0005Ed. H. In seiner berühmten „Judenbroschüre“ hat
0006R. Wagner bekanntlich auch der Wiener Hofopern-Direction
0007eine ausgiebige Katzenmusik gebracht, indem er behauptet, diese
0008Direction habe durch ihre „Kniffe“ verrathen, „daß es ihr
0009nicht allein darum zu thun sei, die „Meistersinger“ nicht
0010geben zu dürfen, sondern auch deren Aufführung auf anderen
0011Theatern zu verhindern.“ Das Hofoperntheater hat auf diese
0012unglaubliche Beschuldigung mit einer glänzenden Aufführung
0013der „Meistersinger“ geantwortet. Die Directoren Dingel-
0014stedt und Herbeck hatten Alles aufgeboten, um diese bei-
0015spiellos schwierige Aufgabe musterhaft zu lösen; und was un-
0016sere besten Gesangskräfte sammt dem trefflichen Orchester nach
0017einer langen, aufreibenden Probenreihe für Wagner’s Werk leiste-
0018ten, vermag der nicht fachkundige Hörer kaum nach Verdienst zu
0019würdigen. Das Publicum kam den „Meistersingern“ mit jener
0020gespannten Erwartung entgegen, auf die jede Wagner’sche
0021Novität zählen darf und zu zählen ein Recht hat. Weiß
0022doch Freund und Feind, daß eine neue Oper von Wagner
0023jedenfalls etwas Ungewöhnliches bedeute, etwas Apartes, das
0024nicht verfehlen wird, an- und aufregend zu wirken, Phantasie
0025und Verstand mit allen Mitteln zu beschäftigen. Eine merk-
0026würdige Schöpfung sind in der That die „Meistersinger“, ein
0027Werk von unsäglicher Consequenz der Methode, größtem Ernst
0028und Fleiß, neu in der ganzen Gestaltung, reich an geistvollen,
0029ja blendenden Zügen, oft ermüdend und verletzend, immer
0030eigenthümlich. Als ungewöhnliche Erscheinung müssen die
0031„Meistersinger“ Jedermann lebhaft interessiren; ob man sich da-
0032von mehr befriedigt oder mehr abgestoßen fühle, hängt von
0033den dramatischen und musikalischen Schönheitsbegriffen
0034des Einzelnen ab. Dem Werke sind ebensowenig seine
0035Schönheiten abzusprechen, als seine schwachen und abstoßenden
0036Seiten: es enthält Scenen, die unter den glücklichsten musi-
0037kalischen Inspirationen Wagner’s obenan stehen, und rund
0038umher wieder trostlos lange Strecken langweiliger oder wider-
0039wärtiger Musik. Diesen gemischten Eindruck habe ich bereits
0040vor zwei Jahren aus der Münchener Aufführung davonge-
0041tragen und den Lesern der „Neuen Freien Presse“ geschildert.
0042Ob nach solchem Zeitverlauf und erneuertem Studium des
0043Werkes die Wiener Vorstellung jenen Eindruck modificiren
0044werde, war ich begierig zu erfahren. Schon der Besuch der
0045Generalprobe benahm mir darüber jeden Zweifel, sie ließ mich
0046einzelne interessante Details schärfer wahrnehmen, wiederholte
0047aber vollständig die Wirkung, welche das Ganze und jede ein-
0048zelne Scene in München auf mich geübt, und zwar so genau,
0049daß ich für die gleiche Empfindung mich werde mitunter der
0050gleichen Worte bedienen müssen.
0051Skizziren wir, so gut es mit raschen Strichen angeht,
0052den dramatischen und musikalischen Verlauf der Oper. Die
0053Ouvertüre ist am wenigsten geeignet, den Hörer günstig zu
0054stimmen, sie brockt nacheinander alle „Leitmotive“ der Oper
0055in eine Fluth von chromatischen Gängen und Sequenzen, um
0056sie schließlich in einem wahren Ton-Orcan über- und durchein-
0057ander zu schleudern. Ein Musikstück von peinlicher Künstelei
0058und geradezu brutaler Wirkung. Die Ouvertüre leitet un-
0059mittelbar in die erste Scene, welche das Innere der Katha-
0060rinenkirche in Nürnberg vorstellt. Die Gemeinde singt einen
0061Choral, zwischen dessen Absätzen das Orchester die zärtlichen
0062Empfindungen eines jungen Ritters malt, der, im Vorder-
0063grund stehend, ein Bürgermädchen mit seinen Blicken verfolgt.
