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Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 11942. Wien, Sonntag, den 21. November 1897

[1]

Hofoperntheater.

Eugen Onegin“ von Tschaikowsky.


0003Ed. H. Peter Tschaikowsky, der begabteste und frucht-
0004barste Vertreter des musikalischen Jung-Rußland, ist uns
0005in Wien bisher nur durch Instrumental-Compositionen be-
0006kannt worden. Davon haben nur die allerkleinste (das von
0007Rubinstein gespielte Lied ohne Worte in F-dur) und die
0008allergrößte (die Sinfonie pathétique) einen vollen, unge-
0009theilten Beifall errungen. Die Opern Tschaikowsky’s, fünf
0010an der Zahl, sind der deutschen Bühne so gut wie fremd
0011geblieben; um so größeren Dank schulden wir der Hofopern-
0012Direction für die Aufführung von „Eugen Onegin“. In
0013Rußland Gegenstand einer beispiellosen Popularität, muß
0014diese Oper auch dort, wo die Voraussetzungen solcher Popu-
0015larität fehlen, lebhaftes Interesse hervorrufen. Die Carrière
0016derselben ist wunderlich genug. Wie E. Zabel in seinem
0017neuesten Buch über Rußland erzählt, hatte Tschaikowsky 
0018seinen Onegin ursprünglich nur einer Schüler-Production
0019am Moskauer Conservatorium zugedacht, für welche sein
0020Freund, der Director Nikolaus Rubinstein, etwas Neues
0021wünschte. Zufällig lernte der verstorbene Kaiser von Ruß-
0022land die Oper aus dem Clavierauszug kennen und befahl
0023ihre Aufführung im Hoftheater für den Winter 1884.
0024Damit wurde Tschaikowsky der beliebteste Componist in
0025Rußland. Diesen außerordentlichen Erfolg verdankte die
0026Oper zunächst ihrem Sujet; hat doch Puschkin’s Roman
0027in Versen „Eugen Onegin“ in Rußland ungefähr die Be-
0028deutung und Verbreitung wie bei uns Goethe’s „Faust“.


0029Die meisten russischen Componisten, jedenfalls die besten,
0030folgten dem schönen Ehrgeiz, sich Stoffe aus den be-
0031rühmtesten Dichtungen ihres Vaterlandes zu holen. Das
0032war immerhin mehr patriotisch empfunden, als musikalisch
0033überlegt. Allen voranleuchtend griff zuerst Glinka nach
0034den Dichtungen Puschkin’s. Brandes’ Ausspruch, es sei 
0035erst mit Puschkin die russische Poesie eine selbstständige Macht
0036geworden, läßt sich vollständig auf Glinka und die russische
0037Musik anwenden. Glinka schuf 1842 aus Puschkin’s Mär-
0038chen „Rußlan und Ludmilla“ eine Oper, deren himmelblaue
0039Romantik allerdings nicht den Erfolg seines erzmoskowiti-
0040schen „Leben für den Czar“ erreichte. Puschkin’s „Russalka“
0041und „Der steinerne Gast“ lieferten den Stoff zu zwei Opern
0042von Dargomijski, dessen jüngerer College Mus-
0043sorgsky
wieder den „Boris Godunow“, Puschkin’s einziges
0044großes Drama, componirte. Was Tschaikowsky betrifft,
0045so hat er von Puschkin zwei Erzählungen aus dem modernen
0046Gesellschaftsleben, „Die Pique-Dame“ und „Eugen Onegin“,
0047für seine Opern bearbeitet. Wenn es sich darum handelte,
0048uns in Wien mit einer russischen Oper bekannt zu machen,
0049so war Tschaikowsky’s Onegin unstreitig die beste Wahl.
0050Dem Componisten kommen wir bereits mit Vertrauen ent-
0051gegen, und seine Oper ist nur so weit specifisch russisch,
0052als sie uns mit dem pikanten Reiz des Fremdartigen an-
0053spricht. Keineswegs stellt „Eugen Onegin“, so starke Zu-
0054muthungen an unser Verständniß oder unsern Köhler-
0055glauben, wie die meisten anderen Opern russischer Herkunft.


