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Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 11870. Wien, Mittwoch, den 8. September 1897

[1]

Zur Donizetti-Feier in Bergamo. I.


0002Ed. H. Das entzückende Landschaftsbild Bergamos ver-
0003gißt nicht so leicht Jemand, der, sei es auch nur auf der
0004Durchreise, hingeschaut hat. J. V. Widmann, aller italienischen
0005Städte und Städtchen bester Kenner und Schätzer, ruft
0006beim Anblick von Bergamo aus: da möchte er den Rest
0007seines Lebens zubringen! Dabei erzählt er uns (in „Jen-
0008seits des Gotthard“), wie ein französischer General durch
0009einen Act der Barbarei zugleich ein Zeugniß für die reiz-
0010volle Lage der Stadt abgelegt hat. Auf einem wunderschönen
0011Gemälde von Lorenzo Lotto, das jetzt noch eine Hauptzierde
0012der Bildergalerie Bergamos bildet, ist die Madonna mit
0013den Heiligen dargestellt; im Hintergrunde war die Stadt
0014Bergamo hingemalt. Der General, welcher daheim den
0015Seinigen gern zeigen mochte, wie märchenhaft schön die
0016Stadt daliegt — Photographien gab es noch nicht zur Zeit
0017der napoleonischen Kriege — schnitt kurzweg den ganzen
0018landschaftlichen Hintergrund aus dem Gemälde heraus und
0019nahm ihn mit. Man hat dann ein neues Stück Leinwand
0020eingesetzt und es einfach mit dunklen Farben überstrichen. Jetzt
0021werden die zahlreichen Fremden sich leichter und anständiger
0022ein Bildniß der Stadt verschaffen können, in welcher vor
0023hundert Jahren, am 29. November 1797, Gaëtano Doni-
0024zetti geboren wurde. Sein Vater wollte ihn zum Advocaten
0025bestimmen, der Sohn hatte Lust zum Architekten — und so
0026wurde er denn keines von beiden, sondern Componist.


0027Musiker und Musikfreunde gedenken in Bergamo nicht
0028blos Donizetti’s, sondern auch seines Meisters Simon
0029Mayr
. Dieser einst gefeierte Componist zahlloser italienischer
0030Opern war ein guter Deutscher, ein Organistensohn aus
0031Ingolstadt in Bayern. Mit 23 Jahren finden wir ihn in
0032Venedig als Schüler Bertoni’s; 18 Jahre später als Capell-
0033meister der Basilica di Santa Maria Maggiore in Ber-
0034gamo, wo er als Stifter der Unione Filarmonica, Director
0035der Musikschule und unermüdlicher Componist bis an sein
0036Lebensende thätig war. Er starb daselbst fast erblindet,
003782 Jahre alt, im December 1845. Die dankbare Stadt 
0038Bergamo hat ihm ein schönes Denkmal gesetzt. Italienische
0039Opern zu schreiben war noch zu Anfang dieses Jahrhunderts
0040ein besonders geschätzter und einträglicher Beruf deutscher
0041Musiker. Man braucht nicht an Händel und Gluck zurück-
0042zudenken — nur an unsere älteren Zeitgenossen Weigl,
0043Winter, Gyrowetz, Otto Nicolai. Simon Mayr, dessen
0044italienische Opern — 46 große und 17 kleinere — längst
0045vergessen sind, ja mit dem Auftreten Rossini’s so gut wie
0046abgethan waren, galt den Italienern als ein hochbegabter,
0047gediegener Meister. Auch unsere Nachschlagebücher, die gern
0048aus jedem Verstorbenen einen Unsterblichen machen, sprechen
0049von S. Mayr wie von einem Classiker. Stendhal, der
0050lobpreisend oder schimpfend fast immer übertreibt, sobald er
0051von italienischer Musik spricht, nennt Mayr „un voleur
0052effronté“. Er war das nicht mehr oder weniger, als die
0053meisten seiner Collegen, deren auf Dreiklängen wiegende
0054Cantilenen und Rouladen einander zum Verwechseln ähnlich
0055sahen. Viel Neues wußte Mayr freilich nicht zu sagen, aber
0056er sagte es in correcter, logisch geordneter und wohlklin-
0057gender Sprache. Unstreitig hat er aus seiner deutschen
0058Heimat einen ernsteren musikalischen Geschmack und (wie
0059seine Kirchen-Compositionen zeigen) eine solidere Schulung
0060und Technik mitgebracht.


