preis, den auch der mittelmäßigste Concertgeber
0034für seine Person hier prätendirt. In diesem Zusammen-
0035wirken auserlesener Künstler liegt aber noch ein eigener, ein
0036höherer Reiz, als dieser blos finanzielle. So oft noch zwei
0037berühmte Virtuosen gleichzeitig in Wien concertirten, vernahm
0038man auf Schritt und Tritt den Wunsch: Würden doch ein-
0039mal Beide zusammenspielen! In den seltenen Fällen, daß
0040dies ausnahmsweise geschah, und Liszt mit Ernst, Clara
0041Schumann mit Jenny Lind, Vieuxtemps mit Dreyschock aus
0042Collegialität oder zu wohlthätigen Zwecken einmal ein Duo
0043ausführten, wurde der Saal förmlich gestürmt. Der Grund,
0044weßhalb sich trotzdem niemals zwei Virtuosen zu gemeinsamen
0045Concertreisen verbanden, war: ihr Stolz. Wer mochte Gold
0046und Beifall mit einem Nebenbuhler theilen? Eine Folge die-
0047ser Isolirung war, daß man bei jedem Concert eines be-
0048rühmten Virtuosen stets eine Anzahl sogenannter Zwischen- 
0049oder Ausfüllnummern in den Kauf bekam, welche durch ihre
0050Mittelmäßigkeit gehörig abstechen mußten. Dieses von den
0051Concertgebern so schwer zu beschaffende und von den Hörern
0052so wenig geachtete Füllwerk ist in Ullman’s Concerten
0053gänzlich beseitigt, da jede Nummer von einem ausgezeichneten
0054Künstler ausgeführt wird, so daß wenigstens die gleich vor-
0055treffliche Exequirung aller Musikstücke eine gewisse Har-
0056monie über das etwas bunte Programm breitet. Die Associa-
0057tion berühmter Virtuosen hat ihre Zukunft; die „Gesammt-
0058gastspiele“ namhafter Schauspieler sind eine analoge moderne
0059Erscheinung.


0060Ein Umstand, der viele Musikfreunde gegen die Ull-
0061man’sche Unternehmung einnimmt, ist die eigenthümliche Haft
0062des Erwerbes, das schnelle Reisetempo, in dem die Gesellschaft
0063Deutschland nach allen Richtungen überzieht, in einem Monat
0064mehr Concerte gebend, als früher ein Virtuose in der ganzen
0065Saison. Das hat allerdings wenig Gemüthliches und mög-
0066licherweise viel Unangenehmes — für die Künstler. Bleiben
0067wir aber beim Publicum. Was verliert dieses durch den 
0068Umstand, daß die Künstler, welche es heute entzücken, vor
0069wenig Tagen noch in Berlin oder München concertirt haben
0070und bereits für die nächste Woche in Graz oder Pest ange-
0071kündigt sind? Das sind heutzutage Spazierfahrten, vor wenig
0072Decennien waren es Reisen. Wenn wir in der Jugend-
0073geschichte, der patriarchalischen eisenbahnlosen, des Virtuo-
0074senthums blättern und die unaufhörlichen weiten Reisen eines
0075Lolly, Tarnovich, Steibelt, später noch eines Hummel 
0076und Paganini bedenken, so werden wir kaum zweifelhaft
0077sein, wer um des Concertirens willen mehr Reiseplagen er-
0078duldet habe, die Alten oder die Jungen.


0079Aber die entsetzlichen Reclamen dieses Herrn Ullman!
0080Auch damit ist’s nicht so arg. Wir haben bis jetzt in den
0081Wiener Blättern zwar eine Unmasse Anzeigen und Inserate
0082des Herrn Ullman, aber keine einzige unbescheidene Anprei-
0083sung seiner Künstler angetroffen. Herr Ullman braucht, um
0084auch nur seine Kosten zu decken, ein außerordentlich großes
0085Publicum, und ein solches läßt sich ohne zahlreiche und auf-
0086fallende Annoncen nicht herbeilocken. Eine für Concertzwecke
0087bisher unerhörte Benützung der Publicität ist noch immer
0088keine „Reclame“ im tadelnden Sinn. Wir wollen dies gar
0089nicht der Tugend des schlauen Impresario zugute schreiben,
0090offenbar kennt er Deutschland hinlänglich, um zu wissen, daß
0091man mit englischen und amerikanischen Puffs die Meinung
0092des Publicums und der Kritik in Wien, Berlin, München 
0093nicht gewinnt, vielmehr sich sie entfremdet. Von Ullman’s
0094sogenannten Reclamen kennen wir blos eine in Berlin ge-
0095druckte Broschüre von wenig Seiten: eine kleine Sammlung
0096von Recensionen über Carlotta Patti, größtentheils aus
0097der Feder bekannter und allgemein geachteter Kritiker. In
0098einigen einleitenden Worten spricht Herr Ullman den Wunsch
0099aus, der Hörer möge, um seine Erwartungen nicht getäuscht
0100zu sehen, von dieser Sängerin ja nicht Vorzüge erwarten,
0101welche ihr versagt sind. „Leidenschaftlicher Ausdruck“ sei ihr
0102fremd, sie sei „keine dramatische Sängerin“ und habe ihren [2]
0103großen Ruf „nicht durch das, was die strenge Kritik veredelte
0104Kunst nennt, wie eine Sonntag oder Jenny Lind“, son-
0105dern als eine Specialität erlangt. Das ist gewiß nichts we-
0106niger als eine freche Schönfärberei.