0056Eugen Onegin, ein russischer Landedelmann, ist eine
0057Art Don Juan des Ruhestandes; blasirt, den Weibern ge-
0058fährlich und ihrer doch übersatt. Ein Mann von Geist,
0059der jedoch nie etwas geleistet hat; ein Typus russischer
0060Saloncultur mit dem einzigen Beruf, interessant zu sein.
0061Puschkin hat Züge aus Lord Byron’s Charakter und aus
0062seinem eigenen in diese Figur verwebt. Onegin wird von
0063seinem Freunde Boris Lenski, einem gutmüthigen braven
0064Jungen, bei Frau Larina, seiner Gutsnachbarin, eingeführt.
0065Da sind zwei reizende Töchter, von denen die jüngere,
0066Olga, mit Lenski verlobt ist. Ein musterhaft glückliches
0067Liebespaar. Die ältere Schwester Tatjana, sinnend, träumerisch,
0068durch die Einsamkeit des Landlebens und romantische
0069Lectüre von unbestimmter Sehnsucht beunruhigt, schwärmt
0070sofort für Onegin. Obwol Beider Gespräch im Garten
0071keinerlei intime Wendung genommen, schreibt sie ihm
0072Nachts einen langen Liebesbrief voll naiver Hingebung. Am
0073nächsten Morgen lehnt Onegin mit kühler Aufrichtigkeit ihre
0074Neigung ab; sein Herz sei für Liebe abgestorben; sie möge ver-
0075nünftig sein, sich überwinden. Abends gibt es einen Hausball bei
0076Frau Larina. Onegin langweilt sich und will sich für die
0077Einladung zu diesem „faden Ball“ an Lenski rächen. Auf-
0078fällig bemüht er sich um Olga und tanzt nur mit ihr. Der
0079zurückgesetzte Bräutigam geräth immer heftiger in Eifersucht,
0080schmäht Onegin vor der ganzen Gesellschaft einen Verführer
0081und fordert ihn, als beiderseits die Beleidigungen überlaufen,
0082zum Zweikampf. In dem Duell, das sich vor uns in einem
0083Wäldchen abspielt, fällt Lenski von der Kugel seines Freundes.
0084Von reuevoller Unruhe getrieben, begibt sich Onegin auf
0085Reisen. Wir begegnen dem nach mehreren Jahren Heim-
0086gekehrten erst wieder in Petersburg auf einem Ball beim
0087Fürsten Gremin. Dieser stellt den fremden Gast seiner
0088jungen Frau vor — Tatjana! So sieht denn Onegin das
0089einst von ihm verschmähte bescheidene Mädchen jetzt als
0090Fürstin wieder, als glänzende gefeierte Schönheit. Er
0091geräth unverweilt in Feuer und Flammen. Am
0092nächsten Tage dringt er in ihr Empfangszimmer, wirft sich
0093ihr zu Füßen und fleht leidenschaftlich um Gegenliebe. Zwar
0094entringt er ihr das Geständniß, daß sie nie aufgehört habe,
0095ihn zu lieben, aber ihr Pflichtgefühl siegt rasch über diese
0096Aufwallung. Tatjana befreit sich aus seinen umklammernden
0097Armen und entflieht. Onegin bleibt in wenig beneidens-
0098werthem Zustande allein auf der Bühne. Der Vorhang fällt.
0099Wirklich zum letzten-, zum allerletzten Mal? So spät es schon
0100geworden, die Zuschauer sehen einander doch zweifelnd an,
0101ob man fortgehen oder noch bleiben soll? Der Abschluß ist
0102unbefriedigend, über’s Knie gebrochen möchte ich sagen, läge
0103nicht in dem Ausdruck etwas Energisches, Entschiedenes,
0104was gerade der Schlußscene des „Onegin“, so empfindlich
0105fehlt. Der pikante Ausgang einer psychologisch zerfasernden
0106Novelle, aber ein unmöglicher Opernschluß. Ich kenne kein
0107zweites Beispiel in der Opern-Literatur. Dieses ungeschickte
0108Ende, eigentlich ein nervöses Ohnmächtigwerden der Handlung,
0109schadet dem Totaleindruck der Oper um so empfindlicher, als
0110bereits mit dem zweiten Aufzuge die so sympathischen Charaktere
0111Olga und Lenski aus dem Stücke verschwunden sind.