0064Der Gottesdienst ist zu Ende; der Ritter, Walther v. Stolzing
0065(Herr Walter), eilt auf die schöne Unbekannte zu: „Mein
0066Fräulein, sagt, seid Ihr schon Braut?“ Mit der elektrischen
0067Schnelligkeit und Energie, welche alle Liebesverhältnisse bei
0068R. Wagner charakterisirt, erwidert alsbald Eva Pogner (Fräu-
0069lein Ehnn): „Euch wähl’ ich oder Keinen.“ Nur müsse der
0070Werber die von ihrem Vater gestellte Bedingung erfüllen, den
0071Preis im Meistergesang zu erringen. Eva entfernt sich, von
0072ihrer Amme Magdalena (Fräulein Gindele) begleitet; Wal-
0073ther verbleibt in der Kirche, wo eben Vorbereitungen zu einer
0074Versammlung der Meistersinger getroffen werden. Ein geschäf-
0075tiger Lehrjunge, Namens David (Herr Pirk), belehrt den Rit-
0076ter mit entsetzlicher Gründlichkeit über die Gesetze und Ein-
0077richtungen des „Singgerichts“. Trotz der nicht genug zu prei-
0078senden Kürzungen, welche Herbeck an dieser erzprosaischen, im
0079Original geradezu unaushaltbaren Scene vorgenommen, bleibt
0080sie noch immer trocken und langweilig genug. Endlich kommen
0081die Meister, conversiren eine zeitlang und werden dann von
0082dem Bäcker Kothner (Herr Mayerhofer) namentlich auf-
0083gerufen. Die Sitzung beginnt mit einer „Anrede“ des Gold-
0084schmieds Pogner (Herr Rokitansky), worin er die Hand
0085seiner Tochter Eva sammt seinem reichen Hab’ und Gut dem-
0086jenigen zusagt, der morgen, am St. Johannestag, „im Kunst-
0087gesang vor allem Volk den Preis errang“. Die Anrede
0088Pogner’s fällt wie ein Sonnenstrahl in den langweilig
0089trüben Musiknebel, der bishin allein geherrscht. Die gleich-
0090mäßige, innige Empfindung, welche dieses Musikstück mit seinem
0091melodiösen, schön harmonisirten Hauptmotiv durchzieht, macht
0092es zu einem Glanzpunkt der Oper. Nach einer langwierigen
0093Verhandlung über Pogner’s schließlich angenommenen Antrag tritt
0094Walther v. Stolzing auf und wird zu singen aufgefordert.*)
0100Der Stadtschreiber Beckmesser (Herr Campe), ein boshafter
0101alter Geck, übt das Merker-Amt, d. h. er kreidet, hinter einem
0102Vorhang verborgen, alle Fehler an, welche der Sänger gegen
0103die Regeln der Tabulatur begangen. Zuvor werden dem Sän-
0104ger noch diese Regeln vorgelesen, worauf das mit gelehrten
0105Explicationen schon hinreichend gesättigte Publicum gern ver-
0106zichten würde. Walther beantwortet die ihm gestellten Fra-
0107gen mit einigen sehr stimmungsvollen, glücklich erfundenen
0108Strophen („Am stillen Herd in Winterszeit“), welche wir dem
0109darauf folgenden Lenz- und Liebeslied noch vorziehen. Letzteres
0110bringt es trotz geist- und anmuthsvoller Details zu keiner
0111vollen Wirkung ob der maßlosen Unruhe in der Begleitung
0112und Modulation. Walther hat noch nicht ausgesungen, als
0113Beckmesser schon mit der vollgekreideten Tafel schimpfend aus
0114dem „Gemerk“ hervorspringt.
