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Neue Freie Presse
Morgenblatt
Nr. 2217. Wien, Samstag, den 29. October 1870

[1]

Hofoperntheater.


0002Ed. H. Zwei komische Opern folgten einander rasch
0003im neuen Opernhause: „Figaro’s Hochzeit“ und „Fra
0004Diavolo
“, beide mit sehr günstigem Erfolg. Wir haben
0005vor Jahr und Tag die Hemmnisse beklagt, welche das feinere
0006musikalische Lustspiel in diesen großen Räumen zu bekämpfen
0007hat und niemals ganz überwinden kann. Herbeck’s Vor-
0008schlag, das alte Kärntnerthor-Theater für die Spieloper zu
0009reserviren, hatte unseren vollen Beifall, ja wir knüpften die
0010Hoffnung auf eine sich einst selbstständig entwickelnde Opéra
0011comique daran. Dieser Traum ist rasch verflogen; man hat
0012das alte Haus den Demolirungsgöttern geweiht, ohne ihm
0013auch nur einen ehrenvollen Abschied, eine officielle „letzte Vor-
0014stellung“ zu gönnen. Von Pietät zeugt dies nicht, auch nicht
0015von historischem Sinn gegenüber einer so merkwürdigen, erleb-
0016nißreichen Kunststätte. Inzwischen gewöhnte sich das Publi-
0017cum, gefesselt von den Herrlichkeiten des neuen Baues, all-
0018mälig auch an dessen Schattenseiten, wozu eben das Mißver-
0019hältniß seiner Größe zu den feinen Linien der Spieloper
0020gehört. So wenig wir selbst uns dieser Macht der „süßen
0021freundlichen Gewohnheit“ entziehen konnten — unsere Ueber-
0022zeugung von der besseren Wirkung komischer Opern im alten
0023Theater können wir doch nicht abschwören. Derlei zierliche
0024musikalische Gärtchen und Blumenbeete sprechen in traulicher
0025Nähe viel beredter zu unseren Sinnen, als wenn man sie
0026durchs Fernrohr betrachten muß. Wie die Sachen nun einmal
0027stehen, haben wir nur die Wahl, entweder auf das musika-
0028lische Lustspiel ganz zu verzichten oder es im neuen Opern-
0029hause willkommen zu heißen. Wir thun das Letztere und wün-
0030schen, daß dem „Figaro“ und „Fra Diavolo“ bald eine Aus-
0031wahl ähnlicher Werke nachfolge. Ohne solche Unterbrechung
0032muß die Wucht der großen fünfactigen Opern Hörer und
0033Sänger niederdrücken.


0034Fra Diavolo“ war zum großen Theile neu besetzt; von
0035den früheren Darstellern sind nur Herr Mayerhofer und
0036Fräulein Gindele geblieben, das musterhafte Engländer-
0037Pärchen, dann Herr Pirk (Lorenzo), der bekanntlich ein
0038höchst ergötzlicher Schusterjunge, aber ein trübseliger Liebhaber
0039und Held ist. Die beiden Banditen gaben zum erstenmale die
0040Herren Neumann und Regenspurger. Letzterer erregte
0041viel Heiterkeit und ist jedenfalls der beste Ersatz für den als
0042Beppo wahrhaft classischen Campe; Herr Neumann 
0043hingegen trug die Farben gar zu schwach auf und blieb hinter
0044der Wirkung zurück, welche Hrabanek und Lay mit dem
0045Giacomo erzielten. Herr Müller sang zum erstenmale die
0046Titelrolle und gefiel uns in vielen Stücken besser als sein
0047Vorgänger Labatt, so ferne er auch dem Ideale eines Fra
0048Diavolo steht. Es fehlt Herrn Müller an Leichtigkeit und
0049Natürlichkeit im Spielen und Sprechen; sein steifes ernst-
0050haftes Wesen paßt schlecht zu der fröhlichen Keckheit, welcher
0051den Fra Diavolo von seinem ersten Erscheinen an charakteri-
0052sirt. Zum Ueberfluß steckte Herr Müller in einem Anzuge, der
0053selbst für eine Ringstraßen-Promenade zu philisterhaft er-
0054schiene; die Oper spielt nicht im Jahre 1870, ihr Held heißt
0055Fra Diavolo und nicht Rothberger. Sehr hübsch sang Herr
0056Müller die beiden Barcarolen, welche ihm lebhaften Applaus
0057eintrugen. Fräulein Minnie Hauck ist die beste Zerline, die
0058wir je im Hofoperntheater gesehen; die wohlthuende Reinheit
0059ihres Gesanges, die natürliche Anmuth und Lebendigkeit ihres
0060Spieles, die jugendliche Frische der Stimme wie der ganzen
0061Erscheinung vereinigten sich hier zur schönsten Totalwirkung.
