Wörter einzeln suchen

Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 10465. Wien, Dienstag, den 10. October 1893

[1]

Das fünfzigjährige Jubiläum des Wiener Männergesang-Vereins.


0002Ed. H. Mit Kränzen geschmückt, mit Geschenken be-
0003laden, von Lob und Liebe erdrückt, schließt der Wiener
0004Männergesang-Verein das Fest seines fünfzigjährigen Be-
0005standes. Was in einem halben Jahrhundert nur immer ge-
0006wünscht und verdient werden kann, die Wiener Bevölkerung
0007hat es für sein Schoßkind in eine halbe Woche zusammen-
0008gepreßt. In Bild und Schrift, in Rede und Gesang floß
0009das Lob des Wiener Männergesang-Vereins in Einem
0010langen Strom dahin. Ich müßte mich schämen, wollte ich
0011heute, auf das beendete Fest zurückblickend, die Verdienste des
0012Jubilars neuerdings aufwärmen. Sein jüngstes Ehrenmit-
0013glied, bin ich zugleich einer seiner ältesten Freunde und habe
0014sein Wirken durch mehr als vierzig Jahre mit herzlichem
0015Antheil begleitet. Es war an einem October-Abend des
0016Jahres 1846, daß ich, damals noch Student, von Dr.
0017August Schmidt in seinen erst drei Jahre alten Verein
0018eingeführt wurde. Ich fand da in einem Vorstadtlocal
0019dreißig bis vierzig Männer versammelt, welche, das Noten-
0020blatt in Händen, auf schmalen Bänken saßen und ihre Chöre
0021sangen. Sie gehörten den verschiedensten Gesellschaftsclassen
0022an und verkehrten durchaus kameradschaftlich mit einander.
0023Demokratisch war die Verfassung, demokratisch im besten
0024Sinn die Seele dieser Gesellschaft. In ihren Zusammen-
0025künften sollte Musik ihnen den Staub des Lebens fortspülen
0026und sie der Poesie des Lebens wieder zuführen. Eine be-
0027redte Illustration des Goethe’schen Ausspruchs: „Man
0028weicht der Welt nicht sicherer aus, als durch die Kunst, und
0029man verknüpft sich nicht sicherer mit ihr, als durch die
0030Kunst.“ Dem Programm wie der Ausführung war an
0031dem Abend anzumerken, daß es sich mehr um ein Ver-
0032gnügen handelte, als um ein Studium. Völlig unbefangen
0033gab sich hier noch der gesellige Musiktrieb, diese ursprüng-
0034liche Quelle aller Liedertafeln, von der man heute, vielleicht
0035allzu vornehm, sich weit zu entfernen liebt. Außer zwei ein-
0036fachen Chören von Schubert sang man an jenem Abend
0037nur leichtere, größtentheils humoristische Stücke, von denen 
0038ein von Zöllner recht witzig componirter „Speiszettel“
0039mir in heiterer Erinnerung geblieben ist. August Schmidt 
0040ging, sich vergnügt die Hände reibend, mit freundlichem Zu-
0041spruch hin und wieder; die zwei Chormeister, Anton
0042Storch und Gustav Barth — Beide unbesoldet — diri-
0043girten abwechselnd. Mir war die ganze Sache etwas voll-
0044ständig Neues. Wo hätte man auch in Oesterreich vor dem
0045Jahre 1848 dergleichen gefunden? In Wien selbst mußte
0046der Verein bekanntlich einige Jahre incognito bleiben und
0047existirte eigentlich nur, indem man ihn ignorirte. Während
0048in Deutschland seit 30 Jahren die Liedertafeln blühten und
0049nach ihrem Muster bereits ähnliche in Holland, Belgien 
0050und Elsaß sich gebildet hatten, gab es in ganz
0051Oesterreich, dem gesangfreudigen und stimmenreichen, nichts
0052Aehnliches. Die Ursache lag einzig in der Bevormundung
0053durch eine Polizei, die aus dem politischen Angstschweiß nie
0054herauskam und in dem Vortrage des „Deutschen Liedes“
0055eine Gefahr für die Monarchie witterte. Den „Gesang“ hat
0056man in Oesterreich jederzeit geliebt, auch in den hohen und
0057höchsten Kreisen, aber eine Verbindung von „Männer“ und
0058„Verein“ versetzte die zärtlich wachenden Behörden in böse
0059Aufregung. August Schmidt hatte bekanntlich zuerst den
0060Muth, dreißig Freunde an jedem Freitag Abend zur Uebung
0061im vierstimmigen Männergesang zu vereinigen. Das Gast-
0062haus „zum goldenen Löwen“ am Rennweg, wo vor fünfzig
0063Jahren die erste Versammlung stattfand, ist seither demolirt
0064und hat einem gleichfalls sehr musikalischen, aber viel schö-
0065neren Hause Platz gemacht: dem von Victor Miller
0066v. Aichholz.