0115Mit Ausnahme von Hanns Sachs (Herr Beck) sind auch
0116alle übrigen Meister empört über die Regelwidrigkeit von Wal-
0117ther’s Gesang, den sie als „eitel Ohrengeschinder“ bezeichnen. Es
0118folgt ein tobendes Durcheinander aller Stimmen, das mit dem
0119Wahrspruch endet: der Ritter habe „versungen und verthan“.
0120Der Total-Eindruck dieses Actes ist trotz der beiden gerühmten
0121Sonnenblicke (Pogner’s und Walther’s Melodien) ein äußerst
0122ermüdender. Wir danken es den einsichtsvollen Kürzungen
0123Herbeck’s, daß er hier nicht geradezu niederdrückt, wie bei der
0124Münchener Aufführung. Der Stoff gäbe, leicht und lebhaft
0125behandelt, eine wirksame Introduction; zu einem ganzen lan-
0126gen Act ausgesponnen, wird er zur schwerfälligen Last.
0127Der zweite Act stellt eine Straße in Nürnberg vor;
0128rechts im Vordergrunde das schmucke Haus Pogner’s, links
0129die Schusterwerkstatt des Hanns Sachs. Zwischen beiden sieht
0130man in effectvoller Perspective die ganze Länge der Straße
0131hinauf, welche (nach dem Muster der Münchener Scenirung),
0132durchaus plastisch, durch Versetzstücke dargestellt ist und in der
0133Vollmondbeleuchtung einen äußerst malerischen Anblick gewährt.
0134Der Act beginnt mit einem Singen und Springen der Lehr-
0135buben, welche sich auf das Johannesfest freuen und ihren Ka-
0136meraden, den in die alte Lene verliebten David, hänseln.
0137Pogner und Eva kommen des Weges und singen ein höchst [2]
0138uninteressantes Gespräch, nach welchem Eva allein zu Sachs
0139hinübergeht, um über das Schicksal ihres Ritters bei dem
0140Freisingen etwas zu erfahren.**) Sachs berichtet ihr den ungünsti-
0146gen Ausgang. Das Duett (wenn man diesen sich endlos
0147hinziehenden Dialog so nennen kann) schlägt mitunter einen
0148recht traulichen, stimmungsvollen Ton an, bringt auch hie und
0149da einen vereinzelten hübschen Zug. Trotzdem ist das Ganze
0150von peinlicher Monotonie und Schwerfälligkeit. Mit einem
0151kleinen Duettsatz, allenfalls zum Schlusse der Conversation,
0152wäre dem leicht abgeholfen, bei Richard Wagner dürfen aber
0153bekanntlich die Leute nur nach einander singen, nie zugleich;
0154Letzteres ist nicht vornehm und könnte leicht angenehm klingen.
0155Ritter Walther kommt auf Eva zu. Trotz der verlockenden Verse:
0156„Ja, Ihr seid es! Nein, du bist es!“ u. s. w. kommt es auch hier
0157zu keinem zweistimmigen Satz; Jedes singt dem Anderen seine
0158Gedanken separat vor, musikalisch sehr reizlose und gezwun-
0159gene Gedanken. Das Liebespaar ist zur Flucht bereit, muß
0160sich jedoch zuerst vor dem Nachtwächter und jetzt gar vor
0161Herrn Beckmesser in die Ecke drücken. Letzterer präludirt
0162auf der Laute, um vor Eva’s Fenster ein Ständchen zu sin-
0163gen, Hanns Sachs kommt ihm jedoch mit einem Schusterlied
0164zuvor („Jerum! Jerum! Holla, holla ho!“), das, angeblich
0165komisch, mehr an eine gereizte Hyäne erinnert, als an einen
0166lustigen Schuster. Auf Beckmesser’s Bitten verspricht Sachs
0167endlich zu schweigen, behält sich jedoch vor, jeden Declamations-
0168oder Gesangsfehler in dem Ständchen durch einen Hammerschlag
0169auf die Sohle, die er eben bearbeitet, zu markiren. Diesen Spaß
0170preßt der Componist bis auf den letzten Tropfen aus, so daß
0171wir schließlich nur den Eindruck des Unendlich-Abgeschmackten
0172haben. Beckmesser beginnt seine Serenade, die, anfangs recht
0173charakteristisch, sich nur zu bald verkünstelt. Sachs klopft bei
0174jedem Tacte ein- bis zweimal mit dem Hammer auf, Beck-
0175messer stellt ihn entrüstet zur Rede, Sachs beruhigt ihn,
0176Beckmesser fängt wieder zu singen, Sachs wieder zu klopfen
0177an, sie zanken schließlich so ausgiebig, daß die Nachbarn die
0178Köpfe herausstecken und sich über die nächtliche Ruhestörung
0179beklagen. Der Lehrjunge David erwischt Beckmesser und
0180prügelt ihn, die Gasse füllt sich mit Menschen, welche nun
0181alle zu schreien, zu schimpfen, zu prügeln beginnen, bis ein
0182wahrer Teufelslärm entsteht, wie man kaum einen ähnlichen
0183auf der Bühne erlebt hat.
