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Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 10448. Wien, Samstag, den 23. September 1893

[1]

Hofoperntheater.

(„Der Templer und die Jüdin.“ „Don Juan.“ „Fra Diavolo.“)


0003Ed. H. Wer in so schwülen Septembertagen aus wür-
0004ziger Gebirgsluft nach Wien zurückkehrt, sieht sich — zumal
0005wenn er ein Kritiker ist — bald umschwirrt von mitleidigem
0006Zuspruch. Es müsse ihm doch furchtbar anthun, jetzt wieder
0007eingefangen zu werden von Musik und Theater! Wirklich
0008gewöhnt man sich schwer an die staubig dunstvolle Atmo-
0009sphäre und den barbarischen Lärm unserer steingepflasterten
0010Straßen. Aber es gibt doch eine Luft und ein Geräusch in
0011Wien, die ich selbst nach der balsamischen Stille des Wild-
0012bades gern wieder begrüße: die Luft im Operntheater und
0013das Geräusch des Orchesters. Wer nach mehrmonatlichem
0014Landaufenthalt gar kein Musikheimweh empfände, der hat
0015Musik nie recht eigentlich geliebt. Und so eile ich denn be-
0016gierig, fast gierig ins Opernhaus, um die neu engagirten
0017Sängerinnen Mark und Januschowsky zu hören und den
0018wiedergewonnenen Reichmann. Mit offenen Armen, mit
0019jubelnder Herzlichkeit feierte das Publicum die Rückkehr des
0020verlorenen Sohnes. Wenn Herr Reichmann, wie wir nicht
0021zweifeln, ein ebenso loyales Mitglied bleiben will, als er
0022ein hinreißender Sänger ist, so begrüßen wir seinen Wieder-
0023eintritt als einen Gewinn für das Institut. Nebenbei danken
0024wir ihm auch eine Neubelebung des Repertoires. Durch
0025Reichmann werden Marschner und Spohr — sobald wir
0026einmal eine Jessonda haben! — wieder zu Worte kommen.
0027In Partien, welche, wie Heiling, Vampyr, Templer, von
0028düsterer, dämonischer Leidenschaft durchglüht sind, über-
0029ragt Reichmann alle Nebenbuhler. Ungern haben wir
0030seit seinem Abgange die Marschner’schen Opern ver-
0031mißt. In vielen ihrer Phrasen und Melismen veraltet,
0032häufig zerbröckelnd im Bau und überladen im Orchester,
0033erfreut und ergreift uns doch Marschner’s Musik durch
0034quellende musikalische Erfindung und kräftig dramatisches
0035Leben. Von jenen Mängeln hält sich am meisten „Hanns
0036Heiling“ frei, am wenigsten „Der Vampyr“; „Der Templer“
0037steht inmitten. Für den Templer bringt Herr Reichmann 
0038alle Vorzüge mit, auf welche Dichter und Componist gezählt
0039haben; imposante Persönlichkeit, leidenschaftlich bewegtes
0040Spiel, die Fülle männlicher Stimmkraft wie die weichsten
0041Schattirungen des Tones. An seinem herrlichen Organ habe
0042ich keine Abnahme bemerkt. Der Künstler ist unverändert
0043geblieben in seinen Vorzügen, allerdings auch in der bedenk-
0044lichen Gewohnheit des Schleppens und Retardirens, des
0045absoluten Schwelgens im Klang seiner Stimme. Die glänzende
0046Aufnahme der großen Arie im zweiten Act darf Herr Reich-
0047mann getrost auf seine Rechnung schreiben; das Stück
0048selbst ist eines der ermüdendsten und schwächsten der ganze
0049Oper.


0050Der Gesammt-Eindruck der vom Director Jahn diri-
0051girten Vorstellung wäre ein vortrefflicher zu nennen, stünde
0052dem „Templer“ eine künstlerisch ebenbürtige „Jüdin“ zur
0053Seite. Wien hat noch keine Rebekka gehört, welche der edlen
0054und großartigen Leistung Louise Dustmann’s nahe ge-
0055kommen wäre. Ihre Nachfolgerinnen in dieser Rolle (Frau
0056Kupfer, Fräulein Klein) glänzten mehr durch schmucke Er-
0057scheinung als durch Gesangskunst und geistvolles Spiel. Von
0058Allen ist Fräulein Beeth die schönste und — die schwächste.