0067Nach beendeter Liedertafel, um zehn Uhr Abends, be-
0068gaben sich die Sänger zu einer anderen, nahrhafteren Tafel
0069in einem bescheidenen Gasthause. Dort konnte ich mein Ge-
0070spräch mit Dr. Schmidt fortsetzen und die Bekanntschaft
0071mit den beiden Chormeistern anknüpfen. August Schmidt 
0072war eines jener treuherzigen musikpassionirten Originale,
0073wie sie nur im vormärzlichen Wien gedeihen konnten.
0074Dem sehnlichsten Wunsche des Knaben, Musiker zu werden,
0075hatten sich die Eltern entgegengestellt. Aber er begründete
0076und redigirte in Wien eine Musikzeitung, schuf den Männer-
0077gesang-Verein, schrieb unermüdlich musikalische Aufsätze und
0078Gedichte. Er lebte nur in der Musik — von ihr konnte er
0079freilich nicht leben. Seinen Unterhalt verdiente er, wie die meisten 
0080Dichter und schöngeistigen Schriftsteller im vormärzlichen
0081Wien — als Beamter. Sobald er sein Bureau in der
0082Staatsschuldenkasse abgesperrt hatte, wußte der Glückliche
0083nichts mehr davon; jetzt war er mit Einem Schlage Musiker
0084und nur Musiker — bis zum nächsten Vormittag 9 Uhr,
0085wo wieder aufgesperrt wurde. Zahllose Schwierigkeiten und
0086Polizei-Sekkaturen ertrug er geduldig, um seinem Männer-
0087gesang-Verein endlich ein legales Dasein zu erwirken.*) 
0103Es war dem braven Manne vergönnt, noch durch volle sechsund-
0104vierzig Jahre an dem Wachsen des Vereines sich zu erfreuen
0105und seinen achtzigsten Geburtstag im Kreise seiner Sänger
0106zu verleben. ... Mit dem Chormeister Anton Storch 
0107wußte ich nicht viel anzufangen; das finstere Gesicht des
0108schweigsamen Mannes paßte ganz zu seinem verwahrlosten
0109Aeußern und seinen ungefälligen Manieren. Er war ein für
0110sein specielles Fach begabter, insbesondere sehr productiver
0111und populärer Componist. Als entschiedenes Gegenstück zu
0112Storch präsentirte sich dessen College Gustav Barth, eine
0113stattliche, elegante Persönlichkeit von feinen Umgangsformen.
0114Er schien mir ein vornehmeres Talent zu sein als Storch,
0115nach dem Wenigen, das ich von ihm kennen gelernt. Ein
0116sehr hübsches Lied „Ade, du grüner Tannenwald!“, dann ein
0117zartes, melodiöses Chorständchen „Komm’ in die stille Nacht“,
0118auch ein „Soldatentrinklied“ sind mir noch lebhaft gegen-
0119wärtig. Aber Barth hat auffallend wenig veröffentlicht; er
0120gehörte zu jenen anspruchsvollen, empfindlichen Naturen, die
0121vor lauter Unverstandensein niemals recht zum Arbeiten kom-
0122men. Oft sprach er mir von einer großen Oper, die er aber
0123in Wien nicht einreichen könne, so lange seine Frau (die [2]
0124berühmte Hasselt-Barth) hier engagirt sei, was ich gerade
0125für einen sehr hilfreichen Umstand erachtet hätte. Gustav
0126Barth hat den Männergesang-Verein und Wien bald ver-
0127lassen; seit dreißig Jahren völlig verschollen, vermuthete man
0128ihn kaum mehr unter den Lebenden. Da überrascht uns eben
0129jetzt die willkommene Nachricht, daß der alte Chormeister
0130zurückgezogen in Wiesbaden lebt und herzlichen Antheil
0131nimmt an dem Wiener Jubiläum.