0184Beim Studium der Partitur hatte ich mir gerade von
0185diesem Finale mehr erwartet; Wagner hat mit wahrhaft
0186raffinirter Kunst dieses Durcheinander aufgebaut, in welchem
0187bald einzelne Stimmen, bald ganze Chorgruppen sich gegenüber-
0188stehen, einander im Eifer das Wort vom Munde abfangend.
0189Seltsamerweise hat den Componisten hier sein scharfer prak-
0190tischer Blick getäuscht: von der ausgetüpfelten musikalischen
0191Disposition ist nichts, gar nichts zu unterscheiden, man hört
0192nichts als ein wahrhaft brutales Schreien und Lärmen. Eine
0193sehr gute Idee, daß Wagner den Act nicht geradezu mit dem
0194Straßenspectakel schließen, sondern die Leute sich verlaufen und
0195den Lärm allmälig verhallen läßt. Wir sehen den Nacht-
0196wächter allein langsam durch die leere, mondbeglänzte Straße
0197schreiten — einer jener poetisch-pittoresken Effecte, auf die
0198sich Wagner vor Allen versteht. Der zweite Act ist zu Ende,
0199und wir haben geistreiche Details bemerkt, aber kaum etwas
0200gehört, was uns anhaltend hätte erfreuen und erwärmen
0201können. Endlich beginnt der dritte Act, der längste, aber auch
0202beste der Oper. Zu Anfang desselben geht es freilich noch
0203ganz in dem flauen, gedehnten Declamir-Ton des zweiten Actes
0204fort. Da gibt es eine spießbürgerliche Einleitungs-Scene
0205zwischen Sachs und seinem Lehrjungen, der eine Johannes-
0206Legende singt und dem Meister zum Namenstage gratulirt.
0207Es folgt ein langer Monolog des Sachs, worin er über den
0208„Wahn“ philosophirt; blitzte nicht eine reizende kleine In-
0209strumental-Schilderung („Glühwürmchen“) mitten in den sal-
0210bungsvollen Singsang, man geriethe in Gefahr, einzunicken.
0211Ritter Walther tritt unter Harfen-Arpeggien bei Sachs ein,
0212dieser fordert ihn auf, seinen Traum zu erzählen. Walther’s
0213Lied: „Morgenlich leuchtend“ beginnt mit einer ungemein
0214schönen, zarten Melodie, die zum Glücke nicht schon mit dem
0215dritten Tacte sich in den Ocean der „Unendlichkeit“ verliert
0216und sogar eine ruhige, einfache Begleitung hat. Die Melodie
0217macht einen sehr günstigen Eindruck, was der Componist nur
0218zu gut weiß, denn er kann davon nicht mehr fortkommen.