0059Herr Winkelmann hebt alle heroischen Momente in der
0060Rolle des Ivanhoe zu großer Wirkung: in den weichen,
0061lyrischen Gesangsstücken wie im ersten Duett mit Rebekka stört
0062das starke Absondern der Töne, die nachdrückliche Articula-
0063tion des Wortes, überhaupt der zu starke, offene Vortrag,
0064welcher diesem eminenten Wagner-Sänger eigen ist. Alles
0065Lob verdienen die Herren Reichenberg, Schitten-
0066helm
, Grengg, sowie die Darsteller der zahlreichen, für
0067das Ganze so wichtigen Nebenrollen. In dem Barfüßlerlied
0068ist das berühmte „Ergo bibamus!“, welches ein monu-
0069mentaler Einfall unserer Theater-Censur an die Stelle von
0070„Ora pro nobis!“ gesetzt hatte, jetzt wieder beseitigt, und der
0071Waldbruder Tuck singt: „Ergo oremus!“ Ergo hat man
0072sich dem richtigen Texte schon bedeutend genähert. Warum
0073denn aber nicht lieber diesen selbst herstellen, das harmlose
0074„Ora pro nobis“, welches ehedem anstandslos in Wien ge-
0075sungen wurde und noch auf allen Bühnen gesungen wird?
0076Muß denn immer noch im vormärzlichen Geschmack ohne
0077Noth und „justament“ censurirt werden?


0078Der jüngsten „Don Juan“-Vorstellung verdanke ich die
0079Bekanntschaft der beiden neuengagirten Sängerinnen Fräu-
0080lein Mark und Frau v. Januschowsky. Durchaus
0081verschieden von einander, gereichen doch Beide unserer Oper
0082zum Vortheile; sowol die junge herzige Mark als die nicht
0083mehr so junge, auch nicht gerade herzige Januschowsky.
0084Wenn Letztere auf der Scene erscheint, dann wird sich
0085schwerlich Jemand sagen: so hat in meiner Phantasie
0086Mozart’s Donna Anna mir vorgeschwebt! Es gibt Stumpf-
0087näschen, die unter schelmischen Augen und zwischen einem
0088blühenden Wangenpaar sich in der komischen Oper recht
0089lieblich ausnehmen — man denke an die reizende Minnie
0090Hauck, meinethalben sogar an Fräulein Artner — aber große
0091Schicksale, tragische Seelenkämpfe glaubt man ihnen nur
0092mit Anstrengung. Eine poetische Illusion gewährt also die
0093Persönlichkeit der Januschowsky nicht; ihr fehlt diese zwar
0094nicht absolut unerläßliche, aber doch sehr wünschenswerthe
0095Mitgift für Darstellerinnen idealer Frauengestalten. Solchen
0096Mangel verdeckt theilweise — wie es bei der Wilt ein-
0097traf — eine ungewöhnliche Macht und Schönheit der
0098Stimme. Auch diesen Zauber können wir dem Organ
0099Frau Januschowsky’s heute nicht mehr nachrühmen.