0112Also „Ende gut, Alles gut“ können wir von Tschai-
0113kowsky’s Oper nicht sagen; wol aber „Ende nicht gut“ und
0114trotzdem alles Frühere voll Reiz und Interesse. Wer im [2]
0115Eugen Onegin“ nicht ein stark bewegtes, dramatisch geschlossenes
0116Bühnenstück erwartet, sondern, wie der Componist selbst ge-
0117wollt, eine Reihe lyischer Scenen, der wird seine Rechnung
0118gewiß finden und, vielleicht etwas unbefriedigt vom ersten
0119Hören, ein zweites nicht lange aufschieben.


0120Gleich das Vorspiel mit seiner weichen Schwermuth
0121und der die Scene eröffnende zarte Zwiegesang der beiden
0122Mädchen führt uns unmittelbar in die landschaftliche Stim-
0123mung, welche den ersten Act beherrscht. Wie frisch klingt
0124der echt nationale Chor und Tanz der Schnitter, wie innig
0125Lenski’s Liebeserklärung an Olga! Die dazwischen liegenden
0126Conversations-Scenen zerbröckeln allerdings den Gesang,
0127zum Nachtheil der Melodie und der Deutlichkeit des Wortes;
0128dafür fesselt die einheitlich geführte, reizvolle Orchester-
0129Begleitung fortdauernd unser Interesse. Die Scene ver-
0130wandelt sich in Tatjana’s Schlafgemach. Eine beklemmende
0131Schwüle liegt in der Musik; sie wird von der ermüdenden
0132Erzählung der alten Amme nur zeitweilig gelindert. Sobald
0133sich Letztere entfernt hat, bricht das Gewitter los: Tatjana’s
0134leidenschaftlicher Ausbruch ihrer Liebe zu Onegin. Sie be-
0135ginnt, ihm zu schreiben. Die Briefscene dünkt uns die
0136Perle der ganzen Oper. So weit dieser Monolog sich auch
0137ausbreitet, er beschäftigt und fesselt ununterbrochen unser Hören
0138und Mitfühlen. Wie entzückend die Orchester-Melodie in
0139D-moll, welche in Gruppen von je zwei herabgleitenden
0140Noten zwischen Flöte, Clarinette und Horn vertheilt, jeden
0141Tact mit einem leisen Harfenaccord abschließt! Und dann,
0142als Tatjana den unterbrochenen Brief wieder aufnimmt, die
0143seelenvolle Des-dur-Melodie, die, zuerst von der Oboë und
0144dem Horn angekündigt, Tatjana’s Liebesklage begleitet:
0145„Bist du mein Glück aus Himmelshöhen, bist du zum
0146Leide mir ersehen?“ Wir gelangen nun wieder in den
0147Garten der Frau Larina und lauschen einem einfachen
0148Mädchenchor von heiter nationalem Charakter. Onegin er-
0149theilt der ihm entgegen zitternden Tatjana seinen ablehnenden
0150Bescheid und schließt den Act mit einer Arie in schleppendem
0151Zwölf-Achtel-Tact, welche nicht dazu beiträgt, ihn besonders
0152interessant oder gefährlich erscheinen zu lassen. Aus der
0153Naturstimmung und der zarten psychologischen Detail-
0154malerei des ersten Actes führt uns der Componist 
0155in das bunte Gesellschaftsleben russischer Landedelleute.
0156Ein feiner Zug ist es, daß er das Vorspiel wieder mit dem
0157sehnsüchtigen Motiv Tatjana’s beginnt, welches allmälig in
0158das Walzertempo mündet. Die theilweise vom Chor
0159secundirte Tanzmusik bringt frisches Leben auf die Bühne;
0160ein Anklang an den Walzer aus Gounod’s „Faust“ schadet
0161ihr nicht allzusehr. Der Tanz und ein von Monsieur
0162Triquet französisch gesungenes Strophenlied unterstützen die
0163Porträt-Aehnlichkeit dieses russischen Gesellschaftsbildes vom
0164Jahre 1830. Es erklingt eine rauschende Mazurka; in ihre
0165Schlußtacte mischt sich der Streit zwischen Onegin und dem
0166eifersüchtigen Lenski. Ihr leidenschaftlich aufstürmender
0167Wortwechsel und die Herausforderung bedurften einer
0168packenderen Musik; an dem Verpassen dieser in der ganzen
0169Oper nicht wiederkehrenden Gelegenheit verräth und rächt
0170sich der Mangel an dramatischer Energie bei Tschaikowsky.
0171Auch das darauffolgende Duell hätte eine weit stärkere
0172Wirkung vertragen; sie geht uns nur so weit an die
0173Nerven, wie der Anblick eines jeden Pistolenduells
0174mit seinem langsamen Avanciren, dem Signal zum
0175Loschießen und dem jähen Tod eines der beiden Kämpfer.
0176Eine empfindungsvolle, wenn auch nicht sehr originelle
0177Cantilene Lenski’s verräth, wie noch manch andere, Tschai-
0178kowsky’s nie ganz verwelkte Liebe zur italienischen Musik.
0179(Man erinnere sich an Tatjana’s Des-dur-Melodie „Sollt’
0180ich auch untergeh’n“, an Lenski’s Liebeserklärung im ersten
0181Act, an Onegin’s B-dur-Allegro im dritten u. s. w.) Der
0182dritte Act bringt als Gegenstück zu der ländlichen Tanz-
0183unterhaltung bei Frau Larina ein vornehmes Ballfest beim
0184Fürsten Gremin in Petersburg. Die Polonaise rauscht
0185farbenprächtig, Aug’ und Ohr erfrischend, an uns vorüber.
0186Eine Arie des Fürsten, der in dem salbungsvoll biederen
0187Ton älterer französischer Couplets sein Eheglück preist, ver-
0188mag uns ebenso wenig zu begeistern, wie Onegin’s kaltes
0189Feuerwerk: „Es ist kein Zweifel mehr, ich liebe!“ Die
0190Scene in Tatjana’s Empfangszimmer ist genau so disponirt
0191wie die Schlußscene des vierten Actes der „Hugenotten“:
0192zuerst ein schmerzlich bewegter Monolog der Fürstin, hierauf
0193ihr Duett mit dem sie leidenschaftlich bestürmenden Onegin.
0194Hier stockt leider Tschaikowsky’s Erfindung. Wenn man mit 
0195einem Duett einen langen Act schließt, geschweige denn eine
0196ganze Oper, so muß dasselbe den musikalischen Reichthum
0197und die gewaltige dramatische Triebkraft besitzen, wie das Duett
0198zwischen Raoul und Valentine. Daß Tschaikowsky an diesem
0199entscheidenden Punkt zurückgeblieben ist, er muß es an dem
0200Totaleindruck seiner Oper büßen.