0061Eine mäßige Transfusion verdünnten deutschen Blutes
0062hat denn auch auf den jungen Donizetti eingewirkt, als er
0063bei Simon Mayr studirte und vorzugsweise Messen schrieb.
0064Mit zwanzig Jahren brachte er seine erste Oper zur Auf-
0065führung. Sie siegte ebensowenig wie die zwanzig nachfol-
0066genden. Unter diesen war auch „Sancia di Castiglia“ mit
0067der pietätvollen Widmung „al celebre Sign. Maëstro
0068Simone Mayr“. Diese Tragedia lirica zeichnet sich
0069durch athemversetzende Rossini’sche Coloraturen und höchst
0070kindische, terzenweis auf und ab hüpfende Chöre aus. Endlich
0071gelangt Donizetti zu seinem ersten entschiedenen Erfolg in
0072Italien mit der Oper „L’Esule di Roma“. Ueber die
0073Grenzen seiner Heimat verbreitet sich sein Ruhm erst seit
00741831 mit „Anna Bolena“. Eine Prager Aufführung dieser
0075Oper mit Jenny Lutzer in der Titelrolle gehört zu meinen
0076frühesten Theater-Erinnerungen. Ich weiß davon nur, daß
0077ich vor Herzweh über die unglückliche Königin weinend
0078einschlief. „Anna Bolena“ war Donizetti’s 32. Oper, und 
0079doch hatte der allzu leicht schaffende Componist bis dahin
0080nichts geliefert, was sich mit Bellini’s Opern zweiten
0081Ranges messen konnte. Ganze und halbe Erfolge, auch ent-
0082schiedene Mißerfolge wechseln nun mit einander. Zu
0083letzteren gehörte die Oper „Il Diluvio universale“. Donizetti 
0084tröstete sich über ihr Fiasco, indem er sich sogleich vornahm,
0085alle Musikstücke aus dieser Partitur, ohne Ausnahme, in
0086seine folgenden Opern allmälig einzuschalten. Die Oper
0087ward ja in Einzelheiten applaudirt und nur als Ganzes
0088ausgepfiffen. Donizetti hielt Wort: il Diluvio universale 
0089steckt vollständig in den zehn oder zwölf danach componirten
0090Opern. Höchst charakteristisch für eine entschwundene Opern-
0091epoche, ist diese Thatsache doch keineswegs herabwürdigend
0092für Donizetti, welcher nur die laxe ästhetische Moral seiner
0093gesammten Umgebung theilte. Händel und Gluck hatten in
0094diesem Punkte auch nicht scrupulöser gehandelt.


