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Neue Freie Presse
Morgenblatt
No. 578. Wien, Dienstag den 10. April 1866

[1]

Musik.

(„Johann von Paris“ und „Die weiße Frau“ im Harmonie-Theater. „Il Barbiere di Siviglia“, Rossini und das bevorstehende Mozart-Concert.)

 


0003Ed. H. „Da ich Herr im Hause bin, ist es mein“ —
0004so könnte mit den Worten seines Johann von Paris 
0005Boieldieu selbst ausrufen, wenn er am Leben und in
0006Kenntniß von der jüngstgebornen unserer lyrischen Bühnen,
0007dem „Harmonie-Theater“, wäre. Seit Rogerʼs Anwesen-
0008heit herrschen in diesem Hause abwechselnd „Die weiße Frau“
0009und „Johann von Paris“, mitunter sogar eine Combination
0010von Beiden. Seit Menschengedenken war Boieldieu so aus-
0011giebig in Wien nicht repräsentirt, ja, der „Johann von Paris“
0012kam unseren jüngeren Theaterfreunden wie eine Novität.
0013Würde das Hofoperntheater, das Gastspiel Fräulein Stehle’s 
0014künstlerisch verwerthend, jetzt auch noch das „Rothkäppchen“
0015geben, so hätten wir die drei bedeutendsten Opern Boiel-
0016dieuʼs
hintereinander gehört. Die Vergleichung derselben
0017böte großes Interesse, denn die Laufbahn dieses Meisters
0018zeigt uns kein bloßes Wiederholen und Stehenbleiben, son-
0019dern eine fortschreitende Entwicklung, deren hervorragendste
0020Spitzen eben jene drei Opern bezeichnen. „Johann von
0021Paris
“ (1812) war die erste Oper, mit der Boieldieu nach
0022seinem mehrjährigen russischen Aufenthalte (er hatte ihn auch
0023künstlerisch ein wenig eingefroren) sich den Parisern wieder
0024vorführte. Der Erfolg war glänzend, und bald gab es kein
0025Haus in Frankreich und Deutschland, wo nicht die „Romanze
0026vom Troubadour“ erklang. Es ist charakteristisch für Boiel-
0027dieuʼs Talent, daß es zuerst in den Salons durch einige
0028Romanzen bekannt wurde und auch den ersten theatralischen
0029Erfolg(„Ma Tante Aurore“) einer Romanze verdankt hat.*)


0046Die Romanze, diese musikalische Lieblingsform der Fran-
0047zosen, spielt in allen Opern dieses Componisten eine glänzende
0048Rolle; der ganze „Johann von Paris“ ist eine Art Romanze
0049unter den Opern. Die Wirkung, welche die Musik selbst in
0050der bedenklichen Aufführung des Harmonie-Theaters hervor-
0051brachte, bewies, daß ihre Melodien noch jugendfrisch, ihre
0052geistreichen, liebenswürdigen Züge von der Zeit noch unver-
0053wischt sind. Die Töne, welche „die weiße Frau“ so voll
0054und reich anschlägt, klingen hier schon sehr bestimmt an;
0055alle Formen sind knapper, Erfindung und Combination ein-
0056facher, der Ausdruck oberflächlicher, die Effecte schüchterner, aber
0057die Persönlichkeit des Componisten steht schon in festen, ge-
0058winnenden Contouren vor uns. Vom musikalischen Stand-
0059punkt bildet „Johann“ nur ein Präludium, ein reizendes
0060allerdings, zur „weißen Frau“. Der schwache Punkt Boiel-
0061dieuʼs, wie der französischen Musik überhaupt, nämlich der
0062Mangel an Innigkeit und Vertiefung des Gefühls, liegt im
0063Johann“ viel auffälliger als in der „weißen Frau“, deren
0064graziöses Lächeln doch manchmal vom Hauche der Empfindung
0065erwärmt wird. Das Geständniß Johannʼs mit dem folgenden
0066Liebesduett ist die erste und einzige Situation in der Oper,
0067wo nach Scherz und Intriguenspiel das Herz in seine Rechte
0068tritt, und gerade hier bleibt uns, charakteristisch genug, die
0069Musik so gut wie Alles schuldig. Auch sonst finden sich im
0070Johann“ trockene, nüchterne Stellen, mehr aufgeblasen als
0071erfüllt von galanter Ritterlichkeit und „Gloire“ — das Vor-
0072herrschen des marschartigen markirten Viervierteltacts in der
0073ganzen Partitur ist bezeichnend dafür. Das Anmuthige und
0074Geistreiche schlägt aber mit einem unwiderstehlichen Ausdruck
0075von Natürlichkeit darin vor und wird wol lange noch den
0076Sieg der kleinen Oper entscheiden.