0132Seit Storch und Gustav Barth ist der Verein mächtig
0133gewachsen an Umfang, Ruhm und Kunstfertigkeit, aber die
0134culturhistorische Bedeutung, welche seine Anfänge hatten,
0135besitzt er längst nicht mehr. Wichtig in diesem Sinn ist
0136nur seine erste Periode gewesen, der Kampf um seine Existenz,
0137die heimliche junge Macht seiner nationalen und politischen
0138Propaganda. Alle die erfolgreichen, weiten Concertreisen,
0139welche der Verein heute unternimmt zur Freude seiner Mit-
0140glieder und seiner Zuhörer — sie haben nicht entfernt die
0141Bedeutung jener harmlosen ersten Ausflüge nach Haimbach 
0142und Weidling, wo (1844) „Des Deutschen Vaterland“ zum
0143erstenmale in Oesterreich öffentlich gesungen wurde. August
0144Schmidt hatte die Polizei mit keiner Voranzeige dieser
0145Sängerfahrten belästigt, da er bestimmt wußte, daß ein
0146Verbot als einzige Antwort auf sein Ansuchen erfolgen
0147würde. Dem harmlosen Arndt-Reinhardt’schen Liede ging es
0148übrigens in Oesterreich nicht anders, als der blutgierigen
0149Marseillaise in Frankreich: beide waren zeitweilig erlaubt,
0150sogar begünstigt, zeitweilig wieder streng verboten, je nachdem
0151die Regierung eben in ihren politischen Gefühlen wechselte.
0152Dr. Schmidt hatte solche Ausflüge in die Wiener Umgebung
0153zunächst aus dem praktischen Gesichtspunkt geplant, daß die
0154concertfeindlichen Sommermonate seinen Verein nicht blos
0155lockern, sondern vielleicht für immer sprengen dürften. Die
0156Wirkung der „Sängerfahrten“ ging jedoch weit über diese
0157interne Absicht hinaus. Sie wurden bald zu echten Volks-
0158festen und waren, um mit August Schmidt zu sprechen, „die
0159ersten Lichtstrahlen, welche erweckend in das deutsche Bewußt-
0160sein des Volkes fielen, das dem gesungenen Worte mit
0161ganzer Hingebung zuhorchte, denn für dasselbe existirte da-
0162mals noch nicht das von der Censur gefesselte gesprochene 
0163Wort“.


0164Aus der nachfolgenden Periode ragen besonders drei
0165ausdrucksvolle Charakterköpfe hervor: Herbeck, Dumba und
0166Olschbaur. Daß es Herbeck nicht vergönnt sein solle, das
0167Jubiläum des Vereins, seines Vereins, zu erleben, hat
0168Jeden von uns mit schmerzlicher Wehmuth erfüllt. Ihm
0169dankt der Wiener Männergesang-Verein seinen höchsten
0170Aufschwung. Herbeck’s Verdienste um denselben sind bekannt,
0171leben in Aller Erinnerung und wirken heute noch fortbildend
0172nach. Mit unfehlbarer Sicherheit wußte er diesem Chor Kraft
0173und Feuer, sowie die zartesten Schattirungen aufzuprägen.
0174Neben der feinsten Ausgestaltung des Vortrages war
0175die stetige Erweiterung und Bereicherung des Repertoires
0176seine vornehmste Sorge. Als Dirigent übte er eine
0177magische Gewalt; Keiner hat vor oder nach ihm
0178mit gleicher Unmittelbarkeit die Chormassen zu elektrisiren
0179vermocht. Gleichzeitig mit Herbeck wirkte durch volle 25 Jahre
0180Nikolaus Dumba als Vorstand des Vereines. Schon
0181vor 40 Jahren stand er als Sänger von Talent und nicht
0182üblem Aussehen in Reih’ und Glied mit den Uebrigen. Erst
0183seine angestrengte Thätigkeit als Landtags- und Reichsraths-
0184Abgeordneter zwang ihn, die Vorstandschaft des Männer-
0185gesang-Vereines niederzulegen; doch hat er nie aufgehört,
0186demselben freundschaftlich mit Rath und That beizustehen.
0187Wo rief überhaupt irgend eine Lebensfrage musikalischer
0188oder bildender Kunst in Wien, ohne daß Nikolaus
0189Dumba ihr ungesäumt Kopf und Hand gewidmet hätte!
0190Auf Dumba folgte als Vorstand des Vereines Dr. Karl
0191Olschbaur. Man hat bei den jüngsten Festlichkeiten
0192wieder sein Rednertalent bewundert. Olschbaur ist ein Gut-
0193redner, weil kein Schönredner. Auf die meistens steifen, druck-
0194fertigen Gratulations-Ansprachen hatte er immer eine treffende,
0195ungekünstelte, gemüthvolle Antwort. Er besitzt, was manchem
0196berühmten Redner fehlt, zu dem rechten Wort auch den
0197rechten Ton. Ich habe Olschbaur noch als hinreißenden
0198Liedersänger gekannt; sein blühendes Organ erinnerte an
0199die schönsten italienischen Tenorstimmen. Ach, daß so eine
0200Stimme sich nicht wie Gemüse conserviren oder wie ein
0201Landhaus vererben läßt!