0100Nun aber die Lichtseite! Sie läßt sich in das Eine Wort
0101zusammenfassen: Frau v. Januschowsky ist eine Meisterin
0102des Gesanges, eine Künstlerin. Sie weiß zu singen und ver-
0103fügt mit souveräner Freiheit, technisch sicher und stets correct
0104über ihre Mittel! In Mozart’s Gesangsstyl vollkommen ein-
0105gelebt, verräth sie in jeder Phrase, daß sie die Rolle nicht
0106blos versteht, sondern fein und stark empfindet. Pathetisch,
0107in großem Styl und vortrefflich declamirt waren ihre Reci-
0108tative, makellos die Verzierungen, das Spiel lebendig ohne
0109Ueberladung. Die leidenschaftlichen Arien ließen allerdings
0110mehr Kraft und Glanz der Stimme wünschen — aber wie
0111selten ist das Alles beisammen! Wer einmal von der Doña
0112Anna Fräulein Schläger’s betroffen worden ist, der wird
0113nur mit aufrichtiger Genugthuung die Rolle (vorläufig) in
0114Händen von Frau Januschowsky sehen. Immer seltener wer-
0115den die guten Mozart-Sängerinnen. Eine Doña Elvira — diese
0116böse Sorge aller Operndirectoren — wie wir sie an Fräulein Leh-
0117mann
besitzen, dürfte heute schwerlich aufzutreiben sein auf einer [2]
0118deutschen Bühne. Fräulein Lehmann hat in der jüngsten
0119Don Juan“-Vorstellung wieder einmal gezeigt, was es
0120heißt: singen können, und wie Großes sich damit erreichen
0121läßt, selbst ohne Jugendfrische des Organs und ohne be-
0122deutendes Darstellungstalent. Nennen wir noch Herrn
0123Müller, der beide Arien des Don Ottavio mit guter
0124Verwendung des Mezza voce und warmer Empfindung vor-
0125trug, so wird es erklärlich, daß wir das große Maskenterzett
0126seit sehr langer Zeit nicht so vorzüglich gehört haben. Herr
0127Ritter scheint sich den Don Juan Meister Faure’s 
0128zum Vorbild zu nehmen. Größe und dämonische Gewalt —
0129Dinge, die man sich nicht geben kann — fehlen seinem
0130Don Juan; aber der unwiderstehlich verführerische vornehme
0131Cavalier findet in ihm einen der besten Repräsentanten. Gesungen
0132war die Partie durchaus schön; der sympathische Wohlklang
0133von Ritter’s Stimme entzückte insbesondere in dem Duett mit
0134Zerline, dem Ständchen und dem mit heiterer Leichtigkeit
0135vorgetragenen Champagnerlied. Herr Ritter ist der beste
0136Don Juan, den Wien seit vielen Jahren besessen; Herrn
0137Reichmann nicht ausgenommen und von Herrn Sommer 
0138gar nicht zu sprechen. In Herrn v. Reichenberg besitzen
0139wir einen anerkannt tüchtigen Leporello, dem es nur (insbe-
0140sondere in der Kirchhofsscene) an natürlicher komischer Kraft
0141fehlt. Herr Weiglein sang den Comthur. Das vordem
0142so klangvolle Erz seiner Baßstimme fand ich stark abgenützt;
0143wie matt klangen die hohen Töne, die in der Schlußscene
0144mit erschütternder Gewalt wirken müssen! Auch sein Er-
0145scheinen in dieser Scene hatte nichts Geisterhaftes; nicht
0146langsam und feierlich trat er bei Don Juan ein, sondern
0147mit ungleichen, heftigen Schritten, wie ein grober Feld-
0148hüter. Uebrigens verliert die Schlußscene in ihrer jetzigen
0149Anordnung durch den zu großen Raum; Don Juan mit zwei
0150Dämchen und seinem Diener in diesem weiten, leeren Saal!


0151Nun wären wir bei Fräulein Mark angelangt, dem
0152jüngsten Liebling unseres Publicums. Ich habe von ihr nur
0153die Zerline in „Don Juan“ und deren Namensschwester in
0154Fra Diavolo“ gehört; meine Erfahrungen sind somit noch
0155lückenhaft. Doch scheinen sie mir hinreichend, um in Fräu-
0156lein Mark einen werthvollen Gewinn für unsere Oper zu
0157erkennen. Das erst vor drei Jahren dem Conservatorium 
0158entwachsene junge Mädchen jetzt schon als große Künst-