0095Ich beabsichtige nicht, den Lebenslauf Donizetti’s hier
0096Schritt für Schritt, Oper für Oper zu beschreiben; von
0097den Hauptwerken soll ohnehin später noch die Rede sein.
0098Mit „Lucrezia Borgia“ (1833) stand Donizetti im Zenith
0099seines Talentes und Ruhmes. Noch immer steigerte sich
0100seine fabelhafte Productivität. Ein Vertrag mit Barbaja 
0101verpflichtete Donizetti, alljährlich vier Opern für die
0102königlichen Theater in Neapel zu schreiben. Zur Composition
0103des „Liebestrank“ brauchte er nur vierzehn Tage; für „Don
0104Pasquale“ einen Tag weniger. Vom Jahre 1834 an, wo
0105er nach Paris zur Aufführung seiner „Märtyrer“ berufen
0106wurde, bereicherte Donizetti das italienische Theater noch
0107mit fünfzehn neuen Opern, worunter „Lucia“, „Gemma di
0108Vergy“, „Belisario“ u. A. Zum kaiserlich österreichischen
0109Kammer-Componisten ernannt, ließ er noch für die Wiener
0110Hofoper „Linda“ und „Maria di Rohan“ folgen. Im
0111selben Jahre (1843) gab er der Pariser Großen Oper, für
0112die er bereits „La Favorite“ geschrieben hatte, seinen „Dom
0113Sebastian“. Im Laufe von sechsundzwanzig Jahren hatte
0114Donizetti vierundsechzig Opern geschrieben. Ja, wäre mit
0115dieser aufreibenden Geistesthätigkeit nur Alles gethan gewesen!
0116In Italien muß aber der Componist stets an Ort und
0117Stelle kommen, die Stimmen seiner Sänger studiren und
0118die Oper dirigiren. Als Simon Mayr in Neapel (wo er
0119die Eröffnungscantate für San Carlo aufführte) die Aeuße[2]-
0120rung that, er wolle nicht mehr reisen, so hieß das: er werde
0121keine Oper mehr componiren. Einige Jahre früher bot die
0122Administration der Scala dem berühmten Païsiello 10,000
0123Francs für eine neue Oper; er antwortete: mit 80 Jahren
0124könne man nicht mehr herumreisen, er wolle jedoch seine
0125Musik einsenden. Man lehnte dankend ab. Auch Donizetti 
0126mußte, um eine neue Oper heute in Rom, dann eine
0127andere in Florenz, eine dritte in Neapel oder Mailand ein-
0128zustudiren und zu dirigiren, die italienische Halbinsel von
0129einem Ende zum andern durchfahren — im Postwagen,
0130denn Eisenbahnen gab es dort noch keine. Und kein Aus-
0131ruhen zwischen all diesen Reisen, Arbeiten, Gesellschaften
0132und Vergnügungen. Donizetti wollte von Allem haben und
0133überall dabei sein. So rastlose Thätigkeit und Genußfreude
0134mußten allmälig seine Gesundheit untergraben. Donizetti 
0135wurde im Jahre 1844 wahnsinnig.


0136Nach Escudier’s Erzählung waren die ersten Anzeichen
0137von Geistesstörung an Donizetti während einer Aufführung
0138seines „Dom Sebastian“ in Paris bemerkt worden.
0139Madame Stolz, welche als launenhafte, unumschränkte
0140Primadonna damals die Große Oper tyrannisirte, wollte
0141nicht (wie es die Handlung erfordert) auf der Scene blei-
0142ben, während Camoëns hinter der Coulisse seine Barcarole
0143singt. Als man sie endlich dazu bewogen hatte, verlangte
0144sie, geärgert von dem Beifalle, der dem Sänger des Ca-
0145moëns nach der Barcarole zu Theil wurde, wenigstens die
0146Kürzung dieses Gesangstückes. Donizetti, der sonst sanfte
0147und freundliche Mann, ergriff wüthend seine Partitur und
0148schleuderte sie unter den heftigsten Invectiven der Sängerin
0149vor die Füße. Schäumend vor Wuth und seiner nicht mehr
0150mächtig, mußte er von drei Freunden nach Hause gebracht
0151werden. Er erholte sich bald, und durch lange Zeit fanden
0152seine Freunde nicht das mindeste Anzeichen einer drohenden
0153Krankheit an ihm.


0154Eines Morgens, als Donizetti gegen seine Gewohnheit
0155seinem Diener noch immer nicht geläutet hatte, drang dieser,
0156geängstigt, ungerufen ein und fand seinen Herrn bewußtlos
0157auf der Erde hingestreckt. Man rief eiligst mehrere Aerzte.
0158Donizetti kam bald zu sich und antwortete auf die 
0159Fragen der Aerzte mit ungewöhnlicher, befremdender Red-
0160seligkeit. Er erklärte ihnen unter Anderm, daß er zwei
0161Quellen der Begeisterung in sich habe, deren Sitz er ganz
0162genau fühle: links wäre die Quelle für seine heitere Musik,
0163rechts die andere für die tragische. Sobald er zu componiren
0164anfange, fühle er eine Art Klappe sich öffnen, rechts oder
0165links, je nach der Gattung Musik, welche er eben producire,
0166und nach einem arbeitsvollen Tag fühle er sich stundenlang
0167entweder an der rechten oder an der linken Seite seines
0168Körpers schmerzlich ermüdet.