0201Und dennoch, dennoch — die Oper berührt uns un-
0202gemein sympathisch und entläßt uns, trotz zahlreicher
0203Schwächen, mit dem Verlangen, sie wieder zu hören. Das
0204vermag, im Zusammenklang mit Geist und Anmuth, nur
0205künstlerische Ehrlichkeit. Nichts ist dem bloßen Effect zuliebe
0206hingeschrieben. Der Componist läßt überall seine natürliche
0207zarte Empfindung sprechen. Wo sie nicht ausreicht, ver-
0208schmäht er wenigstens, sie mit gemeinen Surrogaten zu
0209fälschen. Tschaikowsky mahnt hin und wieder an italienische
0210Cantilenen, an französische Conversations-Musik, an die
0211selbstständig singende Orchesterbegleitung Wagner’s. Aber
0212nirgends kann man ihn directer Nachahmung zeihen;
0213er bleibt immer er selbst, gibt nur, was und wie er
0214empfindet. Er ist voll schwermüthiger Sehnsucht wie Tatjana,
0215heiter und naiv wie Olga, herzenswarm wie Lenski. Nur
0216für die ironische Ueberlegenheit des unwiderstehlichen
0217Onegin fehlen ihm die entsprechenden Accente. Da muß
0218allerdings die Persönlichkeit und das schauspielerische Talent
0219des Darstellers stark nachhelfen. Ueberwältigende Wirkung
0220liegt dieser Musik fern; sie ist keineswegs „dramatisch“ in
0221dem superlativen Sinn, den man heute mit dem Worte
0222verbindet. Aber den feinen aromatischen Duft ihrer
0223lyrischen Blüthen schätzen wir höher und athmen ihn lieber,
0224als die scharfe giftige Dramatik unserer modernsten Opern.
0225Tschaikowsky theilt mit seinem Dichter Puschkin den ange-
0226borenen aristokratischen Zug. Er bewährt ihn in den
0227Gesangspartien, noch mehr in der Instrumentirung, deren
0228unvergleichlicher Beredsamkeit und Klangschönheit wir uns
0229willig hingeben, wo stellenweise das auf der Bühne
0230Gesungene nicht unser volles Interesse erringt.