0202Was Alles der Verein in seinen fünfzig Jahrgängen
0203gelebt und gesungen hat, welche Reisen er unternommen und 
0204welche Auszeichnungen empfangen, davon berichtet uns ein
0205stattlicher Großquartband von 650 Seiten, der von dem
0206Fleiß und der Genauigkeit des Verfassers Rudolph Hof-
0207mann
rühmendes Zeugniß gibt. Es ist dies keine prag-
0208matische Darstellung, sondern eine richtige „Chronik“, die
0209Jahr für Jahr alle Erlebnisse des Vereins aufzählt; also
0210mehr ein Nachschlagebuch als eine Lectüre. Einen schlankeren
0211Beitrag, im Ton einer begeisterten Apologie, hat Oskar
0212Teuber mit seiner Festschrift „Fünfzig Jahr’ in Lied und
0213That“ geliefert. In diesen beiden dankenswerthen Publica-
0214tionen dürfte auch der neugierigste Liedertäfler Alles finden,
0215was ihn diesfalls noch zu wissen verlangt.


0216Das große Festconcert des Männergesang-Vereins am
02178. October zählte zu den glänzendsten Productionen dieser
0218Art. Um den ungewöhnlich feierlichen Anlaß auch äußerlich
0219zu kennzeichnen, hatte der Verein für dieses Concert die
0220kaiserliche Winter-Reitschule gewählt. Seit dem 25. October
02211866 ist dieser prächtige große Raum nicht zu musikalischen
0222Zwecken benützt worden. Damals vereinigten sich unter Her-
0223beck’s Direction sämmtliche Männergesang-Vereine Wiens und
0224der Umgebung, 1200 Mann stark, zu einem Monstre-Concert,
0225dessen Ertrag den Familien der im Kriege gefallenen öster-
0226reichischen Soldaten zu statten kam. Diesmal wirkten blos 400
0227Musiker zusammen; die colossale Winter-Reitschule war also
0228nicht sowol nöthig, um die Sänger, als um die reichlich zu-
0229strömenden Besucher unterbringen zu können. Lewinsky 
0230sprach mit gewohnter Meisterschaft einen Prolog von Fer-
0231dinand v. Saar, einem Dichter, dessen edle Persönlichkeit
0232und Begabung einem großen Kreise von Verehrern theuer
0233ist. In dem musikalischen Programm wechselten Perlen des
0234älteren Repertoires mit Novitäten. So hörten wir Schu-
0235bert’s
unvergleichlichen „Gesang der Geister über den
0236Wassern“, Mendelssohn’sWasserfahrt“, Schumann’s 
0237süß träumerisches Ritornell „Die Rose stand im Thau“,
0238den Pilgermarsch aus „Tannhäuser“. In Kremser’s 
0239melodiösem „Nachtlied“ erzielte Walter’s herzgewinnender
0240Gesang neuerdings die ihm nie versagende Wirkung. Kremser,
0241der mit Sicherheit und Energie die Chöre leitete, darf
0242auch als Dirigent einen neuen großen Erfolg verzeichnen.
0243Zur ersten Aufführung gelangten drei eigens für das [3]
0244Jubiläums-Concert geschriebene umfangreiche Compo-
0245sitionen für Männerchor und großes Orchester: „Leo-
0246nidas“ von Max Bruch, „Phöbos Apollon“ von
0247F. Gernsheim und „Helgoland“ von Anton Bruckner.
0248In ihrer Absicht und Ausführung erinnerten mich diese drei
0249Novitäten an die langen, schwierigen und hochstrebenden
0250Chorwerke, welche (1868) Liszt, Franz Lachner, Esser 
0251und Herbeck zu dem fünfundzwanzigjährigen Jubiläum