0062Nur einen einzigen kleinen Flecken wünschten wir hinweg aus
0063diesem sonst makellosen Bilde: die unpassende Coloratur-Ver-
0064brämung des in seiner Einfachheit so liebenswürdigen Gesan-
0065ges vor dem Spiegel. Fräulein Hauck legt hier einen jener
0066unabsehbar langen, periodisch wie durch Rippenstöße angesporn-
0067ten Triller ein, welche bei unseren Sängern so entsetzlich be-
0068liebt und namentlich in den Partien von Martha, Nancy 
0069und Plumkett seit Jahren intabulirt sind. Zerline bietet an
0070anderen Stellen hinreichende Gelegenheit zu glänzendem Pas-
0071sagenwerk, insbesondere in der von Fräulein Hauck hier zum
0072erstenmale vorgeführten Arie, welche Auber (ich weiß nicht für
0073welche Primadonna) nachcomponirt und in die italienischen
0074Ausgaben des „Fra Diavolo“ aufgenommen hat. Für Rollen
0075wie Zerline ist Fräulein Hauck ein specifisches Talent von 
0076welchem die Direction möglichst viel Nutzen ziehen möge. „Der
0077schwarze Domino“, „Des Teufels Antheil“, „La Traviata“
0078(unstreitig Verdi’s feinste Oper und hier niemals in deutscher
0079Sprache gegeben) könnten durch Fräulein Hauck sehr anzie-
0080hende Vorstellungen werden; in zweiter Linie auch der „Nord-
0081stern“, „Dinorah“ und „Don Pasquale“.


0082Im Vergleiche mit „Fra Diavolo“ hatte natürlich Mo-
0083zart’s „Figaro“ durch seine ungleich breitere, üppigere musika-
0084lische Entfaltung den günstigeren Stand, den durchschlagen-
0085deren Erfolg. Mit entzückender Frische und Feinheit strömte
0086die reizende Musik unter Herbeck’s Leitung dahin; das
0087scenische Arrangement brachte manches Neue und Gelungene,
0088wie z. B. die Ausstattung der Hochzeitsfeier im zweiten Act.
0089Von den Hauptrollen möchten wir Herrn Beck’s stolzen und
0090feurigen Almaviva zu höchst stellen. Eine köstliche Leistung
0091ist ferner Fräulein Ehnn’s Cherubin, bis auf den affectirt
0092versäuselnden Vortrag der B-dur-Romanze. Herrn Mayer-
0093hofer
fehlt für den Figaro das leichte Blut, die natür-
0094liche Heiterkeit. Rollen, deren komische Wirkung in Gravität,
0095Grobheit oder Verbissenheit liegt (Lord Kockburn, Bijou im
0096Postillon“ etc.), spielt Herr Mayerhofer bekanntlich mit gro-
0097ßem Talent; eine starke Dosis Pathos und Ernsthaftigkeit
0098scheint aber untrennbar von seiner Individualität, welche deß-
0099halb in der Figaro-Rolle niemals recht heimisch wird. Von
0100den hiesigen Darstellern des Figaro dünkt uns noch immer
0101Herr Hablawetz der frischeste und natürlichste, so sehr er
0102als Gesangskünstler den Herren Mayerhofer und Schmid 
0103nachsteht. Eine vortreffliche Susanne hat die Oper an
0104Fräulein Hauck gewonnen, deren feiner, correcter Gesangs-
0105vortrag und munteres (stellenweise vielleicht allzu bewegliches)
0106Spiel die lebhafteste Anerkennung fanden. Ihre Leistung
0107steigt noch bedeutend in unserer Achtung, seitdem wir gehört,
0108daß sie die schwierige Rolle der Susanne (desgleichen die
0109Zerline) zum erstenmal in ihrem Leben gespielt hat. Die
0110kleineren Rollen in „Figaro’s Hochzeit“ waren durch die
0111Herren Pirk, Regenspurger, Neumann, die Sän-
0112gerinnen Wanda und Sterr gut besetzt.