0077Zwischen „Johann von Paris“ und der „weißen Frau“
0078liegt noch in Boieldieuʼs aufsteigender Laufbahn eine bemer-
0079kenswerthe Mittelstation: „Das Rothkäppchen“ (1819)
0080das als Stück vielleicht minder wirksam, gegen „Johann von
0081Paris“ entschiedene musikalische Fortschritte bekundet. Sechs
0082Jahre nach dem „Rothkäppchen“, dreizehn Jahre nach „Jo-
0083hann“ erschien „die weiße Frau“ (1825). Diese Jahres-
0084zahlen geben ein sprechendes Zeugniß für die prüfende Ge-
0085wissenhaftigkeit, mit welcher Boieldieu jede Oper unermüd-
0086lich feilte und umformte, eine Eigenschaft, in welcher er an
0087der Opéra Comique so ziemlich allein steht und namentlich
0088gegen seinen Rivalen Isouard und seinen Nachfolger Auber 
0089absticht. „Die weiße Frau“, die im ersten Jahre der Opéra
0090Comique eine Million Franken eintrug und vor Kurzem da-
0091selbst ihre tausendste Vorstellung erlebt hat, bildet den Höhen-
0092punkt Boieldieuʼs nicht nur, sondern wol der gesammten ko-
0093mischen Oper der Franzosen. Musikalische Typen des fran-
0094zösischen National-Charakters, zeigen Boieldieuʼs Opern ihre
0095volle Eigenthümlichkeit auch erst in den Händen franzö-
0096sischer Darsteller. Die strenge Scheidung und sorgsame
0097Herausbildung der einzelnen Genres hat in Paris für die
0098Opéra Comique einen eigenen Styl und eine Sicher-
0099heit und Feinheit der Darstellung hervorgerufen, welche
0100jetzt noch, wie vor sechzig und dreißig Jahren, die Be-
0101wunderung der Fremden erregt. Von den Größen dieses Fa-
0102ches ist bekanntlich Roger der größten eine. Seinen George
0103Brown kennen wir aus früheren, besseren Tagen; als Johann
0104von Paris war er uns neu. Die Leistung, ein ebenbürtiges
0105Seitenstück zu jener, wirkt fast noch unmittelbarer, da sie die
0106Stimme des Sängers weniger in Anspruch nimmt. Prächtig
0107paßt der fürstliche Bourgeois zu der heiteren und intelligenten
0108Individualität Rogerʼs. Es war eine volle, lebenstrotzende [2]
0109Gestalt, dabei voll Maß und Feinheit. Rogerʼs leicht gebro-
0110chenes Deutsch im Dialog schien den Effect seiner Darstellung
0111eher zu verstärken als zu stören. Von der fortwährend ange-
0112regten Vergleichung deutscher und französischer Darstellungs-
0113weise strömt überdies eine Quelle von Unterhaltung und Be-
0114lehrung. Daß die Unterschiede nicht blos im Individuum,
0115sondern wirklich im National-Charakter wurzeln, zeigt unter
0116Anderm ein hübsches, von Holtei erzähltes Erlebniß. Hol-
0117tei
mußte eines Tages Boieldieu, mit dem er in Paris 
0118viel verkehrte, Einiges aus der „Weißen Frau“ mit deutschem
0119Text vorsingen. Holtei sang im selben Zeitmaß, mit dem-
0120selben Ausdruck, wie er es so oft von den besten Sängern in
0121Berlin gehört, erregte aber durch die Verschiedenartigkeit der
0122Auffassung häufig das größte Erstaunen des Componisten, vor
0123Allem in der berühmten Melodie: „Kommʼ, o weiße Dame!“
0124Ponchard, der erste Darsteller des George Brown, nahm
0125diese Apostrophe an die weiße Frau wie ein Ungläubiger,
0126scherzend, neckend, mit Kehlspielereien durchwebt. Als nun
0127Holtei deutlich zu machen suchte, welchen Ausdruck sehnsuchts-
0128vollen und schwärmerischen Vorgefühls unsere Tenoristen in
0129diese Melodie legen, rief Boieldieu ein- über das anderemal
0130lebhaft aus: „Oh que cʼest allemand!“