0159lerin zu feiern, scheint mir verfrüht; man muß ihr doch an
0160Lob und Ruhm etwas übrig lassen für die Zukunft. Aber
0161sie ist ein Talent, eine Natur, und das ist gerade
0162in der Oper seltener, als man glaubt. Unsere Bühne
0163zumal zählt mehr Nützlichkeiten, als Ursprünglichkeiten;
0164tüchtige, fleißige, auch schöne Sängerinnen, die man nach
0165Verdienst schätzt, ohne sich für sie zu erwärmen. Fräulein
0166Mark steht dem Leben noch so ungeprüft, mit so kindlicher
0167Unbefangenheit gegenüber, daß eine Fortentwicklung ihres
0168echten Talentes nach der Tiefe und Breite hin mit Zu-
0169versicht zu erwarten ist. Ihre physische Kraft wie ihre künst-
0170lerische haben ihren Culminationspunkt noch vor sich. Was
0171Fräulein Mark’s Persönlichkeit betrifft, so gehört sie nicht
0172zu den blendenden Erscheinungen, die sofort alle Blicke auf sich
0173ziehen. Kleine, noch etwas unentwickelte Gestalt, auf schlankem
0174Hals ein wohlgeformtes Köpfchen, dunkler Teint, ein scharfer
0175Zug um den Mund, endlich — das Schönste und Ent-
0176scheidendste zuletzt — ein Paar große schwarze Augen, die
0177von Leben und Intelligenz leuchten. Ihre Stimme,
0178ein leichtflüssiger hoher Sopran von der süßen, noch
0179etwas herben Morgenfrische der Jugend, spricht uns
0180hell und fröhlich an. Der erste Eindruck dieser
0181Stimme ist ebensowenig ein „phänomenaler“, als
0182der ihrer ganzen Persönlichkeit. Aber je länger Fräulein
0183Mark singt und spielt, desto sicherer zieht sie den Hörer zu
0184sich herüber und hält ihn fest. Fräulein Mark — nebenbei
0185auch eine preisgekrönte Pianistin — ist durch und durch
0186musikalisch. Ebenso groß, vielleicht noch auffallender, als
0187ihr musikalisches Talent ist ihr schauspielerisches. So fühlt
0188man ihr’s denn nach den ersten Tacten an, daß, was sie
0189singt und darstellt, ihr Eigen ist, als eine Aeußerung wirk-
0190lichen Erlebens hervorströmt. Von ihren beiden Zerlinen 
0191hat mich die Auber’sche noch lebhafter angesprochen, als die
0192von Mozart. Nicht daß ich letzterer irgend etwas auszustellen
0193wüßte; sie war ebenso rein und correct gesungen, wie an-
0194muthig gespielt. Allein die Rolle in „Fra Diavolo“ bot
0195Fräulein Mark ungleich mehr Gelegenheit, zwei ihrer
0196wesentlichen Vorzüge leuchten zu lassen; ihre klangvoll
0197kräftige Höhe und ihre perlende Coloratur. Auch als Schau-
0198spielerin konnte sich Fräulein Mark diesmal bedeutender
0199hervorthun, denn Auber’s Zerline durchmißt einen größeren
0200Kreis verschiedenartiger Empfindungen und Situationen als
0201die Zerline in „Don Juan“. In „Fra Diavolo“ spielte sie
0202nicht blos die Soloscenen mit Geist und natürlicher Anmuth,
0203auch im Ensemble und im stummen Spiele zeigte sie, bei
0204bescheidenster Zurückhaltung, stets jenen Antheil an der
0205Handlung, der ein Kennzeichen des guten Darstellers ist.
0206Fräulein Mark’s Erfolg im „Fra Diavolo“ erfüllt uns mit
0207der Befriedigung, ein schönes, hier lange vernachlässigtes
0208Rollenfach, insbesondere in der französischen und italienischen
0209Lustspiel-Oper, wieder erfreulich ausgefüllt zu sehen. Ich
0210könnte aus Fräulein Mark’s Zerline so manche glück-
0211liche Einzelheit hervorheben, will aber lieber nicht zu nach-
0212drücklich auf ihrem Lob verweilen. Das Wiener Publicum
0213hat ohnehin die liebenswürdige, nicht ungefährliche Neigung,
0214sich sehr rasch für ein neues Talent zu begeistern, es durch
0215enthusiastischen Beifall zu heben, zu verhätscheln und dann
0216früher als nothwendig zu vernachlässigen. Ich möchte für
0217Fräulein Mark Ersteres nicht wünschen, um ihr Letzteres zu
0218ersparen.