0113Frau Wilt als Gräfin nennen wir zuletzt, weil der
0114uns bevorstehende Verlust dieser Künstlerin den Referenten [2]
0115redseliger machen, ja vielleicht vom „Figaro“ ganz und gar
0116ablenken dürfte. Sie singt die Gräfin ganz ausgezeichnet;
0117auf dieses rein musikalische Lob muß man sich beschränken.
0118Die für diese Rolle unerläßliche Grazie und edle Haltung
0119mangelt Frau Wilt in bedenklichem Grade, desgleichen die
0120nothdürftigste Gewandtheit im Sprechen und Agiren. Frau
0121Wilt ist eine durchaus musikalisch angelegte Natur ohne jeg-
0122liches dramatisches Talent. Daß sich diese Einseitigkeit nicht
0123blos in Aeußerlichkeiten, etwa in Härten und Ecken des Spieles
0124zeige, sondern oft geradezu die Richtigkeit der Auffassung alte-
0125rirt, mögen zwei Beispiele aus „Figaro“ darthun. Im Fi-
0126nale des zweiten Actes wähnt die Gräfin den Pagen noch in
0127ihrem Schlafzimmer versteckt und sucht angstvoll, verlegen den
0128immer heftiger gegen das Zimmer anstürmenden Grafen dar-
0129auf vorzubereiten. Frau Wilt singt aber diese Stelle nicht
0130im mindesten angstvoll und verlegen, sondern lächelnd, im
0131Tone maliciöser Ueberlegenheit, als wüßte und freute sie sich
0132schon, daß nun plötzlich Susanne anstatt des Pagen heraus-
0133treten werde. Ein ähnlicher Mißgriff ist die Art, wie sie das
0134Dictirduett auffaßt. Die Worte („Che suave zefiretto“ etc.),
0135welche die Gräfin in listiger Absicht Susannen in die Feder
0136dictirt, singt Frau Wilt pathetisch, wie den leiden-
0137schaftlichen Ausbruch einer wirklichen, subjectiven Em-
0138pfindung, mit ausgebreiteten Armen und gegen Himmel
0139gedrehten Augen. Schön gesungen war auch diese wie
0140alle Nummern der Gräfin in „Figaro’s Hochzeit“, aber
0141dramatisch gefühlt und dargestellt ist die Rolle durch Frau
0142Wilt ebensowenig, als sie poetisch verkörpert erscheint. Wenn
0143Frau Wilt sich beklagt, daß die Direction ihr nicht alle For-
0144derungen erfülle, so darf man wol bescheiden erinnern, daß
0145auch Frau Wilt keineswegs alle Anforderungen an eine erste
0146dramatische Sängerin erfüllt. Sie hat bekanntlich ihr Ver-
0147bleiben am Hofoperntheater von einer Erhöhung ihrer Gage
0148auf achtzehntausend Gulden abhängig gemacht und
0149den Gegenantrag der Direction auf 15,000 fl. und 3½ Monate
0150Urlaub rundweg zurückgewiesen. Wenn Frau Wilt sich so
0151hoch emporragend fühlt über ihre viel geringer besoldeten Col-
0152leginnen Dustmann und Ehnn, so ist das ihre Sache; 
0153Sache der Direction ist es hingegen, den täglich bedrohlicher
0154anwachsenden Prätensionen der Sänger endlich ein Ziel zu
0155setzen. Wir haben uns niemals in die finanziellen Angelegen-
0156heiten und Fehden der Sänger gemischt, wohl wissend, daß
0157die Kritik sich darum zu kümmern habe, wie gut und nicht
0158wie theuer ein Künstler singe. Seit Kurzem nimmt aber im
0159Personal des Hofoperntheaters die Ueberhebung und Unersätt-
0160lichkeit einzelner Sänger Dimensionen an, welche jedes ge-
0161ordnete Bühnenwesen zu sprengen drohen. In dieser Gefahr
0162hat eine Bühnenleitung offenbar gerechteren Anspruch auf die
0163moralische Unterstützung der Journalistik, als die Habsucht
0164einer Primadonna. „Habsucht“, das ist das rechte Wort,
0165denn von dem berechtigten Verlangen nach einer bequemen,
0166ja reichlichen Existenz ist ja bei Sängern, denen einmal der Kopf
0167verrückt ist, längst keine Rede mehr, sondern nur von An-
0168häufung des Goldes. Fühlen es denn diese Künstler, die von
0169berufswegen in den Sphären des Schönen und Edlen walten,
0170gar nicht, welch häßlichen Charakterzug ihnen diese Gier nach
0171Geld und nur nach Geld ausdrückt? Nur ein Thor kann
0172heutzutage verlangen, die Kunst solle dem Künstler Alles sein,
0173aber etwas soll sie ihm doch gelten neben dem Mammon.