0107In England und Amerika, wo die öffentliche Aufmerk-
0108samkeit, gewohnt, mit Schüreifen und Thorbalken gekitzelt zu
0109werden, die gröbsten Mittel der Reclame erwartet, wo selbst
0110der Gebildete den Champagner nicht ohne Branntweinzusatz
0111mag, geschweige denn den Concertzettel — dort versteht Herr
0112Ullman allerdings stärkere Register aufzuziehen. In Amerika 
0113fand sein Erfindungsgeist das richtige Terrain; was er dort
0114Alles ausheckte, um Geld und Ruhm zu machen, erscheint
0115uns Kindern der alten Welt mitunter geradezu unglaublich.
0116Als die berühmte Sonntag, welche von Ullman nach
0117Amerika engagirt war, in Newyork eintreffen sollte, beschlossen
0118die Musiker dieser Stadt, ihr eine Serenade zu bringen.
0119Ullman erbot sich dem Comité dieser Musiker, die Serenade
0120selbst leiten und die Kosten tragen zu wollen. Er verkün-
0121digte sofort durch Inserate und Placate an den Straßenecken,
0122daß die von den Newyorker Musikern zur Begrüßung der
0123großen Sängerin vorbereitete Serenade um Mitternacht bei
0124Fackelschein mit einem Orchester von 400 Musikern und
01251000 Sängern stattfinden werde. Die Herren vom Comité
0126eröffneten ganz erschreckt Herrn Ullman, daß man in ganz
0127Newyork kaum ein Orchester von 150 Mann zusammenbrin-
0128gen könne und daß seine Annonce sie Alle der Lächerlichkeit
0129preisgebe. Ullman beschwichtigt das Comité mit der Mit-
0130theilung, er habe die sämmtlichen Orchester von Boston,
0131Baltimore und Philadelphia telegraphisch verschrieben und
0132scheue für den gedachten Zweck gar keine Unkosten. Das Re-
0133sultat dieses Manövers war, daß 200,000 Menschen, begierig,
0134dies Gratisconcert zu hören, zusammenliefen und alle Zu-
0135gänge zum Unionplatz, an welchem die Sonntag wohnte, der-
0136maßen verstopften, daß nicht einmal die 80 wirklich engagir-
0137ten Musiker sich hindurchdrängen konnten. Es entstand ein
0138fürchterliches Geschrei und Gepfeife, aber Herr Ullman hatte
0139seinen Zweck erreicht, er hatte 200,000 Menschen auf die 
0140Beine gebracht, die von der Sonntag redeten. Solche Spässe,
0141in Amerika bewundert, sind bei uns gottlob unmöglich.


0142Wie kommt es nur, wird man fragen, daß die als
0143Dame und Künstlerin so vornehme Sonntag, daß die ausge-
0144zeichnetsten Virtuosen nach ihr sich gern diesem Unternehmer
0145engagirten? Diese zweite Frage, das Verhältniß der con-
0146certirenden Künstler zu einem mit ihrem Talent speculirenden
0147Unternehmer, ist etwas bedenklicher, als die früher beleuchtete
0148über das Interesse des Publicums. Wir gestehen unverholen,
0149daß diese Art künstlerischer Leibeigenschaft uns stets einen
0150unangenehmen Eindruck gemacht hat, und daß wir diese sub-
0151jective Empfindung niemals ganz verloren haben, noch ver-
0152lieren werden. Gerade deßhalb hielten wir es eben für
0153Pflicht, die durch ihre Neuheit uns frappirende und dadurch
0154vielleicht ungerecht stimmende Erscheinung der modernen
0155Associations-Concerte möglichst unbefangen von beiden Seiten
0156zu betrachten. Fragt man die engagirten Künstler selbst, so
0157vernimmt man fast durchaus, daß sie sich dabei wohl und
0158zufrieden befinden. Sie beziehen, unabhängig von den Tages-
0159einnahmen, einen sehr namhaften fixen Gehalt und den voll-
0160ständigen Ersatz der Reisekosten. In unserer Zeit, wo die
0161Virtuosen-Concerte längst eine undankbare und mißliche
0162Speculation geworden sind, muß dem Künstler ein sicheres
0163Budget sehr willkommen sein. Es ist für den einzelnen
0164Virtuosen gar kostspielig, gegenwärtig Concerte zu geben, es
0165ist aber auch nebenbei sehr mühevoll, zeitraubend und ver-
0166drießlich, all die nothwendigen Vorbereitungen dazu selbst zu
0167treffen. „Ich würde mit Vergnügen jedes Concert dreimal
0168hinter einander spielen,“ so sagte uns mehr als Ein Virtuose,
0169„wäre ich dadurch der Mühen und Sorgen enthoben, die mir
0170das Arrangement eines einzigen verursacht.“ Diesen Wunsch
0171erfüllt die Ullman’sche Unternehmung vollständig; die Künstler
0172spielen etwas öfter als sonst, sind aber aller Sorgen ent-
0173hoben. Der Unternehmer ist ihr Reisemarschall, Secretär
0174und Bankier.