0219Die vielen Strophen und späteren Wiederholungen des Liedes
0220schaden ohne Frage. Während Walther singt, schreibt Sachs
0221das Gedicht auf. Beckmesser, der später eintritt, will das
0222Blatt stehlen, Sachs schenkt es ihm und erlaubt dem Ueber-
0223glücklichen, es beim Preissingen am Johannesfeste ohneweiters
0224als sein eigenes vorzutragen. Die Unterredung zwischen Sachs
0225und Beckmesser (der jetzt in seiner Freude ebenso barbarisch
0226und unnatürlich singt, wie früher im Zorne) wäre abermals
0227eine starke Geduldprobe für den Hörer, hätte Herbeck’s Roth-
0228stift nicht auch hier ein Einsehen gehabt. Zum Glück kommt
0229endlich Eva in vollem Festschmucke, läßt sich von Sachs den
0230Schuh abziehen und ausdehnen, als plötzlich auch Walther in
0231rothseidenem Wamms hereintritt. Es versteht sich beinahe von
0232selbst, daß die Beiden (wie „Senta“ und der „Holländer“)
0233einander mehrere Minuten lang „wie festgebannt“ in sprach-
0234losem Entzücken genüberstehen müssen. Walther singt aber-
0235mals eine Strophe seiner „Morgentraumdeut-Weise“, die
0236Sachs nun feierlich unter Beiziehung des Lehrbuben und der
0237Magd auf diesen Namen tauft. Wir würden auf diese, etwas
0238kindische Feierlichkeit gern verzichten, wenn sich nicht daraus
0239etwas höchst Ueberraschendes und Erfreuliches entwickeln würde.
0240Nämlich nichts weniger als ein sehr wohlklingendes, schön ab-
0241gerundetes Vocal-Quintett, dessen melodiöse Oberstimme
0242zuerst Eva allein intonirt. Durch drei Stunden hat man fast
0243nichts gehört als declamatorischen Einzelgesang über dem Ge-
0244woge der „unendlichen Melodie“ oder lärmenden Chortumult.
0245Nun kommt ganz unerwartet dieses gesangvolle Quintett, und
0246das Publicum jubelt im Anhören des kurzen Ensemblesatzes,
0247welcher in irgend einer andern Oper vielleicht keine ungewöhn-
0248liche Aufmerksamkeit erregt hätte. Das ist eines der Geheim-
0249nisse unseres modernen Meistersingers. Die Scene verwandelt
0250sich in einen freien Wiesenplatz vor den Thoren Nürnbergs.
0251Es ist Johannesfest; die verschiedenen Zünfte ziehen, in fest-
0252licher Kleidung, mit Musik und Fahnen auf; die Schuster,
0253die Schneider, die Bäcker singen ihre Handwerkslieder, deren
0254poetische und musikalische Derbheit man sich hier gern gefallen
0255läßt. Ein frischer realistischer Zug geht durch das Ganze.
0256Ein kleiner Walzer, von einfachster Melodie, aber köstlicher
0257Instrumentirung, belebt die Scene; Trompetengeschmetter auf
0258der Bühne verkündet das Herannahen der Meistersingerzunft.
0259Das Ganze bietet ein recht bewegtes und historisch treues Bild.
0260Beckmesser ist der erste Sänger, der um den Preis
0261zu kämpfen hat; er beginnt sich mit den fremden Federn
0262(Walther’s) zu schmücken. Aber verwirrt und furchtsam, wie
0263er ist, vergißt er den Text und verdreht jeden Satz zu Unsinn,
0264so daß er unter Spott und Gelächter abtreten muß. Hanns
0265Sachs erklärt, daß das Gedicht ursprünglich vortrefflich und
0266nur durch die arge Verstümmelung so sehr durchgefallen
0267sei. Auf seine Aufforderung singt nun Walther selbst das
0268Lied, das mit Jubel aufgenommen wird. Wir verstehen aller-
0269dings nicht recht, wie dieselben Meistersinger, welche Tags
0270zuvor einen ganz ähnlichen Gesang Walther’s als „eitel Ohr-
0271geschinder“ verhöhnten, nun von seiner Poesie plötzlich so hin-
0272gerissen sein können, daß sie ihm den Preis und damit Eva’s
0273Hand votiren. Das wird uns Richard Wagner vielleicht ein
0274andermal erklären; für heute sind wir froh, daß das liebende
0275Paar endlich vereinigt und die Oper mit einer malerischen
0276Schlußgruppe zu Ende ist.