0131Trotz seiner trümmerhaften Stimme bereitete Roger 
0132in den beiden komischen Opern den Besuchern des Harmonie-
0133Theaters einen wahrhaften Genuß, der nur durch den betrü-
0134benden Umstand beeinträchtigt war, daß neben Roger noch an-
0135dere Leute spielten und sangen. Bei aller Rücksicht, welche die
0136Kritik einem erst aufstrebenden Institut schuldet, muß sie doch
0137in dessen eigenem Interesse jedesmal mit dem unabwendbaren
0138Refrain schließen: So geht es nicht! In dieser Gestalt darf
0139man in Wien keine Opern bringen, auch mit Roger nicht,
0140diesem Retter und Opferlamm in Einer Person. Wenn die
0141schönsten Ensembles, wie z. B. die Licitations-Scene (wo
0142wirklich Einer den Andern überbot an Schreien und Falsch-
0143singen) zum Charivari werden, dann hat der musikalische Ge-
0144nuß trotz Roger ein Ende. Nur Fräulein Ullrichs hob sich 
0145vorteilhafter heraus, behandelte ihre kleine Stimme mit viel
0146Zierlichkeit und bewies dramatisches Talent. Letzteres zum
0147mindesten hatten wir auch von Fräulein Edelsberg erwar-
0148tet, die bei ihrem ersten Debut als jugendlicher Tambour
0149einen so hübschen Erfolg vom Zaun gebrochen hatte. Aber
0150es schien, als wollte sich ihr übereiltes Aufsteigen vom Lie-
0151derspiel zur Oper nach jeder Seite rächen, es stellte gleich-
0152mäßig den grellen Naturalismus der Sängerin außer und
0153das Talent der Schauspielerin in Frage. Die dankbare Par-
0154tie des Pagen Olivier zersplitterte wirkungslos unter Fräu-
0155lein Edelsbergʼs Händen. Bei alledem bleibt sie ein sehr
0156hübsches Mädchen, was man leider von Herrn Görlich nicht
0157sagen kann. Herr Görlich wirkt nur durch das Naturgeschenk
0158einer schwarzen, rauhen Baßstimme von etwas bärenhaftem
0159Timbre, den die Cultur nur wenig beleckte. Für Personifici-
0160rung von Tyrannen und Räubern verräth dieser Künstler
0161eine merkwürdige Anlage und Vorliebe; er hielt auch die
0162feinkomische Rolle des Seneschalls in diesem Styl. Wir mach-
0163ten uns mit dem Gedanken vertraut, das weiße Batisttuch,
0164das dieser Seneschall so consequent in der Rechten hielt,
0165werde sich unter dem Gesang in einen blutrothen Matador-
0166lappen verwandeln. Von den zwei anderen Bassisten war der
0167eine (Herr Rethwisch) meist überlaut, der andere (Herr
0168Winter) unhörbar. Ueber den Chor und das Orchester
0169schweigen wir; von ihren Leistungen darf das Theater in
0170der Wasagasse seinen harmonischen Namen nicht herleiten.