0175Die in englischem Geist und lakonischer Kürze abgefaßten
0176Contracte kommen uns Deutschen etwas seltsam vor. „Herr 
0177Vieuxtemps oder Herr Jaëll verpflichtet sich für sechs
0178Monate oder ein Jahr in Herrn Ullman’s Concerten zu
0179spielen, wo und wann es diesem zweckmäßig erscheint, gegen
0180ein monatliches Honorar von so und so viel tausend Francs
0181und Vergütung der Reisekosten.“ Fiele es Herrn Ullman 
0182ein, drei Concerte an einem Tag zu geben, so hätten Herr
0183Vieuxtemps und Herr Jaëll nicht das leiseste Recht, dagegen
0184zu protestiren. Hier muß das persönliche Vertrauen eintre-
0185ten und sich vor die gefährlichen Mündungen des Contractes
0186stellen. Der Künstler weiß eben, daß dieser nicht so scharf
0187geladen ist, und daß Herr Ullman unbillige Forderungen
0188nicht stellen wird. Er weiß überdies, daß, wenn er durch
0189Krankheit verhindert würde, an einem oder an zehn und
0190zwölf Concerten mitzuwirken, seine Gage ungeschmälert fort-
0191läuft. Vor zwei Jahren hatte Herr Ullman einen berühm-
0192ten deutschen Cellisten für drei Monate engagirt; nach den
0193ersten 14 Tagen wurde dieser durch einen Schlaganfall ge-
0194lähmt, erhielt aber trotzdem seinen Gehalt für die ganze Zeit
0195ausbezahlt. In Berlin sollen Herrn Ullman durch ein län-
0196geres Unwohlsein Carlotta Patti’s Tausende von Gulden
0197entgangen sein, der Sängerin entging kein Heller. Das sind,
0198meinen wir, für den reisenden Künstler Dinge von Werth
0199und Wichtigkeit.


0200Die Gewohnheit macht, daß wir im Bühnenwesen, ins-
0201besondere bei den italienischen Opern-Gesellschaften, dasjenige
0202kaum mehr bemerken, was uns an den Concert-Associationen
0203noch so sehr befremdet. Auch dort dasselbe Princip des ge-
0204meinschaftlichen Reisens und Producirens, der Herrschaft des
0205zahlenden Unternehmers über seine Künstler. In London 
0206verwendet der Director der italienischen Oper von Her
0207Majesty’s theatre seine Opernsänger nach Belieben in den
0208verschiedensten Städten Großbritanniens auf der Bühne und
0209im Concertsaal, und hat das Recht, ihnen jede Mitwirkung
0210in öffentlichen oder Privat-Akademien zu untersagen. Von
0211allen Kunstzweigen hat aber von jeher das musikalische Vir-
0212tuosenthum die geschäftliche Seite, die Tendenz nach Geld-
0213gewinn, am wenigsten verleugnet. Schon der alte Forkel, [3]
0214der im Allgemeinen den Concerten eine große künstlerische
0215Mission zugesteht, definirt (1783) die Virtuosen-Concerte als
0216solche, „die blos zum Gelderwerb gegeben werden“. Der
0217Virtuose reist in der Regel, um Geld zu verdienen.