0252des Männergesang-Vereins gespendet hatten. Ich fand die
0253bis zum Zerspringen gewaltsame Ausdehnung der Grenzen
0254des Männergesangs bedenklich und meinte, nach all den An-
0255strengungen, diesen Musikzweig zu höchsten Zielen und selbst-
0256ständiger Kunstbedeutung emporzuziehen, werde derselbe doch
0257immer wieder mit eigener Schwerkraft in jene bescheidene
0258Region zurückfallen, die ihm von Haus aus behaglicher
0259und natürlicher ist. Auch in den genannten neuesten
0260Producten dreier geachteter Meister erkenne ich keinen reellen
0261Gewinn; sie bestärken nur den Wunsch, es möge der vier-
0262stimmige Männerchor allmälig wieder mehr in seine Heimat,
0263die Lyrik, und in den engeren Kreis einer poetischen Ge-
0264selligkeit zurückkehren. Im Vergleich zu jenen im Jahre
02651868 aufgeführten Jubiläumschören scheinen mir die vom
0266letzten Sonntag, bei gleich bedenklicher Wahl der Gedichte,
0267noch anspruchsvoller, noch anstrengender, gekünstelter und
0268erfindungsärmer. Man gebe sie einmal ohne Jubiläum und
0269in Abwesenheit der geschätzten Componisten und sehe zu, wie
0270das Publicum, bei aller Zärtlichkeit für den Männergesang-
0271Verein, sich dabei langweilen wird. Um mit einer Com-
0272position so spröder Stoffe und so ermüdender Ausdehnung
0273das Publicum zu erwärmen und zu entzücken, dazu gehört
0274das Genie eines Schubert. Auch Sonntags schienen die
0275Zuhörer von den neuen Werken mehr ermüdet als erbaut
0276zu sein, doch bezeigten sie den Tondichtern die ihrem Rang
0277und Namen gebührende Achtung. Es braucht nicht daran
0278erinnert zu werden, daß wir von diesen (insbesondere von
0279dem Componisten des „Frithjof“ und „Achilleus“) ungleich
0280frischere, gehaltvollere Stücke kennen; diesmal haben sie
0281leider der blendenden Technik ein zu großes Uebergewicht
0282über den musikalischen Gehalt eingeräumt und in dem ge-
0283waltsamen Streben nach größtmöglichen Effect das Geheimniß
0284der echten Wirkung verloren.

Fußnoten
  • *)Ein hübscher Beitrag ist folgender: Auf Einladung des
    Gemeinderathes sollte sich 1849 der Männergesang-Verein an einem
    zu Ehren des greisen Feldmarschalls Radetzky veranstalteten
    Ständchen und Fackelzug betheiligen. Die Veranstalter bewarben sich
    um die Mitwirkung einer Militär-Capelle bei diesem Feste und be-
    gaben sich deßhalb zu dem Stadtcommandanten FML. Baron
    Welden. Dieser schlug ihre Bitte rund ab. Erst als man von
    anderer Seite ihm vorstellte, daß ein Festaufzug ohne Musikbande
    unmöglich sei, gab Welden seine Einwilligung, jedoch nur unter
    der Bedingung, daß die Regimentsbanda (beim Radetzkyfest!)
    in Civilkleidern erscheine. Da die Militärmusiker nicht im
    Besitze von Civilkleidern waren, mußten solche in der Schnelligkeit
    aus den Trödlerbuden herbeigeschafft werden. Daß unter diesen
    Umständen die Regiments-Capelle eher einer Zigeunerbande ähnlich
    sah, läßt sich leicht vorstellen.