0171Ueber die italienische Vorstellung des „Barbiere di
0172Siviglia“ haben wir bereits mit wenig Zeilen, aber vielem
0173Lobe berichtet. Nachdem die virtuosen Leistungen der Artôt 
0174und Everardiʼs in dieser Oper durch eine Reihe von Jah-
0175ren bekannt und von uns auch wiederholt besprochen sind, so bleibt
0176nur wenig nachzutragen. Herr Calzolari, dessen Almaviva 
0177einen so großen und verdienten Erfolg errungen, ist in Wien 
0178eigentlich keine neue, sondern nur eine halbvergessene Erschei-
0179nung. Im Frühjahre 1845 sang der junge Parmesane hier
0180(unter Merelli) mit Beifall in „Due Foscari“, „Son-
0181nambula“, „Italiana“ und „Maria di Rohan“. Sein lan-
0182ger Aufenthalt in Petersburg, wo Calzolari seit fünfzehn
0183bis sechzehn Jahren engagirt und gefeiert ist, hat ihn ein
0184wenig außerhalb des europäischen Gesichtskreises gerückt. Cal-
0185zolari hat während dieser Zeit den Jugendschmelz seiner
0186Stimme eingebüßt, dafür aber einen außerordentlichen Erwerb
0187an Kunstfertigkeit eingetauscht. Seine Kehlengeläufigkeit, Vo-
0188calisation, Registerverbindung und Aussprache sind bewunde-
0189rungswürdig; er dürfte mit Carrion das letzte Paar der
0190strenggeschulten echten Rossini-Tenoristen bilden. An Carrion 
0191erinnert er zumeist, nur hatte dieser mehr Temperament und
0192Sinnlichkeit vor dem ernsteren, ruhigeren, mitunter trockeneren
0193Calzolari voraus. Sein Vortrag ist leicht und elegant; ob
0194er auch den Ausdruck inniger oder leidenschaftlicher Empfin-
0195dung in seiner Macht habe, müssen andere Rollen als Alma-
0196viva zeigen. Unter den Proben seiner Gesangstechnik standen
0197die Passagen der ersten Arie und der Triller auf dem hohen h
0198(in der Serenade „lo son Lindoro“) obenan; sein Spiel
0199fanden wir richtig und angemessen, von vornehmer und manch-
0200mal etwas nüchterner Gefaßtheit. Zucchini, ein guter Be-
0201kannter aus früherer Zeit, während der letzten Jahre meistens
0202am Coventgarden-Theater in London engagirt, ist der ergötz-
0203lichste Baßbuffo, dessen wir uns erinnern. Ohne Zweifel hatte
0204die Natur ausdrücklich einen Komiker beabsichtigt, als sie
0205diese übertriebene, grotesk-intelligente Physiognomie schuf. Und
0206Zucchini hat seinen Beruf wahrlich nicht verfehlt. Herrn
0207Rokitanskyʼs Baß war eine ausgiebige Stütze der En-
0208semble-Nummern, seine verwandte Gesangsmethode fügte sich
0209meist glücklich, nur mitunter zu derb, zu den übrigen Stim-
0210men. Ueber Einzelheiten ließe sich rechten, darüber z. B.,
0211daß Herr Rokitansky in der Verleumdungs-Arie die Phrase
0212„come un colpo di cannone“ ganz leise beginnt und erst
0213das letzte Wort fortissimo herauswirft. Kein Declamator
0214dürfte „Kanonenschuß“ auf diese Weise halbiren. Daß Signora
0215Scalese die kleine Rolle der Berta übernahm und sorgfäl-
0216tig durchführte, kam dem Ganzen sehr zu statten; es ist [3]
0217immer besser, das Kunstvermögen des Sängers überragt die
0218Rolle, als umgekehrt. So griff denn Alles ineinander, um die
0219Eröffnungs-Vorstellung der Italiener zu einer vorzüglichen zu
0220gestalten und im Publicum das Vorgefühl einer vergnügten
0221Reihe von Abenden zu erwecken.


0222Rossiniʼs sprudelnde Musik zum „Barbier von Se-
0223villa“ — sie ist nicht weniger als 54 Jahre alt — wirkte
0224auf das ganze Publicum so erfrischend und erheiternd, wie in
0225ihrer Jugendzeit. In wenig Tagen soll uns der geniale und
0226liebenswürdige Componist noch näher treten, unter Umstän-
0227den, die, ganz einzig in ihrer Art, den lebhaftesten Antheil in
0228Wien hervorrufen müssen.