0219Herr Schrödter gab den Fra Diavolo. Der gesunde
0220Klang seiner ebenso kräftigen wie einschmeichelnden Stimme
0221und seine vollendete Bühnengewandtheit kamen ihm für diese
0222schwierige Aufgabe sehr zu statten. Trotzdem gehört Fra
0223Diavolo nicht zu Schrödter’s besten Rollen. Von Natur zu
0224niedlich gebaut für einen Räuberhauptmann, gefällt sich Herr
0225Schrödter überdies darin, dem Fra Diavolo in den beiden
0226ersten Acten jeden Zug kräftiger Männlichkeit abzustreifen und
0227ihn als einen tändelnden faden Gecken darzustellen. Auch in
0228seiner Maske als Marquis soll Fra Diavolo wenigstens die
0229Möglichkeit durchschimmern lassen, daß ein Bandit, ein
0230Gewaltthätiger dahinter stecke. Aber dieses fortwährende
0231lächelnde Einkneifen des Monocles! Ich will gar nicht den
0232pedantischen Einwand erheben, daß zu Fra Diavolo’s Zeit
0233das Monocle noch nicht bekannt gewesen, am wenigsten in
0234den Abruzzen. Aber dieses Lieblingsinstrument in Herrn
0235Schrödter’s Lustspiel-Instrumentirungen ist an sich wider-
0236wärtig und doppelt abgeschmackt in dem Auge eines Fra
0237Diavolo. Auf unseren tonangebenden Bühnen sehen wir es [3]
0238auch nur mehr verwendet, wenn es gilt, einen neumodischen
0239Stutzer lächerlich zu machen. Lebhaft zu bedauern ist ferner,
0240daß Herr Schrödter eines der reizendsten Musikstücke der
0241Oper, die Romanze im zweiten Acte, wegläßt, welche Fra
0242Diavolo vor der Thür der Lady Pamela singt, um damit
0243den Banditen das Zeichen zum Hereinsteigen zu geben. Herr
0244Schrödter schenkt uns zwar die Geschmacklosigkeit, Auber’s
0245geistvolle Composition durch ein affectirtes deutsches Lied zu
0246ersetzen, wie er in Prag zu thun pflegte, aber auch die Unter-
0247lassungssünde wiegt für sich schwer genug. Das englische
0248Ehepaar wird von Frau Ida Baier und Herrn Mayer-
0249hofer
mit viel Humor gegeben. Wer kennt nicht Mayer-
0250hofer’s köstlichen Lord Kockburn? Ich habe dieses Ver-
0251gnügen schon an die vierzig Jahre. Wie viele Fra Diavolos,
0252wie viele Zerlinen sind seither verschwunden, von den
0253Banditen, den Dragonern, den Wirthen gar nicht zu
0254reden! Mayerhofer hat sie alle an sich vorbeipassiren lassen
0255und ist Lord Kockburn geblieben, er allein das einzig
0256Dauernde im Wechsel! Und wahrlich, er ist im schönsten
0257Sinne des Wortes der Alte geblieben. Herr Dippel sang
0258zum erstenmale den Lorenzo. Schmucke Erscheinung, ge-
0259wandtes Spiel und ein jugendliches Organ eignen ihn vor-
0260züglich für diese Rolle, die ihm auch (nach den Couplets im
0261dritten Act) verdienten Beifall eintrug. Die kleineren Partien
0262wurden von den Herren Stoll, Felix und Werthner 
0263sorgfältig gegeben. Es ist ein altes Privilegium der beiden Ban-
0264diten, durch immer neue komische Zuthaten für die Unterhaltung
0265lachlustiger Zuschauer zu sorgen. Dieses Vorrecht scheint mir
0266aber doch bereits mißbraucht zu werden. Das verkehrte Vor-
0267lesen des Briefchens zwischen den beiden Spießgesellen dauerte
0268fast so lang, wie der ganze übrige dritte Act. Durch so
0269maßlose Ausdehnung und Wiederholung verliert selbst ein
0270besserer Spaß seine Wirkung. Einen sehr erfreulichen Anblick
0271bot nicht nur die Bühne, sondern auch der Zuschauerraum
0272an diesem „Fra Diavolo“-Abend. Das Theater war gedrängt
0273voll und das Publicum theilnehmend und beifallslustig wie
0274bei einer erfolgreichen Novität. Ein Beweis, daß man in
0275Wien keineswegs den Geschmack an der Spieloper verloren
0276hat, sondern sie immer willkommen heißt, sobald der Theater-
0277zettel deren treffliche Aufführung gewährleistet.