0169Nach einiger Zeit schien Donizetti wieder geistig und
0170körperlich sich zu erholen, die Lust zur Arbeit erwachte
0171wieder, und er beschäftigte sich lebhafter als je mit seinem
0172Lieblingsproject, den „Sganarelle“ von Molière (von
0173Giraud italienisch bearbeitet) für die Komische Oper zu
0174componiren. Aber der fruchtbare Componist, der den
0175Liebestrank“ in vierzehn Tagen geschrieben hatte, war nicht
0176mehr im Stande, auch nur mit Einer Scene fertig zu
0177werden. Die Aerzte constatirten eine gefährliche Ueber-
0178reizung der Nerven bei Donizetti und untersagten ihm das
0179Arbeiten. Sein Zustand verschlimmerte sich rasch; man
0180erkannte für unumgänglich nothwendig, den Kranken in
0181eine Irrenanstalt zu bringen, am besten in jene des Dr.
0182Moreau zu Ivry. Allein wie Donizetti dazu bewegen?
0183Wie ihn überhaupt von Paris fortbringen? Die Freund-
0184schaft macht erfinderisch. Man fingirte einen Brief aus
0185Wien, der unter dem Couvert der Gesandtschaft Donizetti 
0186zugestellt wurde. Der Kaiser von Oesterreich beauftragte
0187darin den Maëstro, nach Wien zurückzukehren und seine
0188Functionen als k. k. Hof-Compositeur aufzunehmen. Die-
0189sen ausgezeichneten Posten, welcher Donizetti, bekanntlich
0190nach der ersten Vorstellung der „Linda von Chamounix“
0191verliehen wurde, soll er nach Escudier’s Mittheilungen der
0192Verwendung Rossini’s, der in freundschaftlicher Corre-
0193spondenz mit Metternich stand, verdankt haben.


0194Der arme Kranke ging vollständig in die Falle. Er
0195vergaß auf sein Leiden und gab seinem Diener Antonio 
0196Befehl, die Koffer zu hacken. Donizetti’s Wagen, mit zwei
0197Postpferden bespannt, rollte fort. Ein anderer Wagen folgte 
0198in einiger Entfernung. Der Neffe Donizetti’s, ein oder
0199zwei Freunde und der treue Antonio saßen darin. In Ivry 
0200angelangt, macht der Postillon die Pferde plötzlich bäumen,
0201springt, lästerlich fluchend, vom Kutschbock und weckt den ein-
0202geschlummerten Donizetti mit der Meldung, es sei die Achse
0203gebrochen und es bleibe jetzt, mitten in der Nacht, nichts
0204Anderes übrig, als sich in das glücklicherweise ganz nahe
0205Hotel zu verfügen. Halbverschlafen steigt unser Maëstro
0206aus, der Director des Irrenhauses, M. Moreau, den Wirth
0207spielend, empfängt ihn mit den gasthausüblichen Begrüßungen.
0208Man richtet Donizetti in einem bequemen Zimmer ein.
0209Am folgenden Tage erscheinen der Neffe, die Freunde
0210und Antonio, angeblich in Folge einer ihnen den Unfall
0211berichtenden Depesche, um Donizetti zu besuchen. Man be-
0212stimmt ihn, noch einen Tag zu verweilen, dann noch einen,
0213und einen dritten und vierten, bis endlich der Doctor voll-
0214ständig Herr des Patienten und von einem Fortgehen keine
0215Rede mehr ist. Die sorgfältigste ärztliche Behandlung ver-
0216mochte aber leider nicht mehr, das zur Gehirn-Erweichung
0217vorgeschrittene Uebel zu heilen. Aus dem Irrenhause zu
0218Ivry brachte man den armen, unheilbar Kranken zuerst in
0219ein freundliches Landhaus bei den Champs Elysées, von da
0220endlich nach Bergamo, seiner Vaterstadt. Sein Neffe Andrea 
0221hatte die größten Schwierigkeiten, diese Heimkehr zu ermög-
0222lichen. Obgleich die Mehrzahl der zum Consilium berufenen
0223Aerzte die Reise für ungefährlich erklärte, wurde sie von
0224der Pariser Polizei kurzweg verboten. Unter dem Vorwand,
0225Andrea wolle seinen kranken Oheim heimlich entführen,
0226schreckte die Behörde nicht vor der Brutalität zurück, bei
0227Donizetti’s Portier Polizeimannschaft einzuquartieren, welche
0228sogar eine vom Arzt angeordnete Spazierfahrt des Kranken
0229verhinderte. Andrea wendete sich zur Abwehr dieser Eigen-
0230mächtigkeit an drei der berühmtesten Pariser Advocaten,
0231Marié, Cremieux und Berryer. Die Autorität
0232dieser Männer und die Bemühungen seines eigens herbei-
0233geeilten Bruders Francesco scheinen Donizetti’s Ueber-
0234führung nach Bergamo endlich ermöglicht zu haben.*) [3]
0237Wenige Minuten vor seinem Tode — Donizetti hatte seit
0238Langem theilnahmslos und ohne Jemanden wieder zu erkennen,
0239hingeträumt — spielte eine Straßenorgel vor seinem Fenster
0240das Final-Sextett aus der „Lucia“. Eine plötzliche Klarheit
0241leuchtete aus dem erloschenen Auge des Kranken, ein leises
0242Lächeln glitt über seine Züge, sein Kopf sank auf das Kissen
0243zurück, und Donizetti hatte aufgehört zu leben.