0231Das Publicum hat bei der ersten Aufführung dem
0232fremdartig anmuthenden Werke so lebhaftes Interesse und
0233Verständniß entgegengebracht, daß wir ein vorzeitiges Ver-
0234schwinden des „Eugen Onegin“ nicht zu befürchten haben. [3]
0235Er wird sich die Theilnahme der Zuhörer bewahren, wenn
0236auch der krampfhafte Jubel, der gestern gleich nach dem
0237ersten Bilde und sogar nach der Duellscene von den Galerien
0238tobte, später ruhigere Formen annehmen dürfte. Die Auf-
0239führung der Novität gehört zu den glänzendsten des Hofopern-
0240theaters. Der erste Dank dafür gebührt Herrn Director
0241Mahler, dessen ruhiger, scharfer Blick gleicherweise das
0242Orchester wie das Bühnenbild durchdringt und beherrscht.
0243Von den Darstellern war es Fräulein Renard, welche
0244als Tatjana den größten Triumph feierte. Das Publicum,
0245das immer freudig aufgeregt scheint, wenn die Renard in
0246einer neuen großen Rolle auftritt, ward nicht müde, sie
0247bei offener Scene und nach jedem Actschlusse auszuzeichnen.
0248Vortrefflich als Sängerin und Schauspielerin, hat Fräulein
0249Renard uns im „Onegin“ überdies als graziöse unermüd-
0250liche Tänzerin überrascht. Die kleinere Gestalt der Olga um-
0251gibt Fräulein Michalek mit dem Reiz ihrer natürlichen Anmuth
0252und unverbrauchten Jugend. Man hat sie noch in jeder
0253Partie gern gesehen und gehört. „So oft sie kam, erschien
0254mir die Gestalt — So lieblich wie das erste Grün im
0255Wald,“ heißt es bei Lenau. Herrn Schrödter’s erquickende
0256Stimme und warmer seelenvoller Vortrag machten seinen
0257Lenski zu einer überaus sympathischen Figur. Nur gegen
0258die ihn entstellende, scheußliche Perrücke möchten wir Protest
0259einlegen. Herr Ritter bemühte sich mit bestem Erfolg, der
0260mehr schwierigen als dankbaren Partie des Onegin die besten
0261Seiten abzugewinnen. Rauschenden Beifall erntete Herr
0262Hesch (Fürst Gremin) für seinen überraschend maßvollen
0263Vortrag der Strophen im dritten Act. Herr Schitten-
0264helm
(Mr. Triquet) sang die französischen Couplets mit
0265parodistischer Laune und gutem Effect. Die nicht unwichtigen
0266kleineren Rollen der Larina und Filipjewna werden von
0267Frau Kaulich und Frau Baier sorgfältig gegeben. Nur
0268möchten wir die beiden Damen bitten, in der ersten Scene
0269ihre Stimmen zu mäßigen; das Duett Olga’s mit Tatjana 
0270wird durch sie vollständig gedeckt. Nennen wir noch den
0271immer tüchtigen und verläßlichen Herrn Frei als Major
0272Saretzky, so ist hoffentlich Niemand vergessen, der zu dem
0273genußreichen Abend beigetragen hat.