0218Die musikalischen Institute, bei welchen der tiefere künst-
0219lerische Gehalt als Hauptsache, die echte Kunstpflege als
0220Selbstzweck erscheint, sind die stehenden Orchester-, Chor- und
0221Kammer-Concerte. Die Virtuosen-Concerte als solche waren es
0222niemals. Nur vereinzelte Virtuosen gab es und wird es hoffentlich
0223immer geben, welche die höchsten Ziele der Kunst verfolgen,
0224und diese werden auch künftig allein reisen. Die Ullman’schen
0225Concerte haben das leichte, glänzende Genre, die Virtuosität
0226par excellence, somit die Unterhaltung eines größeren Publi-
0227cums im Auge. Wenn sich jetzt mehr als früher die geschäft-
0228liche Tendenz des Virtuosenthums bemerkbar macht, so liegt
0229dies theils in dem allgemeinen praktischen Zug der Gegen-
0230wart, theils in den stark gesunkenen Cursen des ehemals
0231florirenden Virtuosenthums. Diese Blüthenzeit (die Liszt-
0232Thalberg’sche Epoche) währte nicht lange, noch weniger war
0233sie von Anbeginn da. Wenn wir in einer Wiener Correspon-
0234denz der Leipziger Musikzeitung vom Jahre 1803 lesen: „Die
0235Künstler haben hier einen bitteren Kampf zu bestehen; oft
0236hilft ein Theil des kunstliebenden Publicums und das Wohl-
0237wollen einiger Fürsten dem Bedrängten durch Subscription
0238aus der Klemme,“ so ist damit ein alter, langwährender
0239Zustand bezeichnet, der das ältere Virtuosenthum nicht in
0240beneidenswerthem Lichte zeigt. Zu Anfang dieses und im
0241Verlauf des vorigen Jahrhunderts mußten selbst große und
0242berühmte Künstler sich dazu bequemen, wochenlang vor ihrem
0243Auftreten in allen möglichen Soiréen zu spielen, um sich da-
0244durch Zuhörer für ihr eigenes Concert zu sichern. Dann
0245gingen sie mit den Eintrittskarten oder dem Subscriptions-
0246bogen in den Häusern der Adeligen und Reichen förmlich
0247hausieren. Dies war die Gepflogenheit der „guten, alten
0248Zeit“ — wir finden sie mühseliger und demüthigender, als
0249die Stellung von Ullman’s engagirten Künstlern, die nur an
0250die Trefflichkeit ihrer Leistungen zu denken und sonst um
0251nichts und um Niemanden sich zu kümmern haben. An die 
0252Stelle der großmüthigen Aristokraten und Bankiers ist jetzt
0253das große Publicum getreten, und alle geschäftliche Thätigkeit
0254und Berechnung concentrirt sich in der Person des Unter-
0255nehmers. Indem dieser, als Geschäftsmann von Fach, seine
0256Aufgabe überdies mit mehr Geschick und Erfolg löst, als der
0257Künstler es vermöchte, so befördert er gleichzeitig das Interesse
0258seines Geschäfts, der Virtuosen und des Publicums.


0259Dies wären etwa die Gesichtspunkte, welche für die viel
0260angefeindete Form der Associations-Concerte sprechen. Wir
0261geben sie lediglich als Thatsachen und ohne einen ungebühr-
0262lichen Nachdruck darauf zu legen; der Leser möge sie nach
0263Gefallen abwägen, allein erwägen muß sie, wer über das
0264Ganze urtheilen will. Wir erblicken in diesen Associations-
0265Concerten eine neue, interessante Culturerscheinung, die aller-
0266dings nur aus dem leidigen Geschäftsgeist der Gegenwart sich
0267herausgebildet hat, aber auch erst bei der jetzigen Vervollkomm-
0268nung des Weltverkehrs und der imposanten Masse des mo-
0269dernen Publicums möglich ward. Sie tritt mit einer Sicher-
0270heit und einem Erfolg auf, die ihren Einfluß auf die künftige
0271Gestaltung der Virtuosen-Concerte außer Zweifel setzen.


0272Nachschrift. Soeben hat das erste „Patti-Concert“
0273einen großen Erfolg errungen. Die dichtgefüllten Räume des
0274großen, vortrefflich hergerichteten Dianasaales boten einen
0275festlichen Anblick. Carlotta Patti eroberte na-
0276mentlich mit dem Schattenwalzer aus „Dinorah“ das
0277Publicum im Sturm. Noch größere Sensation erregten die
0278Lachcouplets aus Auber’sManon Lescaut“, welche die
0279Künstlerin am Schlusse zugab. Carlotta Patti steht durch
0280wunderbare Naturgaben und eine blendende, wenn auch sehr
0281einseitige Virtuosität als ein Unicum in der Gesangswelt
0282da, mit unleugbaren Mängeln nach der idealen, seelischen Seite
0283der Kunst hin, mit unerhörten Eigenthümlichkeiten in deren
0284sinnlichem Elemente. Wir müssen uns für heute mit der
0285Constatirung des großen Erfolgs begnügen, den Carlotta
0286Patti und ihre trefflichen Collegen, Vieuxtemps, Jaëll 
0287und Piatti, fanden, uns ein eingehenderes Urtheil für den
0288nächsten Bericht vorbehaltend.