0244In Wien machte der Tod Donizetti’s keinen Eindruck.
0245Kein Todtenamt, keine Gedächtnißfeier, kaum ein Zeitungs-
0246artikel. Der Mann, der an vielhundert Abenden vieltausend
0247Menschen entzückt hatte, wie ein Triumphator von einer
0248Huldigung zur andern ziehend, er ist still und unbemerkt
0249gestorben. Man erfuhr in Wien die Todesnachricht spät,
0250durch ein Journal, das man zufällig zur Hand nahm, oder
0251durch eine flüchtige Erwähnung, unter dem Lärm der Waffen,
0252in dem Gedränge einer Volksversammlung. Ein Jahr vorher
0253freilich, als noch die Tagespresse wöchentliche Bulletins
0254brachte, welche das Publicum von Europa von dem Be-
0255finden des armen Wahnsinnigen in Kenntniß erhielten, da
0256hätte es Niemand für möglich gehalten, daß der Gefeierte
0257bald darauf ohne die mindeste Sensation sterben könne!
0258Das Räthsel ist leicht gelöst: Donizetti verschied am 8. April
02591848. — Er hatte eine ungünstige Zeit gewählt. Die Zeit
0260war gut zum Leben, doch nicht zum Sterben. Es waren
0261die Flitterwochen nach dem großen deutschen Freiheitsfeste,
0262und wenn man mit Millionen Brüdern in begeistertem
0263Hochzeitsjubel schwelgt, so übersieht man wol leicht den ein-
0264zelnen Sarg, der indeß still vorübergetragen wird.


0265Jetzt trachtet eine politisch beruhigtere Generation gut-
0266zumachen, was wir im Frühjahre 1848 unfreiwillig ver-
0267säumen mußten. Seine schönsten Melodien — das wissen
0268wir jetzt — haben manches Ideal überlebt, wofür wir jungen
0269Achtundvierziger geschwärmt haben. In Bergamo werden
0270sich von Nah und Fern, auch aus Wien, Abgesandte ein-
0271finden, das Andenken des einst so hellstrahlenden und viel-
0272geliebten Künstlers zu feiern. Wer nur Eine Melodie
0273Donizetti’s je im Herzen gehegt, sie in Leid oder Freud’
0274vor sich hingesungen, der steht in seiner Schuld und wird
0275diese Schuld gern abtragen durch ein dankbares Erinnern.

Fußnoten
  • *)Nach Briefen Andrea Donizetti’s an Dr. L. Herz in Wien,
    veröffentlicht von Angelo Eisner v. Eisenhof. 1897.