0229Mozart soll nämlich ein Denkmal erhalten, und zwar
0230auf dem nach ihm benannten Platze der Vorstadt Wieden.
0231Der dortigen Bezirksvertretung, insbesondere ihrem thätigen
0232Vorstande, Herrn Anton Burg, gebührt das Verdienst, die
0233Errichtung des Monumentes angeregt und thatkräftig einge-
0234leitet zu haben. Die Deckung der Kosten hofft man zunächst
0235von dem großen Festconcerte, das am nächsten Sonntag zur
0236Mittagsstunde im großen Redoutensaale stattfindet. Die Zu-
0237sammestellung und Direction des Concerstes hat Herr Hof-
0238capellmeister Herbeck übernommen, durch dessen energische
0239und erfolgreiche Anstrengung dasselbe die Dimensionen eines
0240wahrhaften Musikfestes erreichen und ohne Zweifel der unver-
0241geßlichen Aufführung beim Universitäts-Jubiläum sich würdig
0242anreihen wird. Herrn Herbeck ist es gelungen, das gesammte
0243Orchester des Hofoperntheaters und das der Gesellschafts-
0244Concerte, den Singverein und den Männergesang-Verein, fer-
0245ner von deutschen Sängern Frau Dustmann, die Herren
0246Draxler, Hrabanek, Rokitansky und Panzer dafür
0247zu gewinnen. Mit echt künstlerischem Eifer haben die Zierden
0248der italienischen Oper: Artôt, Everardi und Calzolari,
0249sich unaufgefordert erboten, zu Ehren Mozartʼs mitzuwirken.
0250So bilden denn die Kräfte dieses Festconcertes ein wahres
0251Elitecorps, siegreich genug auch ohne das Hinzutreten des
0252ruhmbedeckten alten Kämpen, dessen wir noch zu gedenken 
0253haben. Rossini ist es, der sich an unserem Festconcerte be-
0254theiligt: der Gedanke an Mozart hat sein jahrelanges
0255Schweigen gebrochen. Seit Decennien unerbittlich taub ge-
0256gen alle musikalischen Ansuchen und Anerbieten, hat der
0257Maëstro auf Ersuchen des Wiener Comités zwei neue größere
0258Vocal-Compositionen: „Weihnacht“ und „Gesang der
0259Titanen
“ zur ersten und einzigen Aufführung in dem
0260Mozart-Concerte hiehergesendet. Den Werth dieses Ge-
0261schenkes erhöht noch die liebenswürdige Weise, in welcher es
0262dargebracht ist. „Ich erkläre mich stolz und glücklich,“ schreibt
0263Rossini, „eine kleine Huldigung zollen zu können dem Ge-
0264dächtnisse des wahren Titanen der Musik, Mozart, den
0265ich zu bewundern anfing als Jüngling, und der heute noch
0266mein Abgott und mein Vorbild geblieben ist! Mögen die
0267Wiener (welche mir während meines Aufenthaltes im Jahre
02681822 so überaus freundlich gewesen sind) genehmigend den
0269Beweis höchster Bewunderung empfangen, welchen ich ihrem
0270unsterblichen Mitbürger darbringe, und noch einmal Nachsicht
0271üben an meinen beiden bescheidenen Schöpfungen, welche nur
0272das Verdienst haben, von einem Greise zu kommen, der stets
0273ein Anbeter Mozartʼs gewesen ist.“


0274Außer diesen beiden Novitäten Rossiniʼs (von denen
0275weder eine Abschrift genommen, noch eine Wiederholung ver-
0276anstaltet werden darf) bringt das Festconcert: Mozartʼs 
0277C-dur-Symphonie (Jupiter), Ave verum, Arie aus „Fi-
0278garoʼs Hochzeit“ und Quintett aus „Così fan tutte“, einen
0279Männerchor von Schubert, endlich die „Egmont“-Ouverture
0280und den Festmarsch mit Chor aus den „Ruinen von Athen“
0281von Beethoven. Ein solches Zusammenwirken zu solchem
0282Zwecke darf wol ein seltenes musikalisches Ereigniß heißen.
0283Wer auch nur ahnungsweise begreift, was wir Mozart ver-
0284danken, der muß mit uns wünschen und hoffen, daß das
0285Denkmalsconcert seinen schönen Zweck reichlich fördere. Nach
0286dem rühmlichen Vorgange der Künstlerschaft wird ohne
0287Zweifel auch das kunstsinnige Wiener Publicum seine Schul-
0288digkeit erkennen. Die unsere thun wir mit diesen Zeilen.

Fußnoten
  • *)Das Schicksal dieser pikanten Oper steht in der Theater-
    geschichte wol einzig da. „Ma Tante Aurore“ wurde im Jahre 1802 
    zum erstenmal im Theatre Feydeau gegeben, und man hatte sich schon
    früher in den Cafés gegen die Novität verschworen. Bis an den
    Schluß ging noch Alles gut; wie aber da der listige Bediente als
    Amme verkleidet mit zwei Kindern auf den Armen erscheint, brach
    der Sturm los; selbst eine allerliebste, von Martin rührend vorge-
    tragende Romanze konnte die Pfeifer nicht beruhigen. Unter dem
    größten Tumult kam das Finale zu Ende. Und nun ereignete sich
    etwas Ungeahntes. Nachdem das Publicum das Stück mit dem toll-
    sten Lärm ausgepfiffen hatte, forderte es die schöne Romanze der
    Amme, die unter dem Lärm verloren gegangen war, einhellig noch
    einmal und applaudirte sie lebhaft. Von der nächsten Vorstellung an
    wurde der ganze dritte Art weggelassen und der zweite mit jener
    Romanze geschlossen, welche die Oper gerettet hatte und fortan auch
    auf dem Repertoire erhielt.