0174Möchte man nicht toll werden, wenn man einen Schullehrer-
0175gehilfen oder eine Diurnistens-Tochter, welche noch vor Kur-
0176zem mit einigen hundert Gulden auskommen mußten und
0177auskamen, nach zwei- bis dreijähriger Opern-Carrière ausru-
0178fen hört: „Wie kann ich mit zwölftausend, mit vierzehntau-
0179send Gulden leben!“ Diese Leute, denen eine blinde Gottheit
0180ein hohes C in die Wiege legte, verlieren merkwürdig schnell
0181jeden Maßstab für menschliches Verdienst, sie verlieren das
0182Gedächtniß für ihre eigene Vergangenheit und die Lage ihrer
0183Mitmenschen. Wir wollen nicht von Statthalter- und Generals-
0184Besoldungen sprechen, nachdem ja schon Friedrich der Große 
0185bemerkt hat, daß er von seinen Generalen sich nichts könne
0186vorsingen lassen. Allein mit anderen Künstlern von Beruf
0187und Verdienst sollten sich unsere Opernsänger doch manchmal
0188im Stillen vergleichen und sich fragen, wie viel ein genialer
0189Dichter oder Componist, ein ausgezeichneter Maler oder Bild-
0190hauer gewinne? Wie glücklich wären die meisten Künstler, die 
0191ihr Talent im Kopfe und nicht in der Gurgel haben mit einem
0192Jahreseinkommen von 12- bis 14,000 Gulden! Aber natür-
0193lich, ein Tenorist oder eine Primadonna, die im väterlichen
0194Hause sich oft nicht satt gegessen, die können auf einmal da-
0195von „nicht leben“! „Wozu braucht man denn so viel Geld,
0196wenn man nur eine Sängerin ist?“ rief Berlioz der ge-
0197feierten Sonntag zu, als sie jene unheilvolle Reise nach
0198Mexico und Brasilien unternahm, welche ihr schnellen Reich-
0199thum bringen sollte und einen schnellen Tod brachte. Wenn
0200unsere Primadonnen, fährt Berlioz fort, sich Reichthümer er-
0201singen wollten, um damit Conservatorien und Concertsäle zu
0202erbauen, Künste und Wissenschaften zu unterstützen, könnte man
0203ihnen Recht geben — das komme aber nie vor, und das Geld
0204sei ihnen immer nur Zweck, niemals Mittel. Es ist leider
0205auch bei uns wahr, daß in den Listen, welche freiwillige
0206Beiträge für wissenschaftliche, künstlerische und wohlthätige
0207Zwecke verzeichnen, gar kein Stand so auffallend wenig ver-
0208treten ist, wie der unserer reichdotirten Opernsänger. Also
0209„quel besoin d’avoir tant d’argent, quand on n’est qu’une
0210cantatrice?“ Geben wir zu, daß Sänger und Sängerinnen
0211einen Marktpreis haben, der sich wie bei jeder anderen Waare
0212nach Anbot und Nachfrage richtet. Ist aber die Nachfrage
0213nach deutschen Sängern von dem Durchschnittswerthe der
0214unsrigen wirklich so groß, daß diese fortwährend mit „viel
0215besseren Engagements an anderen Bühnen“ drohen können?
0216Hat nicht Fräulein Gindele nach einigen verschmollten
0217Monaten vollständig nachgegeben? Ist Herr Adams nicht
0218jeden Augenblick wieder zu haben? Nur mit den Gagen der
0219italienischen Opern in Petersburg und London kann Wien 
0220nicht concurriren (Paris bleibt jetzt außer Frage), dort
0221wird aber für höhere Gagen wirklich mehr oder doch Anderes
0222verlangt. Die Besoldungen der ersten und zweiten Kräfte am
0223Hofoperntheater muß jeder Billigdenkende nicht nur höchst an-
0224ständig, sondern reichlich nennen, sowol im Verhältniß zu den
0225individuellen Leistungen, als an und für sich. Den Sängern
0226scheint aber zeitweise jede Selbstkritik abhanden zu kommen.
0227Findet auch einmal Einer seine Leistungen hinreichend entlohnt,
0228so revoltirt er doch in dem Augenblicke, wo einer seiner Col[3]-
0229legen ein paar hundert Gulden mehr bekommt. Das kann Keiner
0230vertragen. Sieht sich die Direction durch ein außergewöhnliches
0231Talent oder eine außergewöhnliche Nothlage zu einer einzelnen
0232Gage-Erhöhung veranlaßt, so präludiren oder concertiren so-
0233fort alle Uebrigen auf ihrem allzeit bereiten Strike-Instrument.
0234Dieses Steigerungsfieber verbleibt keineswegs im Kreise der
0235ersten Mitglieder, es pflanzt sich elektrisch nach unten fort,
0236bis zum Nachtwächter in den „Hugenotten“ und der Amme 
0237in „Romeo“, welche keinen Tag länger mit ihrer Gage exi-
0238stiren können, wenn der Gehalt des Raoul oder der Julie 
0239erhöht worden ist. Hat eine Direction sich ein paar solcher
0240Zugeständnisse entreißen lassen, so sieht sie sich bald dem all-
0241gemeinen Geschrei nach mehr preisgegeben. Daß einige Fehler
0242derart begangen sind, ist wahrlich kein Grund, sie ins Unab-
0243sehbare zu vervielfältigen, sondern im Gegentheile ein Grund,
0244so schnell als möglich auf dieser schiefen Ebene innezuhalten.
0245Eine gewisse Grenze muß sich hierin jede Direction festsetzen,
0246von dem Billigkeitsgefühl verwöhnter Sänger ist nun einmal
0247nichts zu erwarten. Frau Wilt soll in ihrem Manifest an
0248die Direction nicht einmal mit vortheilhafteren fremden Enga-
0249ments gedroht, sondern schlechtweg erklärt haben, sie wolle
0250lieber gar nicht mehr singen, als für weniger denn 18,000 fl.
0251und beabsichtige für diesen Fall, sich ins Privatleben zurück-
0252zuziehen, „was ihre Mittel ihr erlauben“. Wenn Frau Wilt 
0253in der sehr kurzen Zeit ihrer Opern-Carrière sich ein so an-
0254sehnliches, ihre ganze Zukunft sicherndes Vermögen ersparen
0255konnte, so müssen die Gagen im Hofoperntheater doch nicht
0256gar so armselig sein. Aber, wie gesagt, die Liebe zur Kunst,
0257der Drang zu schaffen und Tausende zu entzücken, sie zählen
0258nichts mehr gegen den modernen Drang, Tausende einzucas-
0259siren. Frau Wilt ist eine sehr stimmbegabte und tüchtige
0260Sängerin, aber keine hinreißende, geistvolle oder geniale Künst-
0261lerin, ein ungemein schätzbares Mitglied, aber kein unersetzli-
0262ches. Man kann demnach die Direction nur loben, daß sie
0263Ansprüchen widerstand, deren Gewährung das ganze Personal
0264aus Rand und Band gebracht und das Institut selbst all-
0265mälig bankerott gemacht hätte.